Baukunst in Baden
  Freiburg '1'
 


Schon im Ersten Weltkrieg litt Freiburg einen Vorgeschmack der Dinge, die da kommen sollten. Ein Vierteljahrhundert später kamen sie dann, sahen nur kurz und siegten auf ganzer Strecke: November 1944 legten Luftverbände der Alliierten die zuvor schon beschädigte Innenstadt in Schutt und Asche. Das Feuer mit welchem Deutschland die Welt entzünden wollte, nun kam es als ein vergeltendes endgültig zurück. Da blickte er schon ein wenig blöde auf die Trümmer, die einst seine Städte, der "Herrenmensch"; umso mehr als seine Propaganda bis zum Schluss das süße Lied vom (End-)Sieg sang.
     Auch das arme Freiburg lag völlig zerschlagen. Insbesondere die Innenstadt, das Freiburg des Mittelalters, war zur Trümmerwüste aufgewühlt. Nur wenige Gebäude entkamen wie durch ein Wunder den im Sekundentakt donnernden Detonationen, den sofort aufsprießenden Feuerwänden. Es war gleichsam, als hätte die Hölle ihren feurigen Schlund aufgerissen um sich nun rechtmäßig den zu holen, der vorher durch Europa mordend und tötend seine Seele nur allzu willig verkauft hatte. Alleine die Gottesburg, mitten in der Stadt thronend, die Mauern, die sich kühn gegen den Himmel streckten, am Freiburger Münster drohte sich der hastig schlürfende Schlund zu verschlucken. Wie wild fraß er sich um das gewaltige Gebäu herum, biss auch hier und da nach dem roten Sandstein des Gotteshauses, hier ward eine Fiale erwischt, dort ein Wasserspeier. Dann aber hatte das Bombergeschwader seine verderbliche Ladung verbraucht; so unvermittelt wie es aufgetaucht, zog es auch wieder ab. Zwar konnte der Brand noch lange genug züngeln, verschlang noch genügend Häuser, die den Sprengungen entgangen. An den Mauern des Münsters aber fand er keine Nahrung. Das Münster, ausgerechnet das größte und damit anfälligste Gebäude der Innenstadt hatte überlebt — welch’ Symbol!
     Der große Ruhm Freiburgs, wirkend aus den Tiefen des Mittelalters, ja das Markenzeichen schlechthin der Stadt, blieb derselben erhalten. Nur noch monumentaler strebte es jetzt aus dem eingeebneten Stadtkörper gen Himmel. Verwundert rieben sich die Überlebenden die Augen. Und als dann der amerikanisch-russisch-englisch-französische Exorzist den Deutschen ihren Teufel und seine Dämonenschar wenige Monate später endlich ausgetrieben, als je länger desto deutlicher an Wiederaufbau gedacht ward, da fand Freiburg in der sich stolz erhebenden Gottesburg ein motivierendes Symbol, wie es stärker kaum zu denken.

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Welch’ verheerende Katastrophe aber für die Stadtgestalt als ganzes. Das mit weitem Abstand wertvollste Bauwerk konnte sich wohl erhalten, alles andere aber lag weitgehend vernichtet. Und alles andere, das waren gleichsam die munteren Kücken der münsterlichen Henne, kurzum eine Stadtgestalt von ausgesuchter Schönheit. Zu Füßen des Hochschwarzwalds war hier durch die berühmten und segensreich wirkenden Zähringer-Herzöge seit 1120 eine städtische Gestalt entstanden, die vor allem im ausgehenden Mittelalter, im 15./16. Jahrhundert, als auch das Münster endlich vollendet, zu einer wunderbaren Blüte sich entbreitet hatte. Und das so brutal wütende 17. Jahrhundert, dem so viele badische Städte zum Opfer fielen, hatte die breisgauische Hauptstadt wohl drangsaliert, keineswegs aber zerstört. Kurzum, was bis zum Zweiten Weltkrieg in Freiburg zu bewundern, war nicht weniger als die schönste badische Stadt! Auf gleicher Augenhöhe zwar mit Heidelberg —  eine Einschränkung aber von solch’ spezieller Art, die realiter nichts als höchster Adel.
     November 1944 aber lag diese Schönheit (fast) vollkommen zerstört. Und der schwierige Wiederaufbau, verhießen einem Bauen, welches im Siegeszug des Funktionalismus die Baukunst nach deren Verfall im 19. Jahrhundert und gleich einem lästigen Joch endgültig abgeschüttelt, konnte nimmer an das mittelalterliche Freiburg, dem eine kunstvolle Durchgestaltung der Stadthäuser Selbstverständlichkeit gewesen, heranreichen. Nach der Katastrophe der Zerstörung drohte nun eine Katastrophe des Wiederaufbaus (es sei denn man macht sich nichts aus Kunst, Kultur, Schönheit).
