Gewiss war Achern einst ein malerischer Flecken, alleine davon ist heute nicht mehr viel zu sichten. Achern besitzt wohl einige Größe, Schönheit jedoch nirgendwo. Achern wurde ein nur allzu williges Opfer des Modernismus. Sicher, es waren nur beste Vorsätze, doch begab man sich in die Hände eines trügerischen Stiles, welcher immer mit rhetorischem Geschick zwar, mehr aber leider nicht.
Dem Autoren jedenfalls wurde die Besichtigung des Ortes, gefurcht auch noch von vielbefahrenen Straßen, recht bald sauer. Immerhin aber darf sich Achern zweier zweifellos sehr schöner Bauwerke rühmen. Tröste sich damit wer kann.
Zum einen die NIKOLAUSKAPELLE, ein uraltes Bauwerk vermutlich aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, fußend auf einem Vorgängerbau, der hier bereits im 9., spätestens im 10. Jahrhundert in die Höhe spross. Wir bewundern hier noch den gotischen Stil, vor allem in Gestalt des spitzbogigen Einganges und der Strebepfeiler an den Gebäudeecken. Am schönsten kommt freilich der wie eingesteckt wirkende Rundturm von ungemein reizvoller, schlanker Proportion. Die Kapelle steht an der Hauptstraße und wirkt zwischen den vielen belanglosen Gebäuden nicht anders wie vom Himmel gefallen. Es spricht aus ihm ein Geist, der dem 20./21. Jahrhundert längst fremd geworden, und in seiner seltenen Schönheit zeigt er auf's deutlichste wer die wahren Worte besitzt.
Auch das zweite Gebäude ist ein Gotteshaus, wiederum eine Schönheit besonderer Natur. Das Besondere der Kirche UNSERER LIEBEN FRAU liegt in der Verquickung von mittelalterlicher Gotik und neuzeitlichem Klassizismus. Der Turm, auf der Vorderseite befindlich, zeigt bis auf die Spitze gotische Details. Er stammt aus dem Jahre 1452. Die Spitze und auch das Schiff stammen bei klassizistischem Stil (1825) vom Weinbrenner-Schüler Vierordt. Zwischen den beiden Maßnahmen liegen fast vier Jahrhunderte!
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Verschmelzungen zwischen Gotik und Klassizismus findet sich in Baden gleich mehrfach. Die Acherner Kirche zeigt hierbei das wohl beste Zusammenspiel. Wie in den anderen Fällen auch findet man in der Zusammenführung der beiden einander eigentlich fremden Bauepochen keinerlei Widersprüchlichkeit. Doch das nimmt uns nicht mehr Wunder. Die echten Stile bis hin zum Klassizismus und Romantizismus entstammen dem selben grundsätzlichen Geiste, dem Wunsche in stets neuschöpferischer Weise das Gebaute einem künstlerischen, einem schönen Eindruck zuzuführen. Dieser Geist war die große Kontinuität, waltend über Jahrtausende. Dieser Geist war die Baukunst selbst, wohl die unterschiedlichsten Äste und Zweige treibend, alle jedoch aus ein und dem selben Stamme entlassend.
Das 20. Jahrhundert hat diesen Stamm bewusst wie frech gefällt — die Konsequenzen lassen sich auch in Achern billig "bewundern". Und wir? Wir schauen blöde und hilflos drein.
Einst einige Kilometer von der Ansiedlung entfernt, durch die bauliche Ausuferung ab 1950 heutigentags ganz unmittelbar verbunden, eine Anlage nochmals bemerkenswerter Art: die ehemalige Heilanstalt Illenau. Man findet einen Gebäudekomplex nicht geringer Ausdehnung und von einiger Schönheit. Mit Hans Voss wurde hier ein weiterer Weinbrenner-Schüler tätig, seines Zeichens einer der talentiertesten Eleven Weinbrenners überhaupt. In den Jahren 1833-42 schuf er eine damals weithin beachtete Heilanstalt, der auch die Ansehnlichkeit nicht verweigert werden durfte. In diesem Sinne erblickt man eine Gestaltung, die zwischen Klassizismus und Romantizismus laviert, von einiger Originalität. Die schönsten Partien sind die beiden Arkadengänge seitlich auf den zentralen Eingangsbau zuführend, der gerade genannte Eingangsbau, akzentuiert von einem Dachreiter und die Anstaltskirche, deren Äußeres in Verlängerung des Eingangsbaues allerdings nur auf der Rückseite gewahrt wird.
Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage www.achern.de
4) Informationstafeln vor Ort
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