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Die Heidelberger Schlossruine, sie thront majestätisch über der Altstadt, auf dem Wege zur Spitze des Königstuhles. Ein unregelmäßiges Quadrat bereitet ihren Grundriss, ordnet die zahlreichen Gebäulichkeiten um einen großen Hof. Zwischen bizarrer Ruine, abweisendem Bollwerk, höchstem Kunstsinn oszilliert das Schloss, das die Welt staunen macht. Ein Flügel wagt den Ausfall aus dem Geviert, schlägt Kontakt zum mächtigsten der insgesamt sieben Türme. Nach Osten, Westen und Süden trennt ein schwindelerregender Halsgraben ab, so tief als breit. Dann tritt heran, was in den Blütezeiten der Residenz, welche von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des 30jährigen Krieges, den Schlossbauten an Berühmtheit nicht einen Deut nachstand: der "Hortus Palatinus", der Schlossgarten, der von allen Seiten an den Hirschgraben fährt.
Nach Norden indes, damit aber zur Altstadt, trumpft der schönste Außenprospekt des Kurfürstenschlosses. Von Ost nach West, von links nach rechts die folgenden Bauwerke: der zunächst runde und wuchtige, nach oben oktogonal und immer kunstvollere "Glockenturm", gleichsam aus dem zu Füßen platzierten Zeughause in die Höhe strebend — der "Gläserne Saalbau", der älteste der drei Renaissance-Paläste, seine kunstvolle Fassade aber alleine dem Hofe aufsparend — der "Friedrichsbau" mit prächtigem Antlitz, der jüngste der Renaissance-Palais, dem die große Aussichtsplattform "Altan" vorgelagert — unscheinbare Partien des "Frauenzimmerbaus" — reizvoll sich vorne schiebend der "Fassbau", mit großen gotischen Maßwerkfenstern — die pilastergegliederten Überreste des "Englischen Baus", dem letzten Palast des Schlosses, sich dem Barockstil zuneigend und balancierend auf einem sehr hohen massiven Unterbau; er der Flügel, der aus dem Geviert heraustritt und Verbindung sucht zum — "Dicken Turm", dem mächtigsten der Schloss-Campanile, nach vorne durch die Sprengungen des Jahres 1693 gar böse aufgerissen.
Matthäus Merians berühmte Kupferstiche des mittelalterlichen/renaissancistischen Heidelberg, Stiche aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, spannen diese Ansicht gleichsam zwischen den beiden Türmen: Glockenturm und Dicker Turm auf. Eine mächtige Schanze liegt diesem Prospekt vorgelagert; rechts geht die sehr hohe Mauer des Stückgartens vom Dicken Turm ab und links akzentuieren die Arkaden der Scheffelterrasse (Schlossgarten). Auch dieses Gesamtbild ein Oszillieren zwischen Ruine und Landschaft, zwischen Bollwerken und feinsinniger Baukunst.
Das Bedeutsame dieser aus der Altstadt in verschiedenster Weise zu gewinnenden Ansicht offenbart sich dem Eintreffenden, dem Besucher und Touristen, augenblicklich. Die Heidelberger ist die schönste Schlossruine der Welt, so überspannt das auch immer noch klingen mag, und entsprechend kann nichts auf diese Ansicht vorbereiten. Man wird billig übermannt. Das berühmteste Bauwerk Badens, selbst das Freiburger Münster weit genug überbietend, es entfaltet sogleich eine enorme Anziehungskraft. Das Ausdrucksvolle dieser Ansicht zieht mit Macht an sich. Die entsprechende Menschenmenge, sich alsbald in zwei Linien aufspaltend, nimmt ihren gleichsamen Pilgrimsweg. Das Außerordentliche nämlich, was durch die Nordansicht verhießen, man wollte es beinahe für ein Heiligtum nehmen. Das verblüffte, freilich zunächst verwirrte, vielleicht sogar entrückte Auge, solcher Schönheit wird es gewahr, dass übernatürliches vermutet wird — extraordinäres, wie es als ein beständiger Odem das eigentliche Privileg der anmutigsten und gewaltigsten Gotteshäuser.
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