Die bedeutsame Geschichte Ladenburgs setzt ein durch die Geschicke des Römischen Imperiums. Ausgezogen mit dem Ziele auch ganz Germanien zu unterwerfen, einer bekanntlich weniger erfolgreichen Unternehmung Roms, welche sich eingedenk des gesteckten Zieles mit dem eroberten Süddeutschland einigermaßen bescheiden ausnahm, stand auch die Bildung befestigter Ansiedlungen auf dem Programm. Ladenburg ward hierunter die erste! Ladenburg also darf sich rühmen, die vermutlich älteste deutsche Stadt rechts des Rheines zu sein! Auch vor diesem Hintergrund nimmt man die größere Anzahl freigelegter römischer Mauern gerne zur Kenntnis; bar jedoch beinahe jeder Details, die aber den Kunstsinn recht eigentlich erst erfreuen, befriedigen sie denn kaum mehr als archäologische Interessen. Zweifelsohne tragen sie zur Bedeutung der Stadt bei, jedoch kaum zu ihrer primär erfassbaren Gestalt — und, das bedeutet Glück genug, das ausgezeichnete Altstadtbild Ladenburgs hat ihrer nicht einmal nötig.
Geprägt nämlich von Bauten des Mittelalters, der Renaissance und zu geringem Anteile des lustvollen Barock, darf sich Ladenburg nicht nur des Alters sondern auch einer großen Schönheit rühmen — einer Schönheit, die in badischen Landen nur selten übertroffen. Auf halber Strecke zwischen den beiden kurpfälzischen Residenzen Heidelberg und Mannheim gelegen, gelang ihr dennoch in den furchtbaren, zerstörerischen Jahren der Wende 17./18. Jahrhundert ein glücklich abweichendes Schicksal. Sanken rechter und linker Hand Heidelberg und Mannheim auf Befehl des "Sonnenkönigs" sprichwörtlich in Schutt und Asche, so konnte Ladenburg nämlich gewichtige Anteile der gleichfalls eroberten und zum Untergange bestimmten Stadt retten — zuvörderst natürlich zum eigenen, dann aber auch zum Glück des sie heute noch anstaunenden Besuchers. Und so bestimmen vor allem die Bauten des Mittelalters und der Renaissance, die nach dem Willen des Sonnenkönigs ihre Existenz eigentlich verwirkt hatten, das vortreffliche Straßen-, Gassen- und Platzbild der Altstadt.
Und jenes Bild der Stadt ist wohl nicht nur ein schönes, sondern zugleich von Bauten geprägt, die alsbald ahnen lassen, dass sich die Stadt in puncto Bedeutung keineswegs nur auf römischen Zeiten beziehen muss. Ladenburg nämlich war über den gewaltigen Zeitraum von 1000 Jahren wo nicht Haupt- so zumindest Nebenresidenz der Wormser (Fürst-)Bischöfe. Bis zum Jahre 1705, als der "Cessionsvertrag" zwischen dem Wormser Fürstbischof und dem Kurfürsten der Pfalz geschlossen ward, welcher die Stadt dann ganz in des letzteren Hände gab, fand man in Ladenburg also eine Residenzstadt. Das zwar nicht uneingeschränkt, vielmehr war sie zur Beendigung blutiger Fehden 1385 zwischen Worms und der Pfalz gütlich geteilt worden, aber bestimmend für das Schicksal der Stadt und damit für ihre Gestalt wurde denn doch ihre Eigenschaft als ein residenzialer Standort.
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Auf Einladung der Wormser Bischöfe gingen eine ganze Reihe bedeutender deutscher Könige und Kaiser ein und aus, und da nimmt es nicht wunder, dass sich die Bischöfe um angemessene repräsentative Bauten bemühten, worunter vor allem der Bischofspalast und die "kleine Kathedrale" Sankt Gallus. Indessen erreichte Ladenburg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter dem Bischof und bekannten Humanisten Johannes von Dalberg ihre höchste Blüte.
1705 aber obsiegte der weniger bedeutende Part der Stadt, also der kurpfälzische, und zusammen mit dem Wormser Bischof entwich die Bedeutung des Standortes. Die ab jener Zeit unter kurpfälzischer Ägide erfolgten barocken Einbauten können das Stadtbild zwar noch ergänzen, im Vergleich zu vorherigem jedoch müssen sie sich bescheiden. So rührt das löbliche Bild der Stadt, das jedem Kunstbeflissenen nur anempfohlen, vor allem aus zwei Umständen, der langen Vergangenheit als Residenz und dem bemerkenswerten Glück im Pfälzer Erbfolgekrieg.
