Baukunst in Baden
  Kenzingen
 

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Die Stadt liegt ungefähr auf halbem Wege zwischen Lahr und Freiburg in der breisgauischen Rheinebene. Schon im Jahre 772 erstmals urkundlich belegt, gilt sie vor allem aber als Stadtgründung (1249) des Üsenberger Rittergeschlechtes, zu welchem Behufe sie mit doppeltem Graben und wehrhaften Mauern befestigt wurde. Die Üsenberger übrigens hatten ihren Stammsitz in der nahe gelegenen, heute stark ruinösen Kirnburg. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts aber kam Kenzingen bereits zu Vorderösterreich, wo man mit kurzen Unterbrechungen — die ruhmreichste gewiss als reichsunmittelbare Stadt — bis zum Übergang an Baden verblieb (1806). Ