Baukunst in Baden
  Haslach
 


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Lange Zeit hatte man in Haslach noch gehofft. Die Zerstörungswelle des Pfälzischen Erbfolgekrieges spülte zunächst haarscharf an der Stadt vorüber. 1689 wurden in unmittelbarer Nachbarschaft die freien Reichsstädte Offenburg, Gengenbach und Zell sprichwörtlich in Schutt und Asche gelegt — Haslach dagegen blieb verschont. Rund 20 Jahre durfte sich Haslach, hinter Wolfach zweitwichtigste Kinzigtaler Besitzung der Fürstenberger, eines glücklicheren Schicksals erfreuen, dann aber marschierte auch hier die Übermacht des Sonnenkönigs mit dem seinerzeit üblichen Befehl auf. Die kleine mittelalterliche Stadt hatte nichts entgegenzusetzen und so schwappte das badische Niemandsland des ausgehenden 17. Jahrhunderts noch weiter in das Kinzigtal.
     Wenige Gebäude blieben erhalten, sie zählen heute zu den schönsten der Stadt — aber auch der Wiederaufbau des 18. Jahrhunderts lässt sich sehen. Letzteres darf man salopp behaupten, die Stadt nämlich musste keine weiteren großen Zerstörungen dulden und konnte (innerhalb der Altstadtgrenzen) auch den Modernismus zügeln. Kurzum das historische Haslach wird geprägt von den Bauten des Wiederaufbaus, und darin weiß das Städtchen zu gefallen.
     Im mittleren Abschnitt des KINZIGTALES gelegen — das Tal hat hier schon einiges an Weite eingebußt — gesellt sich zur schönen Stadtgestalt der Vorteil einer noch schöneren landschaftlichen Einbettung. Immer wieder lassen sich die talbegrenzenden Höhenzüge des Schwarzwaldes auch aus der Stadtmitte wahrnehmen, ein Charakteristikum, das vor allem der Hauptstraße der weitgehend zur Fußgängerzone befreiten Altstadt  großer Gewinn.
     Haslach besitzt beides, erwähnenswerte Einzelbauten und urbanes Flair dank vieler durchgängig historischer Straßenzüge. Letztere wissen zuallererst durch eine nicht geringe Anzahl von Fachwerkbauten zu gefallen. Zwar erfolgte der Wiederaufbau der Stadt im 18. Jahrhundert zu Zeiten landesweiter barocker Hegemonie, die Haslacher jedoch scherte das nur wenig. Der Stil der schönsten Künste, der liebliche Barock, welcher dem Fachwerkbau eine Absage erteilte und statt dessen auf mehr oder weniger reich verzierte Steinfassaden setzte, er erhielt in Haslach nur wenige Chancen. 

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Die alte Fachwerkstadt war untergegangen und machte nunmehr Platz für eine neue FACHWERKSTADT. Hier fanden sich nicht wie mancherorts Konstruktions- und Gestaltungsauflagen von Seiten der Regentschaft und so griff man in den Drangsalen des Wiederaufbaus wie selbstverständlich auf Bewährtes und Bekanntes zurück: den Fachwerkbau. Notgeprägt fiel dieser jedoch nüchterner, sparsamer aus. Darin immerhin zeigte man sich zwangsläufig zeitgemäß. Die große Zeit des Fachwerkbaus, die Epoche der Renaissance, hatte dem Fachwerkprinzip den Willen zu üppiger Verzierung eingehaucht — nie hüllten sich die Gebäude in kunstreichere Fassade als in den Tagen der Renaissance. Während der Barock zwar für die steinernen Fassaden (wo finanziell möglich) noch mehr Schmuck aufbrachte, die Kunst der Ornamentik zu höchster Blüte vorantrieb, nahm er sich beim Fachwerkbau deutlich zurück. Der Fachwerkbau nämlich ward zunehmend Sache des "nur" einfachen Bürgers — wer dagegen etwas (Besonderes) auf sich hielt, Modernität beweisen wollte, beauftragte Baumeister mit Kenntnissen des steinernen Barock. Nur noch die weniger betuchte Bürgerschaft griff, wenn gestattet (dabei berücksichtigten die Fürsten nicht nur die Gestaltung, sondern auch die deutlich erhöhte Stadtbrandgefahr bei Fachwerkbauten), auf den Fachwerkbau zurück. Deshalb also geriet er im 18. Jahrhundert wie von selbst nüchterner — vielerorts fehlten schlicht und ergreifend die Mittel für aufwendigen Schmuck.
     So auch in Haslach. Aber das tut dem Bild keinen Abbruch, die grundsätzliche Feingliedrigkeit und Komplexität dieses Konstruktionsprinzips sorgt auch bei Verzicht oder Beigabe von nur wenig Schmuck für dem Auge angenehme detailreiche Ansichten. Überdies gelangt man auch in Haslach mehrmals in den Genuss verzierter Fachwerkfassaden. Ob nun ausgeschmückt oder nicht, es herrscht durchgängig der fränkische Stil, welcher sich spätestens ab dem 18. Jahrhundert auch in den einst alemannischen Regionen, zu denen auch das Kinzigtal gehört, zuungunsten eben der alemannischen Machart durchsetzte.
     So also durchschreite ich die HAUPTSTRASSE Haslachs, mich an den Fachwerkbauten erfreuend. Das Bild kann zwar nicht auf Durchgängigkeit pochen, allenthalben finden sich Putzbauten des Historismus, Klassizismus oder (traurig) überputztes Fachwerk, was durchaus einen gewissen Eintrag leistet, dasselbe jedoch ausgleichend zugunsten einer gesteigerten Lebendigkeit. Über den Dächern endlich gewahrt man den dumpf leuchtenden Schwarzwald. Ein löbliches Gesamtbild.

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Noch etwas anders fällt auf, namentlich die fast ungebrochene Giebelständigkeit — auch hier zeigten die Haslacher also Beharrlichkeit. Der Barock nämlich wandte zunehmend die Traufseiten zur Straße, woraus schließlich die bekannten hohen Mansarddächer resultierten. Dieses moderne Prinzip lies sich ohne weiteres auf den Fachwerkbau übertragen, was auch vielerorts (zum Teil ebenso in Haslach) umgesetzt. Aber das war wohl nicht die Sache der Haslacher. Fachwerkbau und Giebelständigkeit, man kommt nicht umhin zu vermuten, dass die Bürger ihre untergegangene Stadt zurückgewinnen wollten. Anlass zur Kritik geben solch restaurative Bemühungen meines Erachtens nicht. Jedenfalls wird die Lebendigkeit der Hauptstraße durch die immer wieder auf's Neue in die Höhe tretenden Giebel glücklich befördert — Traufständigkeit dagegen hätte homogenisiert. Eine Frage des Geschmackes also — am besten aber findet man landauf, landab beide Ordnungen.
     Eingangs dieser schönsten Straße Haslachs und gleichzeitig am Marktplatz findet man das RATHAUS, ansehnlich und von moderater Größe. Reizvoll vor allem das erhaltene Renaissance-Sockelgeschoss, das durch weite Rundbögen gefällt. Darüber eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts bemalte Putzfassade — folkloristisch und wiederum Geschmacksfrage.
     Das auffälligste Gebäude lässt sich in zweiter Reihe gleichfalls vom Marktplatz aus erfassen. SANKT ARBOGAST, die Stadtkirche, welche gleich zwei Campanile präsentiert. Zwei Kirchtürme, dennoch aber keine Doppelturmanlage, vielmehr markieren die beiden Türme jeweils ein Ende des langen Kirchenschiffs — wahrhaft ungewöhnlich! Die Kirche kommt als heterogenes Gebilde aus Gotik, Barock und Neo-Barock und vermag sehr zu gefallen — insbesondere natürlich durch die beiden Turm-Pole. Tatsächlich in einiger Entfernung voneinander könnte sich ihr Aussehen kaum stärker voneinander absetzen. Auf der einen Seite ein mittelalterlicher Turm, gotisch, von rustikaler, fast grober Detaillierung und mit glattem himmelwärts strebenden Zeltdach. Auf der anderen ein neo-barocker Turm, verziert und mit verspieltem Zwiebeldach (in der Art des Historismus ein wenig steif). Beide Türme sind aus dem Stadtkörper heraus immer wieder fassbar und bereichern das Stadtbild entsprechend.

