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Sinsheim besitzt seine Wahrzeichen in Gestalt zweier Türme. Ersterer, der Bergfried der nur wenige Kilometer entfernten Burg Steinsberg — der "Kompass des Kraichgaus" — ergreift von Sinsheim aus vor allem in den Abendstunden, wenn dieser nämlich durch künstliche Beleuchtung bestens in Szene gesetzt. Der andere dagegen, der markante Kirchturm einer ehemaligen Benediktinerabtei, steht direkt zu Häupten der Stadt und regiert deren Tagstunden.
Letzterer, auf den zunächst eingegangen werden soll, besetzt den MICHAELSBERG, einen jener sanften Kraichgau-Hügel, die sich, Sinsheim einer Senke belassend, auch hier ruhevoll um einen Stadtkörper versammeln. Der TURM der alten KLOSTERKIRCHE waltet nicht nur als Wahrzeichen Sinsheims, sondern besitzt fürderhin eine Gestalt, namentlich in der Form seines Daches, denselben zum unverwechselbaren Unikat kürend, die ihm weit über den Kraichgau hinaus Aufmerksamkeit verdient. Wo der Turm an sich bereits Augenweide durch den reizvollen Übergang vom viereckigen Unterbau zum achteckigen Aufsatz, den Strebepfeilern, der gotischen Formensprache überhaupt, da vollendet das Dach mit auskragender Galerie und vor allem einer einzigartigen Kuppelform den Übergang zum Monument. Jene Kuppel, und darin das Entscheidende, besteht wie alle anderen sichtbaren Details aus gelbem Sandstein. Die Kraft und Wucht des Turmes wird also nicht wie üblich von leichter Dachdeckung gemildert, sondern durch die schwere Kuppel mit Galerie sogar noch gesteigert. In Baden jedenfalls gewahrt man dergleichen kein zweites Mal; und auch deutschlandweit finden sich nur wenige wirkliche Parallelen.
Die Geschichte des Turmes setzt ein im Jahre 1100, als Bischof Johannes von Speyer, ein Neffe des Salierkaisers Heinrich IV., hier nicht nur eine Benediktinerabtei gründete, sondern dieselbe auch noch mit besonderen Privilegien versah. Die Abtei in Gestalt einer weitläufigen Anlage gedieh umgehend, wie man sich leicht vorstellen kann. So natürlich auch der Mittelpunkt der Anlage, die Klosterkirche, welche als dreischiffige Basilika mit Querschiff, jenem Turm und Chor entstand.
Vier Jahrhunderte später erst begann der Stern des Klosters zu sinken. 1496 wurde die Abtei in einen Ritterstift verwandelt. Dieser nun geriet mit den Bürgern Sinsheims in nicht geringen Konflikt. Als nämlich 1525 der allgemeine Bauernaufstand auch durch den Kraichgau große Rotten führte, welche nach Erstürmung der Burg Steinsberg an die Tore Sinsheims klopften, öffneten ihnen die Bürger dieselben, blickten erleichtert auf die eigene Verschonung und mit einiger Schadenfreude auf die Niederbrennung des im Stich gelassenen Ritterstiftes. Drei Jahre später ward dieses zwar wieder aufgebaut, wofür man im übrigen die Strafgelder der niedergerungenen Bauernschaft nutzte — auch das wundersame Turmdach entstand seinerzeit — drei Jahrzehnte darauf aber wurde der katholische Stift durch den calvinistischen Kurfürsten Friedrich III. säkularisiert. Sinsheim gehörte seinerzeit (und bis 1806) zur Kurpfalz, weshalb sich der Kurfürst das protestantische Vorrecht der Klosterauflösung innerhalb geltenden Regelwerks, leider aber mit einiger Gewalt nahm.
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Das 17. und 18. Jahrhundert brachten wo nicht Kriege, so allen Aufschwung versagende Drangsale über die nicht unbedeutende kurpfälzische Stadt. Der 30jährige Krieg laugte bitterlich aus und endlich der Pfälzische Erbfolgekrieg, Badens Heimsuchung, welcher sie vollends und sprichwörtlich in Schutt und Asche legte. Auf dem Michaelsberg nun rührte sich je länger, desto weniger — er wurde bequemer Steinbruch für die notleidende Bevölkerung. So nimmt es durchaus wunder, dass dort heutigentags überhaupt noch historische Substanz. Das nunmehr ansässige Landesjugendheim Stift Sunnisheim nämlich verfügt neben Gebäuden des 20. Jahrhunderts über wertvolle Bauwerke des Mittelalters. Der grandiose Kirchturm, das Wahrzeichen Sinsheims, ist bereits beschrieben; ihm verblieb als letzter Überrest des dreischiffigen Langhauses nur das (freilich umgebaute) Mittelschiff. Letzterem zur Seite noch das lange Gebäu des ehemaligen REFEKTORIUMS und DORITORIUMS (mit einigen Renaissance-Details). Außerdem, am Eingang der noch heute weitläufigen Anlage, ein beachtliches Tor-Ensemble. Dieses zeigt einen niedrigen TORTURM, versehen noch mit einem romanischen und gotischen Torbogen und ob seiner Niedrigkeit von lustiger Proportion, und zwei säumende Gebäude, welche teils verputzt, teils in Fachwerk. Das Ensemble ist im wesentlichen ein Wiederaufbau des Jahres 1622.
Verlassen wir, jenes Tor durchquerend, die schöne Parkanlage mit ihren trefflichen Aus- und Anblicken und begeben uns nunmehr ins eigentliche Sinsheim, in die Stadt selbst. Aber seien die Begleiter gewarnt, denn die schönste Partie liegt bereits hinter uns. Sinsheim, wie bereits eingeführt, ward einst gefunden unter den zahlreichen Blüten der Kurpfalz. Sie befand sich seit 1499 wieder im Besitz der Pfälzer Hauptlinie, nachdem sie 1410 im Zuge der pfälzischen Teilung an den Pfalzgrafen von Mosbach gekommen. Vor diesen Tagen findet man einen munteren, einen ständigen Wechsel der Besitzerschaft. Stadtrechte erhielt der Ort, welcher ursprünglichen entstanden aus dem Dorfe Sunnisheim (urkundlich 770 im Lorscher Codex genannt) im Jahre 1192.
1689 also brutal niedergehauen, kam Sinsheim im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte wieder zu einiger Blüte und Wohlstand, alleine von alter Schönheit lässt sich heute nur wenig noch gewahren. Dieselbe nämlich vereitelt recht selbstbewusst vor allem der Modernismus, welcher die von den Weltkriegen glücklich verschonte Stadt wie nur wenige der im 20. Jahrhundert unzerstörten Städte überaus erfolgreich in den Griff bekam.
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Das Alte, offenkundig hielt man es hier nur noch für wertlos. Der Bauhistorie (nicht nur Sinsheims) wurde von den Modernisten der 1950er-70er geschickt der "Muff von 1000 Jahren" angehängt. Die unmittelbar zurückliegende Vergangenheit war so furchtbar, ja schändlich — man bedurfte eines neuen, eines taufrisches Deutschland, neugeboren, am besten ganz ohne Vergangenheit. Durch das Tiefschwarz der nationalsozialistischen Epoche sah man auf das Grau, ein milde zu belächelndes Grau monarchischer Prinzipien. Nein, hier fand man keinerlei Vorbild, auch in der an sich selbst scheiternden Weimarer Republik nur weniges. Nein, ein neues Deutschland musste her und mit demselben ein neues Bauen, das nun seinerseits die Vergangenheit wo nicht verabscheute so zumindest belächelte, die historischen Baustile vereinheitlichend mit dem Emblem "kitschig" versah. Das der geistige Nährboden des Modernismus der Nachkriegsjahre. Und Sinsheim gedieh prächtig darauf. Wie man einst den tobenden Bauernrotten die Tore geöffnet hatte, so bat man nun die Modernisten in die Stadt. Und wie die Bauern den Ritterstift niederlegten, so die modernistischen Architekten die Altstadt.
Man hat brav Fußgängerzonen ausgewiesen, alleine der Gang durch Straßen und Gassen wird dem Interessierten dennoch schnell sauer. Sicher, man mag hier ausgezeichnet einkaufen können, was heutigentags manchem vollauf reicht, wer allerdings etwas Anderes, namentlich städtisches Flair konsumieren möchte wird hier nicht fündig.
Einige wertvolle Gebäude blieben durchaus erhalten, allen voran das sehr schöne FACHWERK-RATHAUS (erbaut 1712-14) oder die ungewöhnlich große BAROCK-KIRCHE mit Zwiebeldach-Turm; hier und da blitzt noch ein Fachwerkhaus hervor, und im ehemaligen GERBERVIERTEL findet man gar noch ein richtiges Ensemble jener Machart. Alles aber kommt nur noch vereinzelt, schwimmt förmlich zwischen den zahlreichen gesichtslosen oder gar beleidigenden Bauten des Modernismus. Immerhin zwang man den Baustil unserer Tage auf den historischen Stadtgrundriss, so dass man die angenehme überkommene Raumführung der Straßen und Gassen mit zumeist kleiner Gebäude-Parzellierung als einen letzten Trost nehmen kann. Zum Glück nur ausnahmsweise lies man ihn aber auch frei gewähren — die Folge: undefinierte Räume und monströse Gebäude-Volumina (wohlgemerkt in der Innenstadt und nicht nur wie andernorts überall zu sichten im "Niemandsland" der Ansiedlungsperipherien).
Habe man in diesen Momenten den Kloster-Kirchturm vor Augen um die Fertigkeiten unserer Tage richtig einzuschätzen! Überblickt man dann durch die modernistische Argumentation hindurch nüchtern die Verhältnisse, so besitzt auch die "Altstadt" Sinsheims einen nicht geringen Wert.
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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Stadt und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.sinsheim.de
4) Kupferstich und Stadtbeschreibung Matthäus Merians aus "Topographia Palatinatus Rheni" (Stich siehe oben)
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