Die Stadt Endingen liegt am Kaiserstuhl, wie man sich leicht vorstellen kann, in denkbar malerischer Landschaft. Es ist die schönste der Städte am oder in nächster Nähe zum Bergmassiv. Burkheim, wie Breisach schon wieder ein wenig abgerückt vom Höhenzug, gleichfalls ein reizender Ort kommt Endingen immerhin nahe. Das arme Breisach dagegen, viele Jahrhunderte ein europäisches Juwel, Endingen und Burkheim an Größe und Schönheit weit überlegen, trafen bis ins 20. Jahrhundert hinein zu viele und ohne weiteres überhart zu nennende Schicksalsschläge. Ansonsten findet man auf dem breit gelagerten Gebirge, das überaus markant aus der weiten Ebene des Rheintales empor tritt und entfernt an einen mittelalterlichen Herrschersitz erinnern mag, zwar noch zahlreiche Ortschaften, was eingedenk der Fruchtbarkeit und des der Weingewinnung so förderlichen Klimas kaum verwunderlich, alle jedoch in Gestalt kleiner bis großer Dörfer — kurzum weitere historische Städte brachte der Kaiserstuhl nicht hervor, was unter dem Strich doch eine überraschend kleine Zahl.
Endingen besitzt gleich eine Vielzahl ausgezeichneter Bauten, von der Gotik bis zum Barock, auch darüber hinaus eine gute Substanz historischer Bauwerke, den Stadtkörper ausfüllend, nicht jedoch übermäßig nach Aufmerksamkeit heischend — letzteres allerdings bei Vergleich mit ersterem in zu geringer Zahl. So findet man im Zentrum der Stadt einen Platz von schönster Wirkung, den Marktplatz, ergriffen bereits von der Topographie des ansteigenden Kaiserstuhls, wohl auch ausgehend vom Marktplatze einige schöne Straßen-züge, alleine diese verlieren doch zu rasch an der ausgezeichnet eingeführten Qualität. So mag man sich darüber verwundern, dass eine Stadt solch vortrefflicher Bauwerke den Appetit bestens anregt, ja alles tut um ihn zu fördern, am Ende aber kaum willens ist das Versprochene auch einzulösen.
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Endingen, das erste Mal urkundlich nachgewiesen bereits im Jahre 862, verdankte seine Stadtrechte dem in dieser Region einflussreichen Rittergeschlecht der Üsenberger. Diese hatte zuvor schon Kenzingen als Stadt gegründet und nahmen ihren Stammsitz auf der nicht allzu fernen Kirnburg im Schwarzwald. Die Edelleute starben jedoch bereits Ende des 14. Jahrhunderts aus, worauf Endingen ans habsburgische Vorderösterreich kam, wo die Stadt, unterbrochen nur kurz in den Jahren 1415 - 1428 durch die begehrte reichsunmittelbare Stellung (und den unvermeidlichen Wechselfällen vor allem des 17. Jahrhunderts), bis zum Übergang an Baden recht genau 400 Jahre verblieb.
Das 17. Jahrhundert spielte auch Endingen übel mit, legte auch dieses Städtchen beinahe gänzlich in Trümmern. In jener Zeit allerdings besaß Endingen bereits einige Stein-bauten, welche der Niederbrennung zumindest die Fassaden abtrotzten — sie sind der eine Grundstock für die Schönheit der Stadt. Der andere kommt in Gestalt der im 18. Jahrhundert unternommenen Neubauten, zum Teil im Stil der schönen Künste, der Formenfreude des Barock, zum anderen als Fachwerkbauten in lebendigem Kontrast zur über-wiegenden Anzahl der Putzbauten.