Das wichtigste und zugleich schönste Bauwerk zeigt die "kleine Kathedrale" SANKT GALLUS, eine gotische, vom 13. bis ins 15. Jahrhundert errichtete Doppelturmanlage nicht geringer Größe, die die Bedeutung der Stadt auch aus der Ferne unterstrich. Einst waren die beiden Türme die letzte und zugleich kunstvollste Steigerung der vor allem durch die Stadtbefestigung turmreichen spannungsvollen Stadtsilhouette. Die Türme der Befestigung wurden weitgehend abgetragen, dafür hat sich in ummittelbarer Nähe zu Sankt Gallus ein weiteres, nun der evangelischen Konfession gewidmetes Gotteshaus im Stil des Romantizismus hinzugesellt, so dass sich dem aus der Ferne Beobachtenden eine immer noch markante Silhouette aus drei dicht beieinander stehenden Türmen erbaut, welche alleine sicher schon zahlreiche Menschen in die Stadt gelockt hat. Mitten in der topfebenen Rheinebene sind die Türme Ladenburgs jedenfalls weithin sichtbar.
Die im Grunde rein gotische Kirche befleißigt sich zahlreich feiner, den Stil preisgebender Details, verteilt auf Hauptschiff, zwei Nebenschiffe und die beiden formidablen Türme. Weitgehend in rotem Sandstein gehalten ergibt sich insgesamt ein ruhevolles, viel Würde ausstrahlendes Gesamtbild, das obgleich nicht direkt am Marktplatze, diesem doch zum glücklichsten Hintergrund gereicht. Sankt Gallus zählt zweifellos zu den schönsten Kirchenbauten Badens, muss sich nur vor den auch an Baumasse größeren Münstern zu Freiburg, Konstanz und Breisach "fürchten".
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Um nochmals auf die römischen Zeiten Ladenburgs zurückzukommen, so mag man bei der Einschätzung damaliger Bedeutung bedenken, dass Sankt Gallus wiewohl auf einem Teil der römischen Stadtbasilika erbaut, an Grundfläche lediglich deren dritten Teil einnimmt!
Auf dem Wege zum zweitwertvollsten Gebäude der Stadt, den im Renaissance-Stil ausgeführten alten Bischofspalast, wird man alsbald des entscheidenden Kriteriums gewahr, das aus einer Stadt mit schönen Bauwerken erst eine insgesamt schöne Stadt formt — die Durchgängigkeit der historischen Substanz. Und vor dem Hintergrunde, den Brandschatzern des Generals Melac (Pfälzer Erbfolgekrieg) in erfreulichem Maße getrotzt zu haben, kann dies freilich nur eines bedeuten: Ladenburgs große Schönheit beruht auf ihrer Eigenschaft als Fachwerkstadt. Die Anwendung des feingliedrigen Fachwerkbaus reichte weit bis in die Stilepochen von Renaissance und Barock, z.T. bis ins 19. Jahrhundert — also deutlich in die in ihrem Einsetzen immer schwer zu definierende Neuzeit, und dennoch haftet ihm (nicht zu seinem Schaden) immer etwas Mittelalterliches an, was zweifelsohne seinen Grund darin findet, dass die Entstehung dieser Konstruktionsweise eben aus dem Mittelalter herrührt.
Unterstrichen von Sankt Gallus ergibt sich insgesamt also ein ergreifendes mittelalterliches Stadtbild, das neben den entsprechenden Bauten auf die für diese Epoche typischen und dem Auge so reizvollen gerundeten Straßen, engen Gassen und unregelmäßigen Plätzen verweisen kann. Die meisten Straßen und Gassen und auch der geräumige Marktplatz können sich fast durchgängig auf Fachwerkfassaden stützen, welche zumeist gemäß fränkischer Natur einigen Zierrat aufweisen und dementsprechend auch zu genauen Betrachtungen Anlass geben. Typisch für die Region, dass das Fachwerk nicht rein fränkisch, sondern bei geringerem Anteile (vornehmlich durch das Zeigen der Balkendeckenköpfe und leichtem, geschossweisem Auskragen der Fassaden) auch noch alemannische und damit gemischte Züge trägt, welche das Gesamtbild nurmehr bereichern.
