Friedrich Weinbrenner erhielt (in badischen Gefilden) dreimal die Chance ganz auf den Spuren der Inspirationsquelle Palladio zu wandeln (ein viertes Mal nahe Straßburg). Dessen große Werke des Villenbaus besitzen großen Reiz im Zusammenspiel mit freier, freilich der Landwirtschaft dienstbar gemachter Natur — Gebäude weit außerhalb befestigter Städte, die gleichsam zum Zentrum der großen zugeordneten Ländereien wurden. Genau dieses konnte Weinbrenner beim vorliegenden Landgut in der Nähe Bad Rotenfels' (Murgtal) einlösen. Palladio vor Augen muss Weinbrenner eine nicht geringe Freude über diese Bauaufgabe verspürt haben - nicht von ungefähr darf man das Schloss (so nennt es sich heute) zu den besten Leistungen Weinbrenners zählen.
Dabei gab es für Weinbrenner nicht einmal besonders viel zu tun, vielmehr beschränkte sich der Auftrag im wesentlichen auf die Schaffung eines repräsentativen Entrees. Da der Klassizismus (im Stile Weinbrenners) gerne gerade hier Akzente setze, bedeutete Bad Rotenfels eine willkommene Aufgabe.
Doch verweilen wir zunächst bei der Gesamtanlage. Weinbrenners Arbeit war eine Arbeit im Bestand, da hätte es schon eines großen Zufalls bedurft, wenn daraus eine im strengen Sinne palladianische Landvilla geworden wäre. Diese folgten in den bewundernswertesten Variationen dem gleichen Grundtypus: der Hauptbau als stets mächtiger Kubus von leicht rechteckiger oder quadratischer Grundform stellt sowohl auf der Empfangs- als auch der Gartenseite einen vornehmen Säulenportikus symmetrisch in die Fassadenmitte. Ausgehend vom Hauptbau ziehen sich langgestreckte Seitenflügel (mitunter jedoch nicht ausgeführt), deren Zweck der Landwirtschaft diente. Diese Konstellation finden wir in Bad Rotenfels nicht — einzig der Säulenportikus des Einganges bildet eine direkte Parallele. Wie anders dagegen der Hauptbau, wie aufregend anders dagegen der Hauptbau, der als langgestreckter Baukörper einer auffällig abweichenden Proportion Tribut zollt. Bereits von Weinbrenner geplant, aber erst nach dem Tode des Architekten ausgeführt, stehen die den (einst) landwirtschaftlichen Aufgaben verpflichteten Seitenflügel senkrecht zum langgezogenen Hauptbau. Ergo bildet sich eine Art Ehrenhof aus, der tatsächlich dem Charakter eines Schlosses entspricht.
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Hofausbildungen solch strenger Natur findet man bei Palladio im übrigen nicht. Zieht man also ein Zwischenfazit, so entspricht die Vorgabe an Weinbrenner, Schaffung eines repräsentativen Landsitzes (Auftraggeber war kein geringerer als Markgraf Wilhelm von Hachberg) durchaus der Hauptaufgabe des großen Baumeisters Palladio — die konkrete Ausformung dagegen ist alles andere als stupende Kopie, vielmehr gelangt Bad Rotenfels (bei Berücksichtigung des Bestandes) zu einer erfrischenden Interpretation des palladianischen Themas.
Der von Weinbrenner vorgefundene Bestand einer Mitte des 18. Jahrhunderts erbauten Manufaktur von demnach barocker wenngleich sehr zurückhaltender Natur musste in erheblichem Umfange beibehalten werden und leitete, wie schon angedeutet, den markanten Langbau her. Dieser, als eindeutig horizontaler Wirkung verpflichteter Baukörper bedeutete den glücklichsten "Hintergrund" für den auf markgräfliches Geheiß zu entwerfenden repräsentativen Säulenportikus. Die kaum enden wollende Horizontale des Hauptbaus besitzt nämlich den notwendigen kontrapostischen Charakter zu der klassizistischen "Standardmaßnahme" Tempelfront, die durch ihre Säulen stets der emporstrebenden Vertikalen zuspielt.
Horizontale und Vertikale sind in ein spannendes Verhältnis gesetzt, in ein Verhältnis, das zugleich ausgewogen erscheint. Jedoch wird ein Gebäude dieser lagernden Gesamtproportion immer der Horizontalen verpflichtet sein, das heißt die Vertikale kann grundsätzlich keine Gleichberechtigung erwarten. Weinbrenner reagiert entsprechend, setzt also die Vertikale nicht mit Gewalt dagegen — etwa durch mögliche kolossale Säulen — vielmehr baut er einen breit gelagerten Treppensockel mit einem Säulenportikus von gleichfalls liegender Proportion. Wir haben hier einen der seltenen Fälle, in denen Weinbrenner für diesen statt römisch-vertikaler auf die griechisch-horizontale Proportion zurückgreift.
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