Das sehr ansehnliche Dorf mit dem dafür durchaus irritierenden Namen "Kork" liegt nahe bei Kehl (wohin es 1971 auch eingemeindet). Zwischen vielen Fachwerkhäusern trifft man auf drei barocke Bauwerke: Kirche, Schloss (Amtshaus) und Rathaus, welche aufmerksam machen. Barocke Putzbauten waren dörflichen Gemeinden in aller Regel alleine dem Gotteshaus versprochen. Tritt dann ein Rathaus hinzu, am Ende noch ein Schloss, so weist dies von selbst auf eine bedeutende Funktion im 18. Jahrhundert hin.
Und in der Tat war Kork neben dem nahen Willstätt und ferneren Lichtenau ein Hauptort und Amtssitz der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, einer ortenauer Länderei, die sich längs des Rheines von Lichtenau im Norden nach Willstätt im Süden erstreckte. Die vormals lichtenbergische Besitzung kam 1480 durch Erbgang das Haus Hanau-Zweibrücken und von 1736 bis schließlich 1803 an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (wiederum als Erbe).
Auch die einst sogar befestigten Willstätt und Lichtenau besaßen im ausgehenden Mittelalter Schlösser, ja sehr stattliche Schlösser. Während diese aber im so brutal wütenden 17. Jahrhundert zerstört wurden, im folgenden dann förmlich verschwanden, kam in Kork ein durchaus schlossartiges Amtshaus im 18. Jahrhundert zur Ausführung. Da verschoben sich die Verhältnisse also, kam das kleine Kork zu besonderen Ehren. Und denen sollten denn auch ein neuer Rathausbau, eine neue Kirche allzumal billig gebühren; wie gleich der gesamte Ort, der im 17. Jahrhundert wie die beiden anderen Hauptorte böse geschunden ward, durch die Funktion als Amtssitz zu neuerlicher Blüte sich aufschwang.
Die gewichtige Eigentümlichkeit, welche Kork heutigentags auszeichnet, liegt im dezidierten Erhalt der Gebäulichkeiten eben jenes durch Amtsherrlichkeit beflügelten Aufschwungs. Von den drei barocken "Schaustücken" ging schon die Rede, ebenfalls von vielerlei Fachwerkhäusern. Solcher ohne weiteres trefflichen Mischung ward als ein hervorhebendes Moment das Überdauern bis ins 21. Jahrhundert vergönnt. Und das bedeutet nichts weniger, als dass Kork unter die schönsten Dörfer Badens zu rechnen!
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Der Erhalt nämlich der historischen Dorfgesichter gilt uns leider als wirklicher Ausnahmefall. Das "sanierende" 20. Jahrhundert hat die einst überall zu gewahrenden Dorfidyllen nicht nur durch Ansiedlungsperipherien gründlich umstellt, sondern durch modernistische Neu- und Umbauten, durch den zweifelhaften Charme zeitgenössischer Gesichtslosigkeit auch jeweils von innen heraus sattsam ausgehöhlt.
Die einstige Grafschaft, noch heute, ob 250jähriger Zugehörigkeit zu Hanau-Zweibrücken, mit dem selbst für badische Ohren durchaus irritierenden Namen Hanauerland belegt, konnte entgegen des verwässernden Zeitgeistes einen nicht geringen Anteil seiner Ortschaften die historische Ansehnlichkeit bis ins 21. Jahrhundert überliefern (siehe Beitrag "Hanauerland" Wanderungen Band ‘2’). Das gilt zwar leider nicht für Lichtenau, immerhin jedoch für Willstätt (ebenfalls Band ‘2’) und eben auch für Kork.
