Gar effektvoll kündigt sich Staufen zur Rheinebene an. Eine Burgruine gleichen Namens bekrönt einen spitzen Bergkegel, lässt sich zur Ebene weithin sehen. Südlich von Freiburg, am Rande des Hochschwarzwalds, namentlich am Ausgang des durch Silberabbau einst so reichen Münstertales, ward der Ort 770 erstmals genannt, 1323 erstmals als Stadt ausgemacht. Am Übertritt des Flüsschens Neumagen aus dem Gebirge in die Weite des Rheintales, zu Füßen der spätestens im 12. Jahrhundert erbauten Veste, war die Situierung der Stadt einst eine strategisch bedeutsame, heutigentags vor allem eine landschaftlich reizvolle.
Und solcher veredelnden Umgebung will denn auch die kleine Altstadt nicht nachstehen; bemüht sich vielmehr um das notwendige i-Tüpfelchen. Auch Staufens Gang durch die Geschichte ward von feinen Hochzeiten und bitteren Niedergängen geprägt. Endlich aber wollte man selbst den ganz besonderen historischen Farbtupfer, wie er gerne von bekannten Persönlichkeiten eingegeben, nicht missen lassen.
Wie fast überall in der Rheinebene bedeutete das 17. Jahrhundert die größte Drangsal, die große Zäsur für Prosperität und Stadtgestalt. Der 30jährige Krieg stellte bereits alles Vorangehende in den Schatten, hauste auch in Staufen bitterlich. Schwedische Truppen besetzten die Stadt, machten sie im Bunde mit französischen 1643 gar zu einem Hauptquartier. Nicht dass sie das Städtchen darüber besonders geachtet hätten, denn schon 1632 brannten sie die Burg nieder, aus Verdruss, dass nicht noch mehr aus der Stadtbevölkerung herauszupressen. Immer wieder, auch in der Folgezeit, sah die Bürgerschaft nur noch Flucht in die nahe gelegenen Wälder als Überlebensoption. So auch im Holländischen Krieg, als des "Sonnenkönigs" Heerscharen ab 1672 Südbaden verwüsteten. Endlich aber ward es einmal mehr dem Pfälzischen Erbfolgekrieg ab 1688 vorbehalten wirklich zu vernichten. Des "Sonnenkönigs" unerbittlicher Befehl galt auch dem kleinen Staufen: die Stadtmauern wurden niedergerissen und 1690 die Stadt systematisch in Brand gesteckt. Ein "Niemandsland" wünschte sich Ludwig XIV. zwischen Frankreich und den Deutschen, anzulegen auf der rechten Rheinseite; umgesetzt auch in Staufen. Ende des 17. Jahrhunderts waren sie also beide zerstört: Burg und Stadt.
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Erstere blieb, auch weil die Erbauer der Veste, Dienstmänner der berühmten Zähringer — das Rittergeschlecht von Staufen — zu Beginn des 17. Jahrhunderts verlosch, ruinös, verfiel freilich mehr und mehr. Zweitere aber wollte wiedererrichtet werden, machte sich also mit Beginn des 18. Jahrhunderts an ein neues Stadtbild, ein Stadtbild, das, ergänzt um wichtige Zutaten, die der Niederbrennung 1690 trotzten, im wesentlichen das noch heute zu gewahrende Altstadtbild. 1945 stand dieses nochmals unter großer Gefahr, als ein Luftangriff Bomben nach der sich zurückziehenden Wehrmacht warf, welche in gewichtigen Teilen gerade in Staufen. Mehrere Häuser zerbarsten. Und freilich waren auch die kommenden Jahrzehnte Bedrohung genug, als der Modernismus mit seiner baukunstfeindlichen Doktrin manche Altstadt sogar "erfolgreicher" als der Zweite Weltkrieg in die Knie zwang. Auch in Staufen forderte er seinen Zoll, legte seine gesichtslosen Ansiedlungsperipherien um die kleine Altstadt, schlug auch hier und da Lücken in die Altstadt selbst, wo dann Neubauten die schöne neue Zeit gar hässlich dokumentieren. Insgesamt aber beschränkten die Staufener des Modernismus’ Experimentierfreude weitgehend auf den "Speckgürtel", ließen die Altstadt als einen großen Gewinn intakt.
Malerische Straßenzüge erwarten in Altstaufen, umso mehr wenn die Burgruine mit in den Prospekt tritt. Wie eine romantische Inszenierung thront sie auf ihrem Weinberg, "gebietet" mit ihren hohen und kantigen Mauern poetisch über die Altstadt. Nicht wenig idyllisch dieses Zusammenspiel von Natur, Burg und Altstadt — wenig alleine die Anzahl der schönen Straßen und Gassen Staufens. Die alte Stadt, sie war immer eine kleine, und so konnte dem 21. Jahrhundert eben auch nur eine kleine Altstadt überliefert werden. Umso gewichtiger also die Teilnahme von Bergkegel und bekrönender Ruine.