     Und tatsächlich, nachdem zuvor das Hinaufblicken am Münsterturm schwindelig machte, so kann einem auch schwindelig werden, läuft man durch die Partien der "Altstadt", die vollkommen nach modernen Prinzipien errichtet. Die banalen Baumassen, alleine um Funktionalität wissend, ohne die mindeste Vermittlung durch Baukunst auf das abgeschreckte Auge des Betrachters brandend, sie machen die Schritte des Besichtigers unwillkürlich schneller und schneller. Bis er dann auf dem Münsterplatz wieder zu Atem kommen darf.
     Ja, die Katastrophe des Wiederaufbaus hätte eine vollendete sein können. Aber blickte da nicht das gewaltige Münster mahnend auf alle Bestrebungen? Gab es nicht aus jedem Winkel der Stadt den großen Vorzug von Baukunst klar und deutlich zu erkennen?
     Der Stil der neuen Zeit, er konnte und er wollte solcher Geisteshaltung keineswegs nachstreben. Eines aber blieb trotzdem noch möglich: Rekonstruktion! Ja, das war anderen Partien der Stadt gleichsam eine Rettung: Rekonstruktion!

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Da erlebte das Mittelalter eine Renaissance! Und diese verlangte weit mehr Mut und Selbstbewusstsein als man heute für möglich halten will. Die Hegemonie des Modernismus, die unkte darüber nämlich lauter und lauter. Wie leicht heftete man doch alle deutsche Vergangenheit sehr geschickt an die unmittelbar zurückliegende des Nazitums. Der "Mief von 1000 Jahren" sollte ausgetrieben werden, durch Bauten, die nicht die mindeste Vergangenheit, nicht die mindeste Tradition atmeten. Der Modernismus in Deutschland konnte durch diesen ungeheuerlichen Winkelzug freier schalten und walten, die Historie ungezügelter verwerfen als sonst in Europa. Und da mussten sich jene, die solcher neuerlichen, nun einer modernistischen Propaganda nicht anheim fielen, statt dessen Stolz und Freude an den weit zurückreichenden Zeugnissen hatten, die schlimmsten Vorwürfe gefallen lassen. Wer einen spätgotischen Staffelgiebel wiedererrichten wollte, war "ewiggestrig"! Ja, und war er nicht auch Faschist?
     Da mussten freilich auch in Freiburg viele Konzessionen gemacht werden. Für die wichtigsten und wertvollsten Gebäude galt aber der Wiederaufbau der kunstgewirkten Fassaden. Welch’ Gewinn! Und man mag schon spekulieren, dass die stolze Gotik des Münsters nicht ohne Wirkung auf diese Entscheidung. Denkt man an die großen badischen Leidensgenossen wie Pforzheim oder Mannheim, so wurde dort weit weniger rekonstruiert.
     Steht man dann in Freiburg auf dem Rathausplatz (früher Franziskanerplatz) oder flaniert zwischen Martins- und Schwabentor, oder blickt am besten auf den südlichen Münsterplatz und wie sich dahinter der Schlossberg erhebt, obendrein also den Reiz von Landschaft eingibt — ja dann wird man noch heute billig von der Schönheit Freiburgs ergriffen, weiß zumindest in Baden um nichts Schöneres. Da taucht sie dann aus den unansehnlichen modernistischen Partien nochmal auf, die alte Anmut Freiburgs, die alleine die Romantik-Inkunabel mit Weltgeltung, Heidelberg, auf gleicher Augenhöhe dulden musste.
     Endlich ist es ein widrig Ding, die heutige Freiburger Innenstadt in Vergleichung mit den anderen badischen Städten zu bringen. Wo die gerade genannten Stadtanteile von höchster Schönheit, vor niemandem sich verstecken, da treiben andere Partien den ästhetisch Interessierten wie in einer Treibjagd vor sich her, wähnt man sich mit "Altstadt"teilen Pforzheims, Mannheims und Karlsruhes im modernistischen Nirwana der Monotonie und Sterilität. Himmel und Hölle gehen in Freiburgs Innenstadt eine gar unnatürliche Verbindung ein! Und wie man jene beiden nicht für einen Durchschnitt zusammenrechnen kann, so auch nicht für Freiburg. Man kann hier keinen Mittelwert berechnen, der vielleicht sagen würde: hinter Heidelberg und Baden-Baden, dafür aber vor Wertheim und Weinheim. Welch’ Merkwürdigkeit, ja Kuriosum! Aber auch ein echtes Charakteristikum von Freiburg im frühen 21. Jahrhundert.

