Das Kloster liegt im Baden-Badener Stadtteil gleichen Namens, vom Zentrum der Stadt um einige Kilometer weiter in den Schwarzwald entrückt. Wie man sich leicht denken kann, lässt die landschaftliche Einbettung — Tallage, umgeben vom Grün der bewaldeten Berge, dazu umflossen auch noch von der Oos — an Reiz nichts missen (wenngleich das 20. Jahrhundert auch hier gewaltig um sich gebaut hat).
Auch die grob dreieckige Anlage der Klostergebäude lässt an Reiz nichts missen; das zuvörderst durch den ausgezeichneten Erhaltungszustand. Die Abtei der Zisterzienserinnen nämlich wurde kein einziges Mal umfassend zerstört, was eingedenk ihres mittelbadischen Standortes überaus verwunderlich. Brannte nicht im 17. Jahrhundert, vor allem durch den Pfälzischen Erbfolgekrieg, alles Menschenwerk von Mannheim angefangen bis runter nach Freiburg? Wohl wurden Städte, Klöster, Burgen und Dörfer in Schutt und Asche gelegt, auch das nahe Baden-Baden brannte ja lichterloh; das kleine Kloster aber, man möchte sein Überleben als ein Wunder nehmen.
Hat man diesen Umstand schon reichlich zu bestaunen, so gerät man beinahe außer sich, wenn man bedenkt, dass die Abtei nicht nur nicht zerstört wurde, sondern als eine landesherrliche Stiftung gar der rigiden Aufhebungswelle des frühen 19. Jahrhundert entging, das aber als einziges badisches Kloster!
Keine Zerstörung, keine Aufhebung, dementsprechend tritt uns die feine Abtei entgegen, vollständig erhalten! Fürwahr ein kleines Wunder! Dem Betrachter also wurde ein unschätzbarer Wert gerettet: eine Kloster-Anlage, die Epoche für Epoche, je nach Erfordernis Baulichkeiten ausführte, ein kleines Stil-Lexikon, eine Heterogenität des Gesamten, die zu billig bestaunen. Treten wir also näher.
Zunächst das Äußere, welches umlaufend von Mauern gefasst, durchaus wehrhaft, mehr aber zur Absteckung des nicht kleinen Areals. Entlang der Lichtenthaler Allee nimmt sich die KLOSTERMAUER effektvoll einen Fachwerk-Aufsatz, der die gestreckte Proportion nurmehr unterstreicht. Zwei lustige Erker treten drohender Monotonie energisch entgegen. Dem steht der Eingang in den geöffneten Klosterhof nichts nach. Ein PORTAL aus rotem Sandstein, erbaut im Jahre 1781, eine echte Seltenheit, weil im Stile des Frühklassizismus, welcher gerade auf markgräflichem Boden nur schwer Fuß fassen wollte (bis Friedrich Weinbrenner, den Hochklassizismus im Gepäck, auf den Plan trat). Die Barocke Verspieltheit jedenfalls ist bereits verbannt; nüchtern und kraftvoll wuchten zwei dorische Pilaster einen Dreiecksgiebel. Im Zwischenraum der Durchgang, mit blindem Rundbogen.
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Begeben wir uns in den KLOSTERHOF, an jenem Sonntag-Nachmittag im Juli eine veritable Oase der Stille. Zwar besitzt er bei wiederum grob dreieckiger Grundform eine beachtliche Größe, alles aber winkt dem Besucher fröhlich zu: die ruhigen, vortrefflichen Bauten, die alten Bäume allzumal. Der große Klosterhof, zumeist Park, freilich auch Erschließung, besitzt eine ruhevolle, auch eine zeitlose Aura — seiner Ausdehnung zum Trotze ein anheimelndes Talent; ehe man sich versieht fühlt man sich schon wohl.
Man findet hier alle Gebäude, deren ein Kloster typischerweise bedarf: gleich zwei Gotteshäuser, die Klosterkirche und die Fürstenkapelle (ein drittes, die Einsiedlerkapelle steht nicht am Hof), Konvent- und Ökonomiegebäude, einen Marienbrunnen; außerdem die Grundschule des Stadtteiles, welche bis heute von den Nonnen betreut.