Beginnen wir, als einem der schönsten Stadtplätze Badens, mit dem bereits eingeführten MARKTPLATZ. Er schlägt als Herz der Stadt wichtig für die Stadtgestalt wie sonst nur wenige. Man findet hier das 1617 als Kornhaus erbaute RATHAUS im Stil der Renaissance, noch reichlich Spätgotik atmend: ein vortrefflicher, ruhiger Bau, an einer Schmalseite des rechteckigen Platzes dessen höchsten Punkt markierend. Interessanterweise gleichen sich die beiden Schmalfassaden, Vorderseite und Rückseite wie ein Ei dem anderen. Beide zeigen Treppengiebel, zahlreiche horizontale Gesimse und machen trotz disziplinierter Anordnung der Öffnungen lebendige Miene.
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Dem Rathaus auf der anderen Querseite des Platzes (der Nordseite) gegenüber ein prächtiges Barockwerk, das hübscheste der Stadt, die Schauseite mit formenreicher Mittelachse, der Balkon in Rokoko-Manier verspielt. Es ist das HAUS KREBS, 1775 errichtet, heute gleichfalls rathäuslichen Funktionen nachkommend. Ihm nahe, an der östlichen Längswand des Platzes, ein prächtiges barockes Portal, auch ein gekonnt geschwungener Giebel, die Öffnungen zumeist aber mit spätgotischem Fensterkreuz ein Massivbau, stilvermischt, spannungsvoll. Barock überarbeitet steht er als ALTES RATHAUS seit 1527 an seiner Stelle.
Weitere ansehnliche Bauten säumen den Platz, und hinter dem Rathaus lugt bereichernd auch die erste Kirche hervor. SANKT MARTIN veranschaulichst zumeist den gotischen Stil, zurückhaltend, landgotisch. Der Turm steht seitlich, zeigt noch wehrhafte Attribute, wenige Öffnungen und hat sich einen ulkig geschwungenen Spitzhut aufgesetzt. Das Schiff auch verputzt, der Chor aber ganz aus rotem Sandstein. Chor und Turm verdeutichen noch echte Gotik, wohingegen der 1846 erfolgte Neubau des Langhauses ohne zu brillieren zur Neugotik griff, damit immerhin eine gewisse Stilkontinuität erreichte.
Der schönste Straßenzug der Stadt zieht sich vom Marktplatz zu einem erhaltenen mittelalterlichen Stadttor. Es ist der westliche Teil der HAUPTSTRASSE, welche leider und als wohl größter Nachteil des Städtchens weiterhin stark befahren. In Ermangelung also einer Umgehung, was bei Altstädten solcher Qualität zum Vorteile des Stadtflairs heutigentags nur noch seltenes Ärgernis, drängt sich der Autoverkehr also nicht nur durch die attraktivste Straße sondern zum Teil auch über den Marktplatz — eine Kuriosität.
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Der Straßenabschnitt besitzt in beide Richtungen einen Blickfang. Nach außen in Gestalt des Torturmes und zum Marktplatz der beschriebene stilvermischte Bau. Das KÖNIGSSCHAFFHAUSER (oder Königsschaffhausener) TOR, als Baukörper nicht allzu hoch, umso mehr aber durch das spitze Dache mit Dachreiter, ist ein ansehnlicher figuraler Bau, dank des hohen gotischen Durchganges (spitzbogig) wie auf zwei Beinen stehend. Das Gebäu kam 1586 in die vorliegende Gestalt.
Zwischen Tor und Marktplatz durchgängig historische Bebauung, gut rausgeputzt, zurückhaltend zumeist, schön aufgelockert aber durch Fachwerk und ein wuchtiges Gebäu im klassizistischen Weinbrenner-Stil, vermutlich ein altes AMTSHAUS. Zumeist aber profitiert der Gebäudezug in der Tat von den beiden Blickfängen.
Auch der andere Abschnitt der Hauptstraße vermag noch zu gefallen, bringt zwei prächtige barocke Bürgerhäuser, wiederum Fachwerk, auch, wenn man genauer hinsieht, manch spätgotisches Öffnungsdetail in Erdgeschoss-Fassaden, deren steinerne Natur der Feuerzerstörung trotzte. Im Gegensatz zur westlichen Partie aber fehlen ihm die Blickfänge an Ein- uns Ausgang der Straße.
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Immerhin aber findet man sich auf dem besten Wege zum faszinierendsten Bauwerk der Stadt. Die Kirche SANKT PETER, vor allem aber ihr Kirchturm verdient viel Bewunderung, ein Gebäu monumental und ausdrucksstark. Das Innere im barocken Stil prachtvoll und auch das Äußere des Kirchenschiffes obgleich weit zurückhaltender ohne weiteres ansehnlich. Das Langhaus wurde 1773/75 in spätbarocker Manier neu errichtet. Alleine der hohe gotische Turm, wehrhaft, beinahe abweisend, "behält leicht das Feld". Erst recht dank seiner Position, vorangestellt, gleichsam vom Schiffe vorgeschoben, auch noch Endpunkt einer direkt auf ihn zuführenden Straße.
Der Unterbau, ganz aus rotem Sandstein spreizt sich, dank diagonal gestellter nach oben verjüngter Streben, förmlich und überaus reizvoll auf. Der spitzbogige Eingang wie eingeschnitten. Dann drei verputzte Geschosse, zunächst Schießscharten, welche die Vergangenheit als Wehrkirche belegen, dann die Öffnungen bestimmt zum Durchlass der Glockenklänge, größer natürlich und mit feinem Maßwerk. Endlich der Abschluss, welcher allen vier Seiten spitze, wiederum verputzte Giebel gewährte, bekrönt noch von einem barocken Dachreiter. Die Turmspitze nimmt sich des regionalen Grundmusters an, welches im Gegensatz zu anderen Regionen Badens beständig auf hohe, spitze Zeltdächer verzichtet, dafür aber zwei- oder vierseitig verputzte Giebel ausbildet. Eine sehr schöne Variation, zumal als lokale Ausprägung. Der Kirchturm Sankt Peters darf hierbei als vielleicht schönstes, zumindest als ausdrucksstärkstes Beispiel gelten, nicht zuletzt ob seiner monumentalisierenden Länge, welche über den Baukörper die geringe Höhe des Daches leicht wettmacht.
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Sankt Peter liegt in einiger Entfernung vom Marktplatz und bildete in frühsten Zeiten einen eigenen Siedlungskörper, der erst später mit dem zweiten um Sankt Martin zusammenwuchs. Die dabei entstandene größere Fläche wurde als Stadt gemeinsam befestigt. Nachdem nun der arme Ort im 17. Jahrhundert größtenteils zerstört, fand er zunächst nicht zu gewohnter Kraft zurück, weshalb nur der Marktplatz und die westliche, sowie Teile der östlichen Hauptstraße in alter Dichte wiedererstanden, alles andere aber innerhalb der großzügig angelegten Stadtmauern in einer zwischen Stadt und Dorf schwankenden lockeren Struktur.
Deshalb nimmt sich der Gang vom Marktplatz zu Sankt Peter seltsam aus, von typischer urbaner Gedrängtheit in eine beinahe dörfliche Einzelstellung der Gebäude. Aber was hier immerhin noch mit schönstem Ziel und gar merkwürdig an die ursprüngliche Situation erinnert, fasert bei den anderen historischen Straßen unglücklich aus. Während sich die meisten Altstädten durch ihre spezifische Struktur von den Vergrößerungen des 19. und 20. Jahrhunderts mehr oder weniger klar absetzen, fließt Endingens Altstadt mit den diversen und reizlosen Erweiterungen unförmig zusammen — die einzige Ausnahme bildet die westliche Hauptstraße, urban bebaut und definiert durch das Stadttor. Was also auf dem Marktplatz so wunderbar eingeleitet wird, die geschlossene urbane Raumform, gebildet von kunstvollen Fassaden, nimmt in den von hier ausgehenden Straßen rasch ab, verliert sich schließlich. Während also der Marktplatz beste Einleitung des Gedichtes von einer Stadt, verwundert man sich wie schnell der harmonische Fluss abreißt, am Ende gar die Worte fehlen. Lob und Tadel rutschen selten so unansehnlich ineinander.
Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Stadt und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.endingen.de
4) örtliche Informationstafeln
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