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Aber ströme man nur recht fleißig nach der alten Zähringer-Stadt! Das Münster alleine, ein Bauwerk mit echter Weltgeltung, neben dem Heidelberger Schloss die "Landesinsignie" Badens, machte jeden Besuch lohnenswert. Durch die Rekonstruktionen aber, auch durch mancherlei Gebäu, das wie das Münster der Feuerhölle des Zweiten Weltkrieges glücklich entfloh, trifft man in Freiburgs Innenstadt noch auf eine Fülle weiterer höchst sehenswerter Gebäude. Freiburgs größte Zeit war das ausgehende Mittelalter. Und aus eben jener Epoche hat sich eine Anzahl Bauwerke erhalten, welche immer zu den schönsten Badens zählen, gerne auch deutschlandweit Beachtung verdienen. Anhand dieser Bauwerke, zusammengefasst freilich durch das Münster, versammelt unter dessen weltberühmten Steingerüst des Turmdaches, lässt sich die historische Blütezeit Freiburgs noch bestens nachvollziehen. Endlich ergänzen mehrer eindrucksvolle Barockbauten; denn auch im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert war Freiburg noch attraktiv genug um als ein europäischer Zankapfel zwischen Frankreich und Habsburg hin und her geschnappt zu werden. Soviele bedeutende Bauwerke besitzt Freiburg trotz der vernichtenden Zerstörung, dass die Stadt in dieser Kategorie plötzlich wieder munter neben Heidelberg erscheint; dem plötzlich überrumpelten Baden-Baden ein mildes Lächeln zeigt und für die anderen Schönheiten Badens nur noch ein majestätisches Zuwinken. Freiburg also trotz der gezeigten Probleme eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges!
     Soll die lohnenswerte Besichtigung also beginnen. Auf 200.000 ist die Einwohnerzahl mittlerweile angewachsen, Freiburg also eine "kleine Großstadt". Freilich hat man da nicht wenig unerfreuliche Peripherie zu durchqueren, denn auch hier die modernistischen Vorzüge zu "genießen". Dann noch das Freiburg der Gründerzeit, also der Jahre 1860-1910; als seinerzeit wiederum prosperierende Stadt wuchs diese Partie bedeutend an, wenngleich sie freilich hinter den Erweiterungsperipherien ab den 1950ern weit zurückbleibt. Die Gründerzeitquartiere, gleichsam Vermittlung zwischen der höchsten (erhaltenen) Baukunst des Zentrums und dem kunstlos-nackten Funktionalismus der weitläufigen Peripherien, überstand in großen Teilen die Luftangriffe der 1940er.
     Man ist solchem Übergange, der das Auge langsam wieder sehen lehrt, dankbar genug. Endlich aber das Martinstor im Süden der Altstadt, der Baukunstlustige ist "zu Hause"! Als zweiten vorzugsweise zu wählenden Stadteingang empfiehlt sich das Schwabentor. In beiden Fällen wird der Eingang in das historische Zentrum bestens markiert, das Freiburg des mittelalterlichen Stadtgrundrisses von den schon nicht mehr gleichwertigen Erweiterungen des 19. Jahrhunderts gut nachvollziehbar geschieden.

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Das Martinstor ward gewählt, weil es das schönere der zwei Tortürme. Beiden wurde 1901/02 durch den wenig bekannten Baumeister Carl Schäfer ein gewaltiger historistischer Aufbau verpasst, der die Höhe der mittelalterlichen Türme zumindest verdoppelte. Damit waren die Türme zwar um ihre einfache Schönheit gebracht, die noch von frühster Zeit der Stadtbefestigung, also bullig und wehrhaft aus dem Nähkästchen der ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts plauderten — dafür aber ward eine fast atemberaubende Monumentalität geboren, die einerseits zu dem deutlich größeren Gebäudemaßstab der direkt angrenzenden Gründerzeitquartiere vermittelt(e), und andererseits lustig von der hohen Bedeutung des mittelalterlichen Freiburgs kündete. Man hat die beiden Aufstockungen oft verurteilt und die noch aufwendigere des Schwabentores 1954 auch teilweise zurückgenommen. Dem Autoren aber sind diese beiden Inszenierungen ein weit besserer Hinweis auf das Münster und die anderen spätgotischen Wichtigkeiten als die unprätentiösen, bulligen und durchaus kleinen Original-Tortürme, die eher auf kleinstädtische Verhältnisse zu deuten schienen. Seltsam genug, dass das im Mittelalter auch alsbald durch Vorstädte erblühende Freiburg nicht schon seinerzeit nach einer Aufwertung dieser einfachen Tortürme trachtete.
