Baukunst in Baden
  Obergrombach
 


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In Obergrombach, nahe Bruchsal, findet sich im Tal gleichen Namens eine anmutige Burganlage, deren Ansehen sich in kraichgauischer Sanftheit von Senke und säumenden Hügeln nurmehr weiter erbaut. Die zweiteilige Burganlage, wiewohl im größten Anteil von noch trutzigem Auftreten, bei milder Dezember-Sonne der Sandstein schimmernd wie unpoliertes Gold, im Rahmen der geruhsamsten grünen Wellenwelt, stellt sich kaum mehr als ein echtes Bollwerk in den Weg, eher haftet der Veste etwas gleichsam Märchenhaftes an. Umringt und umrankt von Bäumen und allerlei Gewächs vielleicht gar ein verwunschen' Gebäu?
     Aber das kleine Obergrombach zeigt sogar noch mehr! Der Autor war schon einige Schritte gelaufen und alsbald verwundert: der kleine Ort nämlich birgt ein historisches Städtchen, das man sich winziger nicht zu denken wüsste! Eine Kuriosität, freilich eine das Herz anrührende. Der Ort, welcher bereits 789 das erste Mal genannt (Lorscher Codex), ward aber nicht vor 1337 urkundlich als Stadt bezeichnet. Dementsprechend zu Füssen der ab 1200 als Nachfolgebau eines grundherrlichen fränkischen Hofes erbauten Burganlage mit einer eigenen und mit der Burg verbundenen Befestigung versehen, wuchs die Stadt hinter eng gezogenen Mauern in typischer urbaner Dichte. Und jene Dichte erzeigt sich noch heute, was reizvoll genug und bei der Kleinheit des Ganzen ungewöhnlich genug und verfügt relativ betrachtet noch über eine große Anzahl Fachwerkhäuser, welche die Dichte adelt und nicht weniger als die zu Häupten thronende Burg einen beinahe märchenhaften Eindruck hinterlässt. Was jener die umschließende Natur ist dem Altstädtchen die Winzigkeit — beides besitzt Verwunderliches, erst recht natürlich in der Zusammenschau.
     Auch der Eingang in den historischen Kern wirkt wie inszeniert, erfolgt gar durch gleich zwei Stadttore. Das erste, das Gebäude des RATHAUSES, von zurückhaltendem Barock, lässt einfach seine Toreinfahrt offen. Dahinter erst die mittelalterliche, die befestigte Stadtgrenze — hier lädt ein aus Bruchstein gemauerter TORBOGEN ein. Ein treffliches Bild: das Gemäuer rechts des Bogens ist halb noch Stadtmauer, halb bereits Gebäude; durch den Bogen gewahrt man ein Fachwerkhaus und darüber das zwischen seinem Gewächs herunterlugende Schloss. Hat man jenes zweite Tor durchschritten so entfaltet sich also der reizende Maßstab der Stadt. Alles ward angelegt: ein Platz, Straßen und Gassen, Bürgerhäuser, eine Kirche und die Stadtmauer — alles aber stets klein an Dimension oder Zahl. Man bewegt sich kaum zehn Minuten durch den Stadtkörper und hat bereits alles gesehen. Das mag wohl kurz sein, ist aber der unweigerliche Preis für den Reiz des kleinen Maßstabes, darf deshalb nicht verdrießen; außerdem wartet ja auch noch die Burg.

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Als schönste Partie innerhalb der alten Stadtmauern verdient die Innenseite des Torbogens eigene Beschreibung. Links ein Fachwerkhaus, zweistöckig, von fränkischer Machart und mit Renaissance-Details (neu eingebaut) im steinernen Erdgeschoss. Lustig klebt es an der Stadtmauer, welche sie als eine Gebäudewand nutzt. Dann der Torbogen und rechts von ihm eine Strecke Wehrgang. An diesen schließt sich das nächste Fachwerkhaus an, wiederum fränkisch und zweistöckig, das Fachwerk aber bis ins Erdgeschoss ziehend. Durch den Bogen hindurch sieht man das vorgelagerte Torgebäude (Rathaus) und über allem die sandsteinrote Turmspitze einer in geringer Entfernung situierten Kirche romantisch-gotischem Stiles (19. Jahrhundert). Das neben der Schönheit des Prospektes bemerkenswerte ist der ausgezeichnete Zustand des Vordergrundes. Beide Fachwerkhäuser sorgfältig restauriert und das Stadttor samt Wehrgang gar neu erbaut (!) zeugen von reichem, von besonderem Bürgersinn.
     Als man in den 1980er Jahren die Qualitäten historischer Städte beinahe im allerletzten Moment wiedererkannte (wie viel Wertvolles ward zu diesem Zeitpunkt bereits geistlos niedergerissen!), was einzig noch lebendigem Bürgersinn und nirgendwo der modernistisch indoktrinierten Architektenschaft zu verdanken, wurden zahlreiche Fachwerkhäuser saniert, die dann die häufig nur noch zu erahnenden Qualitäten tatsächlich wieder ins rechte Licht rückten (damit im übrigen auch die vollendete ästhetische Banalität  modernistischen Gebaues). Die Rekonstruktion eines Stadttores samt Wehrgang dagegen darf als echte Seltenheit gerühmt werden; das schönste an ihr ist neben Wiederherstellung des reizvollen alten Zustandes die saubere Definition des Stadtkernes, von der Umgebung separiert und bestens nachvollziehbar bei Durchquerung des Stadttores.
     Insgesamt aber haben sich leider auch hier so viele modernistische Allerweltsgehäuse eingeschlichen, dass das Gesamtbild zwar noch von Reiz, das Fachwerk-Idyll leider aber verhindert. Der KIRCHE aber, eher eine Kapelle mit Dachreiter, welche durch ihre Schlichtheit und gotische Details gewinnt, sowie eines sehr gefälligen FRÄNKISCHEN HOFES auf dem Wege zur Burg, sollte man des weiteren Erwähnung tun.
     An letzterem vorbei erfreute ich mich an der sich hoch auftürmenden BURG, dem sie umrauschenden Nadelgehölzes und an den überall hervor- und überquellenden Rankgewächsen. Dann aber stand ich vor verschlossenem Burgtore. Auf der Rückseite im ganzen das gleiche Bild. Hohe Mauern, dominiert vom noch deutlich höher aufragenden, mit Zinnen bekrönten BERGFRIED, alles verwunschen durchwirkt von winterkahlem Geäst. Dazu leider auch hier das verschlossene Burgtor.

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Des Rätsels Lösung: die Burg wird noch bewohnt, was zwar keineswegs für den bisher beschriebenen ruinösen Teil der Anlage, die Oberburg gilt, dafür aber für die schlossartige Unterburg. Sie ward 1723 erstmals ausgebaut durch Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn, welcher sich hier seine Sommerresidenz nahm. Obergrombach nämlich gehörte seit 1311 schon zum Territorium des Bistums Speyer, und die Burg sicherte die Südflanke der speyrischer Hauptstadt Bruchsal. Im 18. Jahrhundert aber verfügten die Fürstbischöfe neben der Hauptresidenz Bruchsal und den Schlössern zu Waghäusel und Kislau nur über Standorte in der im Sommer schwülheißen Rheinebene. Darum also die Sommerresidenz Obergrombach, welche dank der bewaldeten Hügellandschaft von angenehmeren Klima und vom Fürstbischof entsprechend geschätzt — ansonsten nämlich waren Burgen längst nicht mehr geachtet, entschieden „aus der Mode".
     Jener fürstbischöfliche Umbau wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert nochmals gründlich abgeändert, was nämlich heutigentags vor Augen zeigt ein mittelalterlich-romantisierendes Gebäudeensemble von durchaus gefälliger Machart. Noch schöner die Gesamtschau aus trutziger Ruine und jener verspielten Partie. Ein feiner Kontrast: hier ein Bergfried, der Palas, Türme, die Schildmauer — alles roh und grob, zumeist in Teilen eingefallen; und dort alles kleinteilig, sorgsam verputzt, Türmchen und hoch aufragende Dächer.
     Wenn auch die Burg nicht ohne weiteres betreten werden kann, so doch der hinter der Burg zusätzliche Höhe erklimmende Hügel, welcher von der Burg per Halsgraben abgetrennt. Von hier aus gewinnt man einen guten Überblick, eben jene beschriebene Gesamtschau der Burg und, was nicht weniger reizvoll, eine Übersicht über die Landschaft samt Grombachtal. In dieser Jahreszeit, ein schneeloser Winter, besitzen die Kraichgau-Hügel dank des milde lächelnden Sonnenscheins, das die eigentlich grau-braunen Felder und entlaubten Bäume in goldenes Licht taucht, ein ganz und gar verträumtes Aussehen. Alles schläft, und wie das Gesicht eines schlummernden Menschen von Entspannung und Frieden, so auch diese schimmernde Landschaft. Mag also die verschlossene Burg als einziger wirklicher Wermutstropfen gelten.

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Wirkungen
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website  www.obergrombach.de
4) örtliche Informationstafeln



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