Baukunst in Baden
  Burg Hohengeroldseck
 
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Die Burg Geroldseck, zur Unterscheidung von gleichnamiger Burg im Elsass schon im Mittelalter Hohengeroldseck genannt, überaus reizvoll gelegen, findet man in der Nähe der Stadt Lahr, vor allem aber unter den schönsten Burgruinen Badens. Zunächst lässt sich der ungewöhnliche Standort, welcher Einblick nimmt gleich in zwei, respektive drei Täler, billig bewundern. Hohengeroldseck, 1260 auf einem Porphyrfelsen vom Rittergeschlecht der Geroldsecker begründet, lugt majestätisch ins Kinzigtal und ins Schuttertal und über letzteres hinweg noch bis in die Rheinebene. Nimmt man die bereits in einige Höhe führende Passstrasse zwischen dem Schutter- und dem Kinzigtal, so erblickt man die Ruine aus der schönsten Perspektive, ihren gewaltigen, kegelförmigen Felsen bekrönend, zwischen dichtem Baumbewuchs herauslugend.
     Ihre Erbauer gehörten zu den einflussreichsten Rittergeschlechtern im Territorium des späteren Baden. Entsprechend groß ihre Einflusssphäre, die man den Edelmännern zu Ehren das Geroldsecker Land nennt, sich entbreitend zwischen Offenburg und Ettenheim, vom Ende des Kinzigtales bis zum Rhein. Das Geschlecht trat im 11. Jahrhundert aus dem Dunkel der Geschichte, spielte die ihnen zugedachte Rolle über den enormen Zeitraum von 600 Jahren, bis schließlich, dem Schicksale so vieler Ritterfamilien folgend, im 17. Jahrhundert die Linie verlosch. Zu den Hauptverdiensten der Geroldsecker zählt die Gründung der Stadt Lahr, welche sie mit dem Bau einer Tiefburg initiierten. Auch das heute freilich stark veränderte Schloss Dautenstein im noch näheren Seelbach nahm zwar nicht seinen Anfang durch die Ritter, wohl aber ward das Gebäu durch dieselben sehr aufgewertet. Letzteres also wurde zum Zwecke einer moderneren, komfortableren Residenz aufwendig zu einem Renaissance-Schloss veredelt und endlich ab 1594 bezogen, was einem durchaus schlechtes Omen dünkt; kaum nämlich verließ das Geschlecht die seit Jahrhunderten bewohnte Stammburg, welche in ihren Zeiten der glanzvollen Tage nicht wenige gesehen hatte, so kam auch bald schon das bittere Ende der Geroldsecker selbst. Beinahe als hätte die Geschichte eine Trennung Geroldsecker — Geroldseck nicht verwinden wollen!
     Die Burg samt zugeordneter Grafschaft, welche keineswegs identisch mit der Einflusssphäre, sondern nur nächste Umgebung der Burg (mit dem Hauptort Seelbach), fiel als österreichisches Lehen zunächst an  die Linie von Kronberg (Taunus), welche aber den Geroldeckern stehenden, also aussterbenden Fußes folgten! Dann, mit längerer Dauer, an die Freiherren von der Leyen. Am Ende jedoch fand man in der kleinen Grafschaft eine veritable Kuriosität.
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Entgegen der napoleonischen Vergrößerungstaktik, die aus dem herzergreifenden Wirrwarr des süddeutschen Fleckenteppichs kaum mehr als Bayern, Württemberg und Baden gelten ließ, belies man dieses Fleckchen nicht nur, erhob es gar noch zum selbstständigen Fürstentume! Das jedoch erachtete man endlich als zu merkwürdig ... und verbrachte es als lustigen Nachzügler 1819 nach dem das Territorium längst umschließenden Großherzogtum.
     Das Aussterben der Geroldsecker vermachte dem armen Geschlechte zumindest den freilich wirkungslosen Trost ihren Stammsitz alleine in gutem Zustande gesehen zu haben. Bald nach deren Ableben nämlich sollte die weite Teile des späteren Baden niederlegende Zerstörung des Pfälzischen Erbfolgekrieges auch über Hohengeroldseck wüten. 1689 fraßen die "Heuschrecken" des "Sonnenkönigs" auch hier kurzen Prozess. Die Ruinierung dieser Burg besaß gar einige Vordringlichkeit,  befand sich das Gebäu doch auf bestem Wege zur veritablen Festung. Die mittelalterliche Anlage wurde just in diesen Jahren durch zeitgemäße Bastionen, sternenförmige Schanzen modernisiert, zu einem gerade durch die beherrschende Lage nur schwer zu überwindenden Bollwerk. Alleine die Arbeiten kamen nicht rechtzeitig zu ihrer Vollendung, boten noch kein ernstes Hindernis. Endlich kaum verteidigt, ward die aufblühende Festung dem (gründlichen) Untergange geweiht.

Das entsprechende, daniederliegende Bild bietet die Burg auch heutigentags — alleine nicht ohne den vortrefflichsten Eindruck ein bizarren Trümmerwelt zu zeugen. Und die kam mir gerade recht. Der winterliche Tag hatte wohl milde Temperaturen zugelassen, jedoch nur zum Preise dichtesten Wolkenbehangs und eines unaufhörlich niederfallenden Regens. Zuvor hatte ich mir barocke Schönheiten angesehen, welchen es jedoch erging wie jeder durchnässten Schönheit: der Glanz ist hin und man empfindet eher einen Mitleiden.
     Geroldseck aber war das nebeldampfende Gebräu die köstlichste Zutat. Welch' Gewalt von einem Palas schob sich da aus den Schwaden, immer höher sich reckend, das monumentalste Ding  eines Burgbaues, das man sich denken kann!
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Und als sei alles auf diese Wirkung hin berechnet, liegt das Drumherum in spitzen kantigen Mauerfetzen. Eingedenk des Wetters fand ich mich alleine im Burghof, dazu der alle Geräusche erstickende Nebel; zu hören alleine das einförmige Prasseln des Regens. Das Gemäuer triefend von Wasser, es dampfte im spärlichen Licht schon selbst. Fürwahr ich musste in eine andere Welt eingegangen sein! Eine Welt, fuhr wieder eine riesige Schwade über die Ruine, die kaum größer zu sein schien als die Burg alleine! Kurzum der Autor fand aus dem Staunen über die Innigkeit der Verschmelzung von Natur- und Menschenwerk kaum noch heraus. Ein "verwaschenes Gemälde" wie es romantischer nimmer hätte sein können!
     Zwar kannte ich die Ruine recht gut, wurde hier bereits in Kindertagen, als mir die Anlage nur noch komplexer erschien, reichlich fasziniert. Jene Erfahrung und Erinnerung aber schienen gleichfalls vom Nebel wie zugedeckt. Betäubt, berauscht beinahe nahm ich meinen Weg durch die Trümmer, zur anstehenden Analyse kaum fähig. Aber was galt`s? Jetzt war nicht die Zeit der Gedanken. Bei solchem Schauspiel durften, nein mussten die Sinne alleine walten. Der Blick also kam nicht durch zu den Einzelheiten, ergriffen immer vom Ganzen rutschte er von Steinmasse zu Steinmasse. So lief ich durch die zwingerartig herumführende Unterburg, welche von langgestreckter und amorpher Grundform, begleitet zumeist von der brachialen Schildmauer, die aufgerissen hier und da den Blick freigab ins dampfende Dickicht. Immer aber drohte die Gewalt des hochaufragenden Palas auf mich niederzustürzen. Nicht nur, dass er gleich vier hohe Stockwerke zeigt, auch nämlich steht er innerhalb des Mauerrings auf der weiter aufragenden mächtigen Kuppe des Felsens, entsprechend erhöht, fast entrückt. Nachdem ich die felsige Kuppe also umrundet hatte, von den einstigen Bauten der Unterburg selbst Trümmer nur wenige findend, wartete ungeduldig schon die Oberburg, jener ehrfurchtgebietende Palas.
     Auf regenglitschiger Felsentreppe zum länglichen Hochplateau — eine Plattform vor allem weil auch der nur wenig jüngere Neue Palas (der alte entstand in der zweiten Hälfte 13. Jahrhundert) beinahe ganz abgegangen. Letzte Reste der Außenwände, der Ansatz einer Treppenspindel, noch beeindruckend genug, mehr aber vollführt der neue Palas nicht mehr.
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Von hier aus auch der Weg zum Brunnenhaus, welches zwar in der Unterburg liegt, jedoch aus strategisch leicht nachvollziehbaren Gründen nur von der Oberburg zugänglich. Im Verteidigungsfalle nämlich war die Oberburg auf der Felsenspitze ein Bollwerk im Bollwerk, alleine lebensfähig. Der Brunnen übrigens wurde sage und schreibe 60 Meter in des Porphyrs Tiefe getrieben!
     Einzelheiten, freilich die mich erst später interessierten. Das Plateau nämlich macht gleichzeitig die Bühne für den alten Palas, welcher damit vollends in bestmöglicher Manier in Szene gesetzt. Durch einen gotischen Spitzbogen lässt er sich auch betreten, bietet dann das unheimlichste Bild. Hoch ragen nämlich alle Außenwände noch hoch, ansonsten aber fehlt alles, so dass man sich in einem gewaltigen Kerker wähnt. An diesem Tage spärlich belichtet genug, die Wände bemoost, dunkel durchfeuchtet. Zahlreiche Fenster immerhin durchbrechen die vier Wände, alleine im Vergleich zu den riesigen, auf trapezförmiger Grundform errichteten Wandflächen nehmen sie sich klein aus, mittelalterlich eben. Die Öffnungen sind gotisch, in Teilen gar noch romanisch — dreigeteilt und mit Rundbögen, außerdem Schießscharten, auch und als feinstes Detail ein Renaissance-Wappen über dem Eingang. Endlich sind einige Partie der urwüchsigen Treppengiebel erhalten, lustig wächst irgendwo gar ein kleiner Baum mitten aus der Wand. Diese analytische Betrachtung freilich gelang mir erst im nachhinein, zu überwältigend und immer noch die sich entbietende Atmosphäre.
     Die Geroldseck weiß zwar um keinen Bergfried, dafür aber blieb merkwürdigerweise die Treppenspindel des alten Palas gut genug erhalten (merkwürdig ob des allgemeinen Zerstörungsgrades). Sie nämlich macht den Makel des Fehlens eines Aussichts-Bergfrieds bestens wett, lässt sich indessen bis ins oberste Stockwerk betreten, bietet dabei von Etage zu Etage nicht nur treffliche Einblicke in den Palas-"Kerker", am Ende nämlich auch die wunderbarste Ausschau in die Weite der Landschaft. Auch dem Autoren entbreitet sich noch eine gewisse Aussicht. Der Wind nämlich vermochte zwischenzeitlich den Nebel ein wenig aufzulockern, und so liegt er vor mir, der Mittelschwarzwald, patschnass, gemütlich rauchend. Die friedlichste Rundumperspektive, geräuschlos allzumal. Ja, am Ende ist's beinahe ein Zuviel des Guten!

Burg Hohengeroldseck [Link] bei Schlösser und Burgen in Baden-Württemberg.
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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ruine und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.der-ortenauer.de
4) örtliche Informationstafel


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