Am schönsten die beiden Gotteshäuser. Die KLOSTERKIRCHE, gotisch, erbaut im 14. (Chor) und 15. Jahrhundert (Langhaus) steht mit einer Längsseite zum Hof, streckt hier typische Strebepfeiler und einen Treppenturm entgegen. Die hohen Fenster "konvertierten" per Rundbogen zum Barockstil, und statt einem Turme (dem Zisterzienser-Orden verpönt) balanciert ein lustiger barocker Dachreiter. Auch ansehnlich die FÜRSTENKAPELLE, die stolz ihre Schauseite präsentiert. Die Giebelfassade zeigt gezielt (nicht überreich) gesetzten Schmuck, und sorgsam detaillierte Öffnungen verschiedenster Formen. Eine bildhafte Ansicht, die zwar nur noch in Teilen originale Gotik, vor allem nämlich einen neugotischen Umbau des 19. Jahrhunderts zeigt, dabei aber keineswegs angeschickt agiert. Bemerkenswert zumeist die drei Statuen im Giebel und rechts wie links des Eingangs, die zwar echte Gotik, nicht aber originale Ausstattung bedeuten. Ursprünglich bereicherten sie nämlich die Klosterkirche der Abtei Allerheiligen, mit welcher man sehr übel verfahren. Für Lichtenthal immerhin war die Überführung im frühen 19. Jahrhundert großer Gewinn (wenngleich die Nonnen sie gewiss lieber in einem intakten Kloster Allerheiligen gesehen hätten).
Im direkten baulichen Anschluss an die Klosterkirche der schönste Barock-Flügel des Hofes, das ABTEIGEBÄUDE aus dem Jahre 1730. Im Ganzen nimmt sich die verputzte Fassade zurück, die Rahmungen aber für die Fenster und mehr noch für die beiden Eingänge wurden kunstvoll gefertigt. Die Fenstergewände sind stiltypisch geschweift, die Türen gefallen sich mit Kielbogen-Giebeln. Verantwortlicher Baumeister der barocken Neu- und Umbauten: der Vorarlberger Peter Thumb, der Klosterarchitekt schlechthin im Raume des späteren Baden (nach der Expansion im frühen 19. Jahrhundert).
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Das SCHULHAUS führt historistischen Stil vor (Wende 19./20. Jahrhundert), welcher zumindest nicht verärgert. Wieder besser gefielen dem Autoren die beiden langen und abknickenden ÖKONOMIEFLÜGEL, getrennt voneinander nur durch das schon beschriebene Tor, auf der den beiden Bethäusern gegenüberliegenden Seite. Die Nutzbauten hatten hier und da Veränderungen hinzunehmen, zeigen zumeist aber noch barocke Formensprache, nüchtern zwar, aber mit lebendiger Anordnung verschiedener Öffnungen von Türen über Fenster und Nischen bis zu Toren. Ohnehin steht diesen Nutzbauten keine übermäßige Pracht an, um nämlich nicht von den Hauptgebäuden abzulenken, als welche natürlich Kirche und Kapelle ausgewiesen. Schönste Hofstaffage ist der Marienbrunnen und die zum Teil ungemein knorrigen Bäume, denen man ohne weiteres ein hohes Alter zutraut.
Soll nach der dank fehlender Zerstörung ungewöhnlichen, köstlich zusammengesetzten Schönheit, die gleichfalls ungewöhnliche Geschichte rekurriert werden. Die Abtei entstand im 13. Jahrhundert auf Veranlassung der Markgräfin Irmengard, zu welchem Zwecke unsere Zisterzienserinnen berufen wurden. Die Fürstenkapelle, ältestes Gebäude des Klosters wurde 1288 fertiggestellt, gedacht auch als Grablege der badischen Markgrafen; eine Funktion, die sie aber nur bis 1372 wahrnehmen durfte.
Nach der Aufteilung der Markgrafschaft befand sie sich auf baden-badischem Territorium, im Gegensatz zum baden-durlachischem, dessen protestantische Markgrafen bereits im 16. Jahrhundert alle Klöster auflösten, also auf sicherem katholischem Staatsgebiet. Nach dem Aussterben der baden-badischen Linie im Jahre 1771 fiel sie wie die gesamte Markgrafschaft an Baden-Durlach, also unter protestantischen Einfluss; Zu diesem Zeitpunkt bereits hat man die Auflösung befürchten müssen, noch aber blieb sie auch den anderen baden-badischen Klöstern, wie z.B. Schwarzach und Frauenalb aufgespart. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, im Geklüngel mit Napoleon und Aufstieg zum Großherzogtum folgte man alter protestantischer Sitte die Klöster eigener Einflusssphäre aufzuheben; darunter eben Schwarzach und Frauenalb — nicht aber Lichtenthal, welche als markgräfliche Stiftung immer noch in besonderer Gunst. Jene Jahre aber waren dennoch bange Jahre; sie überstanden zu haben bedeutete freilich Zukunft, erst recht nachdem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Klöster in Baden generell wieder zugelassen wurden.
Eine Geschichte, die sich ohne weiteres am Gebäudebestand ablesen lässt. Eine ungewöhnliche Geschichte, die jene besondere Gestalt des Klosters vollauf verdient — umgekehrt natürlich auch.
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Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Wirkungen
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.abtei-lichtenthal.de
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