     Im Falle des sogleich zu durchquerenden Martinstores "streckte" Schäfer neben weiterer Turmstrecke um vier polygonale Wichhäuser und eine Turmspitze, die nach einiger Aufmauerung in ein hohes Waldach übergeht. Das Bild, welches durch die gewaltige Höhe ganz automatisch Monumentalität haucht, man mag ihm für das aufwendige Formenspiel der Verlängerung ohne weiteres Geschick einräumen. Eine Maßnahme des Historismus, die ausnahmsweise ergreift. Schon der bullige mittelalterliche Turm wusste um die markante Eckquaderung — die Aufstockung setzte sie mit dunklerem Gestein fort, so dass die originale Höhe des Turmkorpus noch reizvoll nachzuvollziehen. In beiden Fällen aber geht das gelb-gräuliche Gestein in schönen Kontrast zum hauptsächlichen weißen Verputz. Auch andere Partien nahmen sich jenes Sichtgestein und zeichnen das entsprechend abwechslungsreiche Bild, das im übrigen auch für die Stadtseite gilt.
     Wird der runde Torbogen dann passiert, findet man sich sogleich auf der Hauptader des angenähert kreisförmigen Altstadtgrundrisses, der Kaiser-Joseph-Straße. Auch sie ward schon von den begünstigenden Zähringern angelegt, welcher ihr als Marktstraße eine für das Mittelalter ungewöhnliche Großzügigkeit angedeihen ließen. Nie wurde es der "Allee" zu eng. Keinesfalls im Mittelalter, von welchem der berühmte Kupferstich Matthäus Merians (frühes 17. Jahrhundert) zwei- bis dreigeschossige Bebauung berichtet. Auch nicht im 19. Jahrhundert, als die Gründerzeit über die Kaiser-Joseph-Straße ihre Prunksucht auch nach Altfreiburg hereintrug und die bisherige Etagenzahl leicht verdoppelte. Und auch nicht ab 1950, als der Wiederaufbau der hier fast vollständig zerstörten Häuser die neue funktionale Zeit zulassen musste. Der Maßstab nämlich, den der Historismus eingeführt, er sollte gewahrt bleiben.

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Alleine diese Einschränkung galt freilich nur der Höhe, keineswegs aber den Gebäudelängen. Und so ging hier die historische Kleinteiligkeit verloren; was umso gewichtiger als die langen Fassade ja im Stil der neuen Zeit ohne mindeste ästhetische Ablenkung. Einzig von Fassadenmoden ward die nackte Funktionalität eingehüllt. Moden und Ideen, die wie alles Schnellvergängliche alsbald nicht mehr interessieren. Während aber Haare rasch wieder gewachsen oder gekürzt, die Kleidung erst im Schrank, dann im Speicher landet, stehen diese Bauwerke der überkommenen Jahrzehnte ratloser denn je an der langen, fast schnurgeraden Hauptachse Freiburgs!
     Natürlich musste auch die frei herrschende Funktionalität der Neubauten irgendwie an Fassaden kommen. Weil man aber von nichts als Funktionalität erzählen wollte, deren "Wahrheiten von Form, Konstruktion und Material" in "zeitgemäßer Ästhetik" aufzutreten haben, ließ man den riesigen Fassadenflächen nur die Schnelllebigkeit von Design angedeihen. Der Modernismus redet gerne von seinen "Wahrheiten", die sich angeblich folgerichtig auf den Fassaden nachzeichnen, darüber dann zur "modernen Ästhetik" weiterschreiten. Wer sich aber solcher Indoktrination verweigert, sieht nur eine Willkür des Designs; eines obendrein immer kurzlebigen Designs. Glanz zunächst, dann aber Fragwürdigkeit, schließlich Anstoß!