Am schönsten präsentiert sich dessen Idylle, welche dorftypisch allenthalben von Baumbewuchs und Gärten, von Scheunen und Ställen bereichert, im Zentrum der in ländlicher Manier locker und frei gebauten Ansiedlung. Zusammen mit der evangelischen Pfarrkirche gewahrt man den ehemaligen Gerichtsplatz "Auf dem Bühl". Hier trifft man auf ein reines Fachwerkensemble des 18. Jahrhunderts, welches sich in gesteigerter Dichte zum Gotteshaus begibt. Zwar beschränkt sich das Fachwerk hier wie auch sonst in Kork weitgehend auf rein funktionale Formationen, d.h. auf schmucklose, alleine auf statisch notwendige Rahmungen und Verstrebungen — der Ansicht dieser viel- und feingliedrigen, darüber wie lebendigen Raster leistet diese Stringenz jedoch keinerlei Eintrag. Kunstfertige Ergänzungen, wie sie vor allem die Renaissance liebte, waren dieser Konstruktion von gleichsam natürlicher Ästhetik nie mehr als ein Bonus. Ein freilich sehr gerne gewährter Bonus — wenn der Geldbeutel es zuließ! Letzteres weit häufiger in städtischen als in ländlichen Gefilden.
Als ein schöner Kontrast zu den Fachwerk-Rastern zieht die Pfarrkirche im Putzgewande daher. Auch sie zeigt die Ruhe und Nüchternheit ländlicher Verhältnisse; kam als barocker Neubau durchaus schmuckarm, aber keineswegs vernachlässigt 1732 zum Stehen. Der stämmige und durch Eckquaderung und spitzes Zeltdach mittelalterlich anmutende Campanile strebt auf der Vorderseite des einschiffigen Langhauses in die Höhe. Er das schönste Außenwerk des Gotteshauses. Zwei Gesimse gliedern und verschiedene Öffnungsformate, worunter das Portal mit fein geschweiftem Sandsteinahmen, sorgen für eine lebhafte Ansicht.
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Von den weiteren Fachwerkhäusern soll zumindest die "Alte Landschreiberei" erwähnt werden. Das älteste der vorhandenen Amtshäuser Korks gefällt durch seine längliche Proportion, deren beide Geschosse ganz aus Fachwerk verfertigt. Ein großes Tor tritt bereichernd in die Vorderansicht.
Dann aber berichten wir wieder von der steinernen Barockbaukunst. Als ein gefälliger "Kasten" tritt das Rathaus an die Straße. Ein stringenter Bau mit sieben Öffnungsachsen auf der langen Eingangsseite. Eine muntere Farbgebung belebt die zwei durch ein Gesimsband getrennten Stockwerke. Die Fenster sind reinlich gefasst, außerdem durch Klappläden notwendig bereichert. Stämmige gequaderte Ecklisenen sorgen für ein stattliches Erscheinen. Und endlich beschließt ein hohes Walmdach.
Obgleich keineswegs schmuckreicher tritt das Amtshaus eindrucksvoller, ja durchaus schlossartig auf. Der wiederum längliche, zweistöckige Bau zeigt zur Garten- und Eingangsseite neun Öffnungsachsen. Jeweils die mittleren drei sind zu einem veredelnden Mittelrisalit zusammengefasst. Auf der Gartenseite besitzt dieser ein zusätzliches Geschoss und würdevolle Übergiebelung — die Eingangsseite dagegen lässt den Risalit als polygonale Wölbung nach vorne treten und mit dem zusätzlichen Stockwerk das große Mansarddach des Hauptbaukörpers durchstoßen. Ein die Stockwerk trennendes Gurtband und das Dachgesims gliedern horizontal, Lisenen an den Ecken der Risalite und des Gesamtgebäudes treten kontrapostisch vertikal entgegen. Man muss wohl genauer hinschauen um endlich zu bemerken, dass tatsächlich keinerlei Fassadenschmuck eingesetzt ward, dass alleine die Gliederungselemente, wozu freilich auch die einfachen Fensterrahmungen zählen, und das abgestimmte Verhältnis Fassade zu Dach die zweifellos angenehme Gebäudegestalt zeichnen. So tritt denn zur Eleganz die Schlichtheit, wie sie einem ländlichen Amte gut ansteht. 1728-31 ward ausgeführt.
Alleine ein dörflicher Amtssitz konnte einem seinerzeit noch typischen Fachwerkdorf drei stattliche Barockbauten einbringen. Und alleine ein kleines Wunder konnte denn beide bis ins 21. Jahrhundert einbringen.
Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Jahreszahlen; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website von Kehl www.kehl.de
4) Informationstafeln vor Ort
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