Unter den vielen lobenswerten Fachwerkhäusern ragen vor allem drei heraus: der HANDSCHUHSHEIMER HOF (ehemaliger Adelshof), der neben dem hier eher funktional (weniger kunstreich) gebildeten Fachwerk viel steinerne Renaissance aufweist — dann ein an Dimension gewaltiges Fachwerkhaus am Marktplatz, welches nach Sankt Gallus das zweite diesen Platz prägende Bauwerk — und schließlich gegenüber Sankt Gallus ein reich verziertes Exemplar, das vor allem durch die kunstvoll ausgeführten Laubengänge Aufmerksamkeit heischt. Die Reihen von Fachwerkhäusern im übrigen, die alleine schon hohen Reiz proklamieren sind dort am schönsten, wo sich gleichsam als monumentaler Hintergrund Hauptschiff und Türme von Sankt Gallus majestätisch emporrecken.
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Einen vortrefflichen Ort findet man in einem Gebäude-Ensemble, welches weitgehend in Fachwerk gehalten einen Hof umspannt, den sogenannten JESUITENHOF. Man betritt ihn durch ein gotisches Spitzbogen-Tor und, nach dem Gewimmel der Straßen und Gassen, ist man förmlich überrascht von der Ruhe, die der parkartige und heitere große Innenhof preisgibt — eine Oase.
Bedeutend lebendiger und sicher der schönste Platz Ladenburgs ist der MARKTPLATZ. Seine Mitte bekrönt ein großer Brunnen mit Marienstatue auf hoher korinthischer Säule. Die Platzwände von zum Teil unregelmäßig gesetzten Fachwerkbauten formen den entsprechend ungleichmäßigen, durch seine Geräumigkeit auffallenden Platzraum. Die hohe Qualität der Fachwerkfassaden und St. Gallus als "Rückgrad" gesellen zur Großzügigkeit die beeindruckende Schönheit.
Beinahe zwangsläufig muss es im Fachwerk-Ensemble auch Lücken geben, welche aber zumeist von sorgfältig arrangierten Barock-Fassaden ausgefüllt wurden, das Gesamtbild durch die Zusammenführung der beiden so gegensätzlichen Gebäudestile denn eher bereichernd als störend. Entscheidend für das Gelingen heterogen zusammengesetzter Straßenzüge ist letztlich ohnehin nur das eine Kriterium, namentlich der Anspruch nach dem höherem Wert des Bauens, eben der baukünstlerische Anspruch. Erwuchs dieser im Fachwerkbau durch die Feingliedrigkeit der statischen Struktur noch fast wie von alleine, so wurde er der zunächst wenig Reiz aufbringenden Konstruktionsart des barocken Steinbaus durch verständigen und sorgsam entfalteten Kunstsinn gewonnen. Das Gesamtbild aus mittelalterlichem Fachwerk und neuzeitlichem Barock ist ein kunstgewirktes und damit automatisch ein gelungenes. Die Erhabenheit solcher Fassaden weckt Interesse. Sie ruft auf zur Betrachtung, und jeder Anruf lädt ein zur Betrachtung der Abbildung des Lebens, welche gleich der Komplexität natürlicher Lebendigkeit — sei es der Natur, oder auch der menschlichen Existenz — ein durch kunstreiche Griffe, die die entsprechenden komplexen Strukturen des Fassadenentwurfs arrangieren, das Auge erfreuendes Gebäudebild erwirkt.
Mich noch an den Fassadenbildern weidend, langsam, sehr langsam den Stadtkörper durchdringend und dennoch im Hinblick auf den noch zu entdeckenden Bischofspalast von leise pochender Ungeduld getrieben, kam mir ein überaus markantes Szenarium vor Augen, welches als Einzelarrangement hinter St. Gallus und dem Bischofspalast an ehrenvoller dritter Stelle zu führen. Als Überrest der mittelalterlichen wehrhaften Befestigung Ladenburgs haben sich, unmittelbar benachbart und per Mauerzug verbunden, der Turm des MARTINSTORES und der sogenannte HEXENTURM (glücklicherweise hat hier niemals eine als Hexe bezichtigte Bürgerin einsitzen müssen) erhalten können. Das wuchtige mit gotischer Durchfahrt versehene Martinstor besitzt im gerundeten "leichteren" Hexenturm einen geradezu perfekt kontrapostischen Gefährten, der dies Ensemble unter die spannungsvollsten Befestigungsüberreste Badens kürt.
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Das ausladende Obergeschoss und die Streben der Basis erhöhen nurmehr den Reiz des Hexenturmes. Die Altstadt umrundend trifft man immer wieder auf mehr oder weniger gut erhaltene Stadtmauerfragmente. Weitere Hervorhebung verdient hierunter der in unseren Tagen wiederhergestellte kurze Abschnitt eines WEHRGANGES gegenüber der Sebastianskapelle. Der eigentliche Wehrgang ruht auf drei riesigen gotischen Spitzbögen und erwirkt durch die entsprechende Nischenausbildung einen zweifellos ansehnlichen Eindruck.
