Um das Jahr 1300 spaltete sich das in der Nord-Ortenau einflussreiche Rittergeschlecht der Windecker in eine Alt- und eine Neu-Line. Während erstere weiter auf der um 1200 errichteten Stammburg Alt-Windeck über Bühl verblieb, zogen die Neu-Windecker sogleich in eine frisch zu erbauende Veste über dem Ort Lauf, nur wenige Kilometer von der Ausgangsburg entfernt.
Mit dem Bau, der gerne auch Laufer Schloss genannt, wurde bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts begonnen. Es kam eine später noch weiter ausgebaute Anlage zum Stehen, welche klein genug über trapezförmigen Grundriss, vor allem die Kompaktheit mittelalterlicher Wehrhaftigkeit vor Augen stellte. Und so war denn seit jeher der ungemein wuchtige Bergfried, ein Bild entschiedener Abweisung, das Wahrzeichen der Neu-Windeck.
1592 starb der letzte männlicher Neu-Windecker im fernen Venedig. Damit aber ward das Ende eingeläutet auch der beiden Windecker Vesten. Beide nämlich wurden seither nicht mehr genutzt und begannen entsprechend zu verfallen; die Neu-Windeck namentlich schon seit 1585. Und wie nun der Zahn der Zeit unablässige Speise am Granit und Sandstein der Mauern fand, so muss man durchaus auch von menschlichem Zerstörungswerk des alsbald ja beginnenden und so unablässig als brutal wütenden 17. Jahrhunderts vermuten. Wie denn auch eine zumindest zeitweise Nutzung als billiger Steinbruch — das allgemeine Schicksal badischer Ruinen — nahe liegt.
Kurzum, was man über Lauf sichtet, ist eine typische Ruine, das malerische Bild zerfallener mittelalterlicher Mauern. Am besten erhalten, und das nimmt ob der Wuchtigkeit nicht wunder, der rund 20 Meter hohe Bergfried. Wie er einst auf den herbeitretenden Feind drohend herabblickte, so empfängt er auf der südöstlichen, der Zugangsseite in kaum gebrochener Monumentalität auch jeden vorbeischauenden Besucher. 10 mal 10 Meter misst seine Grundfläche und so mag man die Bulligkeit des gut erhaltenen Gebäus leicht nachvollziehen: ein gewaltiger Steinklotz, halb so breit wie hoch!
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Der Besucher aber, auch er blickt alsbald recht ratlos aus seiner "Rüstung". Denn was schon aus der Rheinebene so trefflich heranlockt, wie der mächtige Turm auch bei der Annäherung lange genug vor Augen, es darf bereits seit mehreren Jahren nicht mehr begangen werden. Steinschlaggefahr! Man verwundert sich, umso mehr dass jenes bei Ruinen immer allgegenwärtige Damokles-Schwert nicht wie üblich mit dem Verweis auf Eigenverantwortung abgetan. Ein hoher Zaun riegelt gründlich ab, dem modernen Menschen durchaus von gleicher Wirkung wie in den mittelalterlichen Jahrhunderten die ungleich höheren und abweisenderen Schildmauern. Solcher Degeneration einmal mehr umso schmerzlicher bewusst, will man den dünnen Maschendraht desto weniger gelten lassen [1].
Der fast öffnungslose und mit buckeligen Eckquadern "gezierte" Turm vermochte nur sich selbst und einen Teil der Burg-Außenmauern zu schützen. Ansonsten haben die mannigfaltigen Zerstörer durchaus gründliche Arbeit geleistet. Keine Innenmauern blieben erhalten, weshalb der einst sehr enge Burghof heute von einiger Großzügigkeit. Außerdem blieben nur sehr wenige, die rohen Mauern immer veredelnde Details erhalten; insbesondere vermisst man die einstigen, gotischen Rahmungen in den wie leere Augenhöhlen starrenden Öffnungen. Außer der gewahrten Form des Bergfriedes gewahrt man blanke Mauermassen, hier und da gelöchert und nach oben wie willkürlich ausgezackt — kurzum den Reiz bizarrer Ruinenwelt.
Und jene wirkt endgültig wie "inszeniert" durch eine gewaltige Lücke im Mauerring, die ausgerechnet nach Westen, also zur besten Aussichtsmöglichkeit in die Weiten der Rheinebene. Man wähnt sich in einem antiken Amphitheater: rechts und links umgreifen den Beobachter die noch hohen Mauern und weichen stufenartig erst zur Bühne, wo denn einer der berühmtesten Akteure Badens in gewohnt effektvoller Manier seine Künste feilbietet: Vater Rhein und das von ihm konstituierte Tal. An Tagen günstiger Luftverhältnisse sieht man auf gegenüberliegender Seite die dunkle Silhouette der Vogesen, welche denn das Talerlebnis recht eigentlich erst ermöglichen. Obgleich die Neu-Windeck keine bedeutenden Höhen gewinnt, nur auf halbem Wege zu den Schwarzwaldgipfeln, nimmt sich jene Aussicht nichtsdestotrotz ganz trefflich aus — und das Amphitheatralische leistet ausschlaggebenden Charakter.
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Die Burg wusste bis zu ihrer Aufgabe um fünf Gebäude. Der Bergfried, im Südosten direkt an die Außenmauern schließend, ward schon mehrfach genannt. Sein Eintritt, eine gotische Spitzbogenöffnung, schwebt in entschieden luftiger Höhe. In neueren Zeiten hat man diesen Eingang durch eine Stahltreppe reaktiviert; man mag sich die vorzügliche Aussicht, die die große Turmplattform (nicht mehr!) ermöglicht, leicht ausmalen. Als größte Wohngebäulichkeit das "Vordere Haus", dessen Außenmauer-Überreste rechts der klaffenden Lücke (Westseite der Burg). Erbaut spätestens zu Beginn des 15. Jahrhunderts (1411 urkundlich genannt) besaß es einst wohl drei Stockwerke — "wohl" bedeutet, dass das oberste Geschoss nur noch geahnt werden kann. Außer Balkenauflagern geben die dicken Mauern kein Detail mehr preis. Im Nordosten direkt an den Turm gemauert ein zweiter Wohnbau (eine Konsole mit Waffenschild im zweiten Stockwerk bietet dessen fast einziges, dafür umso nennenswerteres Detail); außerdem eine nicht mehr genau lokalisierbare Kapelle, welche 1386 erwähnt und den Drei Heiligen Königen geweiht. Als fünfter Teilnehmer ein kleines Wohnhaus ("geziert" durch Kaminüberreste), welches gleichsam an die Schildmauer gelehnt. Letztere denn noch besonders monumental im Süden, wo sie direkt an den Bergried schließt und zusammen mit demselben noch im echt mittelalterlichen Geiste entschiedenen Trutzes.
Auch einer Zwingeranlage soll gedacht werden. Während der Bergfried via Halsgraben abgetrennt (möglicherweise auch eine geschickt genutzte natürliche Senke), fand man der Westseite einen Zwinger empfehlenswert. Außer geringen Mauerresten zeugt jedoch nichts mehr von jener Standardmaßnahme mittelalterlicher Abwehr.
Dafür bietet dessen freies Terrain die schönste Nahansicht der ansonsten dicht eingewachsenen Anlage: im Vordergrund die gewaltige Lücke, links davon das "Vordere Haus" und rechts die gewaltige Schildmauer; durch die Lücke aber blickt man auf die gelöcherte Außenmauer des zweiten großen Wohnbaus und gewahrt, noch reizvoller, den Bergfried in seiner gesamten beeindruckenden Gestalt. Ein Prospekt der ergreift! Und einmal mehr verwundern lässt, wie einst stattliche Gebäulichkeiten auch im Bilde fast völligen Zerfalls nicht nur von malerischer Ansehnlichkeit, sondern im Stande einer tatsächlichen zweiten "Karriere".
[1] Diesbezüglich erhielt ich am 26.01.2009 folgende Email:
die Burg Neuwindeck wurde im Sommer 2008 teilsaniert und ist wieder begehbar. Auch werden ab sofort wieder Veranstaltungen, u. a. Burgkonzerte stattfinden. Ich bitte Sie, diese Information in Ihren Text aufzunehmen. — Mit freundlichen Grüßen — Oliver Rastetter — Bürgermeister
Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Burgruine und Landschaft
2) Homepage der Gemeinde Lauf lauf-schwarzwald.de
3) Website burgeninventar.de
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