In den Straßen und Gassen, auf dem Marktplatz als dem schönsten Platz Staufens bemerkt man alsbald eine Homogenität der Verhältnisse. Wir erschließen sie aus nur wenig differenzierenden Gebäudehöhen, welche beständig mit drei Stockwerken — und der vollendet konsequenten Verwendung von Putzfassaden. Dergleichen Konsequenz für das Fassadenmaterial begegnet man selten. Am ehesten mag man mit dem gleichfalls kleinen Schopfheim im Wiesental (Wanderungen Band ‘2’) vergleichen.
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Solche Homogenität und Ruhe wirken die Straßen und Gassen, dass man sich hier und da mehr Belebung, akzentuierende Baukunst wünschen mag. Zum Glück aber verfügt Staufen neben der ja mehrfach die Ansichten bereichernden Burgruine um zwei weitere herausragende Bauwerke: Kirche und Rathaus. Erstere eine echte landgotische Schönheit, eine dreischiffige Basilika mit seitlichem Campanile. Die Martinskirche steht im östlichen Abschnitt Altstaufens, präsentiert hier die körperhaft-monumentale Manier ländlicher Spätgotik. Über Vorgängern ward sie 1487 neu erbaut, dem wuchtigen Campanile immerhin den romanischen Unterbau belassend. Anmutig zeichnet die Vorderseite die dreischiffige Anlage nach, trennt die drei Partien durch Strebepfeiler markant ab. Das spitzbogige Hauptportal führt ein großes Maßwerk-, dann ein Zwillingsfenster als einzige Öffnungen der kraftvollen Vorderseite. Wie die gesamte Altstadt nahm auch sie sich ein Putzgewand, welches als weißes angenehm zu den roten Sandsteingliedern kontrastiert.
Als ein Putzbau kommt denn auch das Rathaus. Ab 1546 ward es, mehrere Gebäude zusammenfassend, am Marktplatz, im Stil der Spätgotik/Renaissance aufgerichtet. Nicht an Schönheit, wohl aber an Bedeutung übertrifft es die Martinskirche noch. Dergleichen Ansehnlichkeit nämlich wird man unter den Rathäusern dieser Stilarten nur wenige in Baden finden; und die Konkurrenz ist keine geringe!
Im Rathaus erblickt man neben der gediegenen Anmut von Spätgotik und Renaissance also auch das wichtigste Gebäude Staufens, eine veritable Perle mit überregionaler Bedeutung. Zum Marktplatz, den das am östlichen Rand als Eckgebäude errichtete Rathaus als Blickfang dominiert, gefallen die lebendig geformten und gestreuten Öffnungsformate, die langen Bänder aus eng gekuppelten Fenstern, der Schweif- und die Staffelgiebel, das hohe Dach und den dasselbe krönenden Dachreiter. Manches stammt zwar aus historistischen Tagen des späten 19. Jahrhunderts, jedoch immer im ursprünglichen Geiste des Bauwerks, ohne die aus dieser Zeit bekannte Überspanntheit der Gestaltung.
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Der nicht allzu große, rechteckige Marktplatz zeigt ansonsten Bauwerke schlichter Schönheit, dem auffallenden Rathaus mit ruhigen Fassaden dienend. Ein anmutiger Brunnen des 16. Jahrhunderts, mit Bildstock aus 1786 akzentuiert auf Platzmitte.
Als ein drittes eigens nennenswertes Bauwerk das alte Stadtschloss der Staufener Ritter, ein wenig abseits der im Winkel durch die bohnenförmige Altstadt führenden Hauptstraße. 1566 ward es errichtet, 1725 aber um einen Anbau erweitert, umgestaltet. Ein gefälliger, aber unprätentiöser Winkelbau mit Treppenturm beim inneren Zusammentreffen der zwei Flügel. Malerisch greift ein dichter Efeubewuchs nach den gelben, wiederum verputzten Fassaden.
Mag man für die Altstadt abschließend bemerken, dass mehrfach alte Fassadendetails aus Spätgotik und Renaissance auszumachen (Öffnungsrahmen), deren steinerne Ausführung der Niederbrennung 1690 trotzte und Weiterverwendung fand. Vermutlich wusste Staufen schon seinerzeit wie das nicht ferne Freiburg um zahlreiche Steinbauten. Zeugen des mittelalterlichen Staufen. Ganz im Gegensatz dazu die durchaus übergründliche Entfernung der Stadtmauern, Türme und Tore im frühen 19. Jahrhundert!
Dann aber hat die Burgruine lange genug gelockt. Der nicht kurze Weg versüßt indessen durch beständig bessere Ausblicke auf Altstaufen, die zunehmenden landschaftlichen Reize. An herbstlichen Tagen taucht man überdies in die farbenfrohe Welt der Weinreben ein, was dann malerischer nicht zu denken.
An der alten Veste angelangt, spätestens aber wenn die Aussichtsplattform des stark gekürzten Bergfriedes gewonnen, genießt man einer vorzüglichen Übersicht in die Weite der Rheinebene, welche hier durch den breitgelagerten Kaiserstuhl und seinen "kleinen Bruder" Tuniberg besonders attraktiv. An "guten" Tagen taucht dahinter die lange Silhouette der Vogesen auf. Nach Osten das Kontrastprogramm des sich auftürmenden Hochschwarzwalds, dessen gebirgige Reize der Weitsicht alsbald Einhalt gebieten. Und freilich verpasst niemand den Einblick in das herausströmende Münstertal und wie Staufen reizvoll an dessen Ausgang arrangiert.
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Auch die Ruine selbst gefällt. Wenngleich man — ob der spektakulären Fernansicht erwartungsfreudig — durchaus ein wenig stutzen mag. Was hier zu sehen, kann nämlich mit dem verheißungsvoll Angekündigten keineswegs Schritt halten. Veredelnde Details, immer das Salz im "Burgenmenü", sind fast vollständig verloren. Begnügt man sich also mit dem Reiz bizarr geformter Mauermassen. Und davon zeigt die 1248 erstmals urkundliche Staufen noch reichlich, denn die Außenmauern der Burg gehen noch vollständig um den ovalen Grundriss, beließen dem gestreckten Palas auch die zweite Längsmauer. Zahlreiche Öffnungen höhlen diese und auch die zweite, welche Bestandteil der Burgaußenmauer. Nur schade, dass hier alle vermutlich (spät-)gotischen Fensterrahmungen verschwunden, die Öffnungen alleine unter morbidem Effekt, wie leere Augenhöhlen starren.
Reizvoll betritt man den Hof der kleinen, aber nicht (mehr) engen Burg durch einen Torbogen, gewahrt auf der Nordseite noch Gebäudereste, worunter auch der gekürzte quadratische Bergfried. Gleichfalls auf der Nordseite blieb eine Strecke des Zwingers, namentlich Graben und Mauern, ein weiterer Gebäuderest aufgespart.
Es war im letzten großen Jahrhundert des Schlosses, im 16., als die berühmteste Staufener Gestalt herbeigerufen. Klamme Kassen plagten den Burgherrn, der von seinem Turme immer ratloser gen Münstertal nach seinen versiegenden Siberquellen blickte. Geld musste her; ja man muss nur recht kühn denken, am besten echtes Gold sich wünschen. Aber woher nehmen und nicht stehlen; zumal die Tage der alten Raubritterschaft längst vorüber? Herbeizaubern müsste man’s können!
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Und da ward er denn gebeten, der Goethe-berühmte Doktor Faust! Als selbsternannter Alchimist und Magier hatte er sich bereits einen Namen gemacht, als schillernde Persönlichkeit deutschlandweit auf sich aufmerksam gemacht. Um so erstaunlicher, als er keineswegs erfolgreich! Dem verzweifelten Anton von Staufen konnte er nicht ein Gramm Gold heraufbeschwören; selbst wenn’s bestimmt verheißungsvoll gezischt und geknallt hat beim Experimentieren. Und am Ende knallte es so laut, und zwar im heute noch existierenden Gasthaus "Löwen", dass Faust aus dem Leben geschleudert: 1539 jagte er sich selbst in die Luft! Spektakulär! Aber denn dem Volksmund doch nicht spektakulär genug; nichts weniger wollte man gelten lassen, als dass der Teufel, dem sich ein Magier freilich verschrieben haben musste, höchstpersönlich den lebendigen Pfand einlöste.
1806 fiel Staufen samt Breisgau an Baden, und im gleichen Jahr brachte Goethe seinen "Faust" heraus. Nach Götz von Berlichingen schon die zweite nachmalig in Baden ansässige Persönlichkeit, die durch Goethes geschickte Feder zur Berühmtheit wurde! Das denn auch der besondere historische Farbtupfer, wie er das Bild Staufens ganz trefflich bereichert.
Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Jahreszahlen; Stadt und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage www.staufen-im-breisgau.de
4) Website www.burgeninventar.de
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