     Wie groß da der Unterschied des aufgetünchten Designs zur echten Baukunst! Neben dem Martinstor blieb ein einziges Gebäu des Mittelalters erhalten. Dieses einzige, der "Basler Hof", welcher nach der Zerstörung wiederaufgebaut, genügt vollkommen um die ungeheure Kluft nachzuweisen. Wer würde ernstlich vor einem der Beton-Blech-Glasklumpen der 1970/80er stehenbleiben um das Auge zu interessieren? Ja, freilich niemand! Der Basler Hof dagegen, von seiner eintönigen Umgebung noch weiter "geadelt", vermag dies mit Leichtigkeit; mit der Leichtigkeit spätmittelalterlicher Kunstgriffe, welche der ruhigen dreigeschossigen Fassade durch zwei spätgotische Erker und ein Renaissance-Portal auch das Besondere einhauchen. Das 1494-1505 errichtete und um 1600 wohl leicht veränderte Gebäu umschließt einen Hof, hat aber seine schönste Ansicht zur Kaiser-Joseph-Straße. Die beiden Staffelgiebel des traufständigen Vorderhauses fallen noch auf, ebenso die sorgfältigen und zahlreichen Fenstergewände — alles im kunstwürdigenden Geiste der Spätgotik.
     Auch selten genug haben hier Gebäude der Gründerzeit überdauert. Das meiste des wenigen steht in direktem baulichen Zusammenhang mit dem Martinstor. Diese Gebäulichkeiten erregen keinen Anstoß; ja, sind die Blicke nur genügend über die modernistischen Monotonieflächen gerutscht, so möchte man sich an ihnen regelrecht ergötzen.

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Alsbald nach Durchschreitung des Torturmes wird die Kaiser-Joseph-Straße im rechten Winkel von der zweiten Hauptachse des alten Stadtgrundrisses gekreuzt, die Salz- und Bertoldstraße, welche folgerichtig also von Osten nach Westen ihren Weg durch die Stadt nimmt, dabei aber den urbanen Körper im Gegensatz zur recht sauber halbierenden Kaiser-Joseph-Straße sehr ungleich in Nord- und Südteil trennt. Folgt man nun dem östlichen Abschnitt, so führt der Weg nicht nur zum schon eingeführten Schwabentor, man kommt auch in die einzige Stadtpartie, die mehrheitlich der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges entrinnen konnte. Es ist der oben vorgestellte, nach Rathaus- und Münsterplatz dritte Stadtraum Freiburgs, der noch von der Schönheit des historischen Freiburg erzählt. Auf dem Wege zum monumental emportretenden Schwabentor trifft man auf eine Vielzahl erhaltener Stadthäuser des 16.-19. Jahrhunderts.
     Am Palais Sickingen, das aber auch schon wieder eine Rekonstruktion, erkennt man eines der badischen Vorzeigewerke des Frühklassizismus. Das strenge und monumentale Gebäu, lang gestreckt und bleckend weiß, ward 1769-73 vom begabten Michel D’Ixnard errichtet. Neben dem kurpfälzischen Hofbaumeister Nicolas de Pigage war der Franzose wichtigster Vertreter dieser Stilepoche in Baden. Vor allem bewies er sein Talent durch den "Dom", die Abteikirche von Sankt Blasien/Schwarzwald; ein beeindruckendes Bauwerk, das zu den wichtigsten frühklassizistischen in ganz Deutschland zählt. Leider ist selbst diese verhältnismäßig breite Straße zu eng für das prächtige Palais, dem leicht ein eigener Vorplatz gebührte. Die dreigeschossige symmetrische Fassade, in ihrem mittleren Hauptteil nach oben von einer Balustrade abgeschlossen, zeigt einen leicht nach vorne tretenden Mittelrisalit, welcher zumeist von repräsentativem Balkon und optisch schwerem Dreiecksgiebel akzentuiert.
     Schräg gegenüber ein dreigeschossiges Barockpalais, die ehemalige Dependenz der einst auch in Südbaden begüterten Johanniter. Obgleich nur einige Jahrzehnte älter, trefflich der Gegensatz zum strengen und kantigen Palais Sickingen! Weiche Fassadenbehandlung, teils fließende Formen neigen die wiederum lange Front einer anderen Richtung der Baukunst zu. Am schönsten auch hier eine risalitartige Mittelpartie: vier Pilaster gliedern die beiden Piano-Nobile-Stockwerke, und der Balkon und der geschweifte Giebel schwingen und fließen in Rokoko-Manier.
     Nicht ferne das ehemalige Augustiner-Kloster nebst Gotteshaus. Von außen ein großes gelbes Gebäudekonglomerat mit zumeist unprätentiösen Fassaden. Die Wurzeln der Anlage (Kirche) gehen zurück bis ins 14. Jahrhundert, jedoch nicht ohne im 18. Jahrhundert nüchtern barockisiert zu werden.

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