Es ist die landschaftliche Einbettung, die den besonderen Reiz der Ruine Diersburg ausmacht. Zwischen Lahr und Offenburg, nahe dem Kinzigtal furcht auch das Diersburger Tal den Schwarzwald. Zumeist aus Richtung Rheinebene kommen, hat man jenes Tal schon die ersten Kilometer durchschritten, da taucht sie denn bestens sichtbar auf: die spätestens im 12. Jahrhundert erbaute Burg krönt einen mächtigen Felsen, der sich gleich einer Talsperre in den Weg stellt!
Eine dem Auge so ungewöhnliche als erfreuliche Erscheinung. Obgleich das im 17. Jahrhundert ruinierte Gebäu in einer Gipfelposition, so steigen die nahen Talwände rechts und links in noch bedeutendere Höhen. Die bizarr gezackten Mauern sind in Gipfel- als auch in Tallage! Dergleichen findet man in Baden durchaus kein zweites Mal. Und solchem Unikate — das alleine im Makel, dass nicht allzu viel erhalten — schickt sich denn auch eine von der rauen Landschaft eingegebene, ganz eigentümliche Stimmung. Man steht keineswegs allein auf weiter Flur, hier und da grüßen benachbarte Wohnhäuser. Und dennoch, wie das gezackte Gebäu, das gleichsam die Verlängerung des steil aufragenden Kegels, einerseits in das rechts und links eng vorbeiströmende Tal hinunterlugt und andererseits die drohend herunterblickenden Talwände zu dulden hat, das entwirft das schönste Bild trauriger Schauerlichkeit. Das Ruinöse der Burgansicht endlich, es vollendet zu einer Melancholie, die trotz der Nachbarbauten ganz mit ihrer immer nahen Schwester vereint: der gefühlten Einsamkeit.
Und am Tage des dezidierten Besuches sollte denn dieser Prospekt eine weitere, gewiss die letztmögliche Steigerung erfahren. Dichter Nebel hatte die Rheinebene in tagelangem Griff und war längst schon in die Schwarzwaldtäler gekrochen, endlich auch in das Diersburger Tal. Da sprießte die Ruine also ganz unvermittelt in die Höhe. Just aber in diesem Momente errang die dieser Tage hilflose Sonne einen ihrer wenigen Siege; in fernen Höhen mochte der Nebel nur kurz nicht aufmerksam genug sein und ließ eine Lücke auf, die dem Gestirn Anlass zu einem Streiflicht, das mysteriöser und geheimnisvoller nicht gedacht sein konnte. Es war ein Effekt, der zu bestaunen nur sehr selten. Und jenes Zwielicht, setzte es nicht genau die Schild- und Palasmauern in diese fremde Wirkung? Der Nebel hielt wohl dagegen, jedoch nur um seinerseits dem ansonsten so mächtigen Gestirn Tribute zu leisten: er begann gleichsam zu leuchten! Halb Licht, halb Dunkel, nun tatsächlich vollendete Abgeschiedenheit, und Dunst, der wie als Widerschein eines Flammenmeeres hell erleuchtet — und aus all dem ragte das zerschlagene Gebäu der Diersburg monumental in die Höhe. Das war denn entschlossene Weltende-Stimmung, wie im letzten Taumel des Untergangs: die wintertote Vegetation, sah sie nicht aus wie ausgebrannt — der dichte Nebel wie glühender Rauch — und das Gebäu wie soeben mit gewaltsamsten Schlage niedergestreckt? Da hatte das Staunen freilich lange kein Ende!
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