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Am gotischen Turm mit seinem auffälligen Spitzbogen-Durchgang (auch das ungewöhnlich genug, der Turm steht eingangs einer Gasse, welche durch den Turm betretbar) ein weiteres bemerkenswertes Gebäude  gleicher Stilart. Wie der steinerne Kirchturm so trotzte auch der sich anlehnende Fruchtkasten (Sammelstelle des "Zehnten" ) ob seiner gleichfalls steinernen Natur der Niederbrennung. Auch er also ein Bau des Mittelalters, rustikal, mit den typischen unregelmäßigen Öffnungsrahmungen, lebendig über die weiße Fassade verteilt — in Verbindung mit dem Turme ein feines Ensemble.
     Dieser durchaus derbe (keineswegs negativ gemeint!) mittelalterliche Ansatz ist interessanterweise auch maßgebend für das nächste wertvolle Ensemble. Für dasselbe begibt man sich außerhalb der beinahe restlos geschleiften Stadtmauern. Der Klosterbach ist noch zu überqueren und dann steht es vor einem, das ehemalige KAPUZINER-KLOSTER. Eine ausgezeichnet erhaltene Anlage, gestiftet in den Jahren 1630-1632 vom fürstenbergischen Grafen Friedrich Rudolf; bauhistorisch sicherlich die bedeutendste Partie der Stadt.
     Die Gebäudegruppe, bestehend aus LORETTO-KAPELLE, KIRCHE und KLOSTERGEBÄUDE ward im ganzen geschmackvoll komponiert. Auffällig dabei der kaum vorhandene Fassadenschmuck, weshalb also der Ausdruck nüchterner Strenge obsiegt und man das Kloster auch ohne nähere Auskunft dem durch ihr rigides Armutsgelübde bekannten Kapuziner-Orden zuschreiben will. Vom Klosterbach aus zunächst die kleine Kapelle, dann die im Grunde auch kleine Kirche und an diese anschließend ein in ihre Richtung gekehrter u-förmiger Flügel. Die Kapuziner verzichteten auf einen Kirchturm, nahmen mit einem kleinen Dachreiter vorlieb. Weniger auffallend, letztlich aber ungewöhnlicher die Öffnungen der Kirche. In Anbetracht der Erbauungszeit würde man doch noch den gotischen Spitzbogen vermuten, schließlich blieb derselbe bis weit in die Renaissance für Kirchenbauten gültig. Aber Fehlanzeige, auch die Öffnungen zeigen bei leichtem Rundbogen die umlaufend feststellbare gezackte Renaissance-Sprache.
     Hinter dem kaum zu übertreffenden Gengenbach und dem Fachwerk-Idyll Schiltachs darf Haslach als drittschönste Stadt des Kinzigtales Geltung beanspruchen. Zwar besitzt der eigentliche Hauptkonkurrent Wolfach mit dem bedeutenden Renaissance-Barock-Schloss ein von Haslach nicht zu überbietendes Einzelbauwerk, die Wirkung der Stadt insgesamt aber, der Plätze, Straßen und Gassen nimmt sich letztlich doch reizvoller aus als die von einem bösen Stadtbrand im 19. Jahrhundert niedergelegte Altstadt Wolfachs.

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website  www.haslach.de
4) örtliche Informationstafeln


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