Dieser Abschnitt eines rein funktionalen Bauwerks kann daneben als veritables Lehrstück, als ein Zeugnis für die architektonische Armut unserer Tage gelten. Die eingesetzten Materialen roter Bruchsandstein sowie Holzbalken und die Konstruktion in Gestalt gotischer Bögen und Fachwerk zur Abtragung des Wehrgang-Daches genügen wie von selbst zu einem Bauwerk ruhevoller Erhabenheit. Als das 20. Jahrhundert zu an und für sich lobenswerter Vereinfachung der Gebäudeerstellung schritt, lies es die Schönheit seit Jahrtausenden(!) bewährter Materialien und gewachsene Konstruktionsarten bedenkenlos hinter, noch nicht einmal ahnend, dass die innewohnenden künstlerischen Aspekte gleichfalls verworfen würden.
Jedes noch so funktionale, ohne höheren künstlerischen Anspruch erstellte Gebäude der Vergangenheit nämlich konnte sich immer auf eine entscheidende Qualität berufen, die Erstellung durch das automatisch individualisierende Handwerk. Alle die Individualität letztlich hervorrufenden Unregelmäßigkeiten wurden im 20. Jahrhundert durch die Industrialisierung des Bauens getilgt. Natürlich bemerkt noch heute jedermann die Kälte und Belanglosigkeit der industrialisierten Fassadenentwürfe und man blickt mit kaum tilgbarer Sehnsucht auf die Bauwerke unserer Altvorderen, aber eine Rückkehr ist schlechterdings unmöglich. Das 20. Jahrhundert hat sich wie keines zuvor beflissen alle höheren Werte, wo nicht ersatzlos aus der Welt zu schaffen, durch glatte Oberflächen zu ersetzen. Und so leugnen auch die Bauwerke seit Einbruch des Modernismus den höheren Wert des Bauens — die Baukunst.
Dagegen gibt man vor die Funktionen abzubilden, die Materialien der Zeit, letztlich die Zeit selbst. Und das gelingt tatsächlich! Die Entleerung höherer Werte bildet sich ab auf Baukörpern, die den höheren Wert der Kunst leugnen. Entsprechend haben sich die Bauwerke unserer Zeit auch um die Altstadt Ladenburgs versammelt, nirgendwo auch nur den Versuch wagend durch kunstreiche Ordnung komplexer Stilmittel ihren Gegenüber, den betrachtenden Menschen, ja das Leben selbst abzubilden und für sich zu gewinnen. Aber trösten wir uns an der in der Tat gelungenen Abbildung unserer Zeit: dem sinnentleerten Menschen stehen sinnentleerte Gebäude gegenüber, alles wird konsequent auf die Hülle der Funktionalität reduziert.
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Umso freudiger betrachte ich die Werke unserer Altvorderen, auch diesen letztlich so einfachen Wehrgang — und wende mich, die bei solchen Gedanken nurmehr gestiegene Sehnsucht nach von Kunst, Wert und Sinn getragenem Wirken, der schönsten Partie Ladenburgs zu, dem Areal des BISCHOFSPALASTES.
Mir der Natur jenes Palastes noch nicht bewusst und vor allem noch nicht mit der Information versehen, dass er seine residenziale Existenz mit dem Abzug des Wormser Fürstbischofs bereits 1705 aushauchte, erwarte ich am ehesten, wie zwischen Baden-Baden und Mannheim so zahllos zu bewundern, ein barockes Schlossgebilde. Umso größer meine Überraschung angesichts des tatsächlich vorgefundenen, eine Überraschung, die sich denn zusehends in große Freude verwandelte — der Autor fand ein Schloss im Stile der Renaissance!
Zwar wartet die hiesige badische Umgegend gleich mit zahlreichen Schlössern auf, alle jedoch tragen ein barockes Kleid. Und nimmt man das malerische Heidelberger Schloss als das, was es zuvörderst darstellt, als die schönste Ruine eines Renaissance-Palastes, so ist das Ladenburger Werk tatsächlich das einzige (fast) rein im Renaissance-Stil gehaltene Schloss. Der Abzug des Wormser Fürstbischofes, der Ladenburg die Residenz und damit die alte Bedeutsamkeit nahm, brachte also zumindest aus heutiger Sicht einen entschiedenen Vorteil mit sich: das Schloss musste sich nicht im Zeitgeschmack des 18. Jahrhunderts in eine barocke Anlage verwandeln. Wäre der Fürstbischof also geblieben, Ladenburg präsentierte heute ein barockes Schloss, welches dann nur eines unter vielen wäre — als Renaissance-Palast dagegen darf es hier auf eine Ausnahmestellung pochen.
Das Schloss selbst ist zunächst einmal Ungetüm, mit Vor- und Rücksprüngen, wo immer Funktionen ihrer bedurften. Das verwundert nicht, denn erst die Schlösser der lieblichen Künste, des Barock-Stiles gelangten zu ausgeglichener Anlagestaffelung, welche unter Zuhilfenahme der Symmetrie leicht verständliche, harmonische Kompositionen ins Leben riefen. Nichtsdestotrotz nimmt sich das "urwüchsige" Ladenburger Schloss sehr schön aus, zum einen ob der Verquickung mit der hier teilweise erhaltenen Stadtbefestigung (was denn insgesamt reizvoll Mittelalter atmet) und zum anderen durch die eindrucksvolle manieristische Bemalung der eigentlichen Schauseite, welche in Richtung Stadt zeigt.
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Jene überaus detailreiche illusionistische Bemalung, welche dankenswerter Weise im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wiederhergestellt wurde, zieht sich gleichmäßig über den langgestreckten Schlosskörper und den hier spannungsvoll davor und in die Höhe tretenden zwei Erker und Treppenturm. Vor allem diese ergreifende Schauseite unterstreicht die Einzigartigkeit des ehemaligen Bischofspalastes.
Aber dem nicht genug findet sich hier dergestaltige Ergänzung, dass aus einem bedeutenden Bauwerk gar ein bedeutender Ort erwächst. Der Palast nämlich steht keineswegs für sich allein, sondern ist nur ein Teil des geradezu eklektizistisch arrangierten Gesamtareals des Bischofspalastes. Neben den schon erwähnten Stadtmauerresten (mit dem beschriebenen Wehrgang) finden sich hier freigelegte RÖMISCHE GRUNDMAUERN und, weitaus spannender, gleich drei wiederaufgerichtete SÄULEN selbiger Ära, welche uns endlich auch die hohe Kunstfertigkeit des antiken Imperiums nahe bringen. Des weiteren gewahrt man in der SEBASTIANSKAPELLE ein nächstes bedeutungsvolles Kleinod, das vor allem durch seinen romanischen Anteil, namentlich in der Gestalt eines nicht allzu hohen Turmes, auf sich aufmerksam macht.
Die Bauten der Romanik, welche landauf landab im Laufe der anschließenden 1000 Jahre nicht zerstört wurden, mussten in aller Regel Umbauten in den sich ablösenden Stilrichtungen erdulden. Umso gewichtiger und aufschlussreicher der rein romanische Turm-Annex der ansonsten gotischen Kapelle (auch sie, in zurückhaltender landgotischer Formensprache, hinterlässt einen zweifellos angenehmen Eindruck). Etwas Geheimnisvolles geht von dem gedrungenen sandsteinernen Turm mit seiner pyramidalen Spitze aus. Auch die gut erhaltenen Details in Gestalt fratzenhafter Tier- und Menschenköpfe strahlen in ihrer Fremdheit nur Geheimnis aus. Ein Geist, der uns lange verloren, muss sie erschaffen haben.
Die einzelnen Zutaten des eklektizistischen Arrangements verschiedenster Stile besitzen in einem alles umfangenden Platz, beziehungsweise in einer Parkanlage genau die richtige Umgebung um die Wirkung der Bauten zu voller Geltung kommen zu lassen. Dieser ungewöhnliche Ort besitzt wie von selbst ein hohes Maß an Ruhe, ja vielleicht mehr noch an innerer Größe, welche ruhevolle Erhabenheit ausstrahlt — er fordert förmlich auf zum Verweilen und immer eingehenderer Betrachtung. Die Bedeutung der hier versammelten Werke entwirft eine Aura, die dem Ort etwas Zauberhaftes, beinahe Märchenhaftes schenkt. Das ehemalige Bischofsareal zählt ohne Zweifel zu den schönsten durch Menschenhand gewonnenen Orte Badens. Hier also findet die Freude an Ladenburg ihre gebührliche Vollendung.
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Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Wirkungen
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.ladenburg.de
4) örtliche Informationstafeln
5) Kupferstich und Stadtbeschreibung Matthäus Merians aus "Topographia Palatinatus Rheni"
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