Als Student arbeitete der Autor ein halbes Jahr unweit des nun zu betrachtenden Gegenstandes; unweigerlich zog dieser schon damals seine Blicke an sich. Die TIEFBURG, im Zentrum des Heidelberger Stadtteiles Handschuhsheim, hält nämlich für heutige Augen ungewöhnliches bereit: einen blitzsauber erhaltenen Burggraben.
Die Burg aus rotem Sandstein profitiert bei nur geringer Größe sehr von dem vierseitig umlaufenden Graben, welcher steil angelegt auf beiden Seiten abgemauert; namentlich gewinnt die gleichfalls gut erhaltene Schildmauer durch die zusätzliche Höhe, die ihr der Graben gewinnt, beträchtlich an Monumentalität.
Am besten gefällt die Eingangsseite. Im 13./14. Jahrhundert von den Handschuhsheimer Rittern erbaut, lies man der Burg im Jahre 1544 einen Umbau angedeihen, der das Wohnliche über das Wehrhafte stellte; davon erzählt jene Eingangsseite noch heute. Neben Turmresten auf der rechten Seite und der auf Rundbögen ruhenden Zugangsbrücke fallen zwei von mächtigen Konsolen gestützte Balkone auf. Die gesamte Seite wurde zugunsten von Öffnungen gleich an mehreren Stellen aufgeschnitten, z.T. auch, und das beinahe gewaltsam, durch den umlaufenden Rundbogenfries (knapp unter den Zinnen). Zur Verteidigung im übrigen war die Burg damit kaum noch zu gebrauchen. Die Rahmungen der Fenster und Türen sind in Teilen gut erhalten, sie zeigen den Stil der Renaissance. Ein reizvolles, durch Lebendigkeit ausgewiesenes Bild. Und es empfängt gar weitere Aufwertung, denn zweierlei lugt über die hohe Schildmauer: ein beinahe quadratischer Palas mit spitzem Giebel und der Kirchturm der evangelischen FRIEDENSKIRCHE (errichtet 1908-10), welche als malerische Durchmischung von Neo-Gotik und Jugendstil zumindest aus der Ferne gefällt. Insgesamt eine beeindruckende Komposition.
Auch der Rundgang um die Burg birgt manchen Reiz, so fallen vor allem mächtige Streben auf, die der Schildmauer zusätzliche Stabilität verleihen, dabei den monumentalen Eindruck befördernd. Vereinzelte aus dem Burggraben herauswachsende Bäume ergänzen mit ihren weichen Formen kontrastreich die Ansichten.
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Der Burghof kann betreten werden. Durch die Ruinierung des Jahres 1689 (Pfälzischer Erbfolgekrieg) und sich anschließendem Verfall ist der Burghof nahezu leergeräumt, trotzdem strahlt er ob der hohen Mauern jene charakteristische mittelalterliche Enge aus. Einziges erhaltenes Gebäude ist der schon erwähnte Palas, ein kleines, beinahe schnuckeliges Bauwerk, das in Teilen (vor allem das Dach) in den Jahren 1911-13 wiedererrichtet. Auch hier, in Gestalt der Öffnungsrahmungen, die Renaissance zur Anschauung. Der Palas steht abgewinkelt zur Eingangsseite, was den Eindruck eines bezugslosen "Schwimmens" im Burghof nurmehr und in zweifellos reizvollem Sinne verstärkt.
Die Tiefburg besitzt einen großen Vorplatz, welcher leider von Parkplätzen eingenommen. Wie alle Gemeinden benötigt Handschuhsheim händeringend jeden einzelnen Parkplatz — und dennoch welch' vertane Chance! Das Zentrum Handschuhsheims, von der Tiefburg so ungewöhnlich wie glücklich betont, erleidet durch die typischerweise als negativ empfundene Freifläche eines Parkplatzes deutlichen Eintrag — ein Platz, der als Parkplatz genutzt wird, verliert ohne weiteres seine originäre Qualität; ein Umstand, der im Zentrum umso schmerzlicher. Dagegen parkartig angelegt, der Platz zöge eine enorme Aufwertung des Zentrums nach sich. Solche Maßnahme würde gar den Unterschied zwischen dem bisher nur geographisch wahrgenommenen Zentrum und einem tatsächlichen ausmachen. Nicht zuletzt, weil darüber ein veritabler Brückenschlag gelänge. Auf der anderen Seite nämlich, durch den öden Parkplatz ohne Zusammenhang, wartet ein Kleinod namens HANDSCHUHSHEIMER SCHLÖSSCHEN, welches eine effektvolle Kombination aus mittelalterlichem polygonalen Treppenturm und einem länglichen barocken Hauptbau — und überdies seinerseits um eine große Parkanlage weiß.
Handschuhsheim besitzt ein weiteres erwähnenswertes Gebäude: die Kirche SANKT VITUS, unweit des Schlösschens. Die Kirche mit zwei Vorgängerbauten wurde in ländlicher Gotik in den Jahren 1483-1516 ausgeführt. Der Turm steht an der Straße und lugt in den angeführten Stadtpark. Alles kommt zurückhaltend und macht durch die wenigen, aber sorgsam detaillierten Öffnungen einen stämmigen Eindruck. Auffällig noch die niedrigen Seitenfassaden des Schiffes, die ihre Höhe an das steil aufragende Dach transferierten. Leider war die Kirche bei meinem Besuch zum Zwecke des Ablichtens ganz von Gerüsten eingehüllt — weshalb hier eine fotografische Aufführung nicht möglich.
Es ist jene Achse der Einzelbauten: Friedenskirche - Tiefburg - Schlösschen mit Park - Sankt Vitus, die dem ansonsten eher blassen Handschuhsheim seinen Reiz verleiht. Man sollte sie stärken.
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Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.tiefburg.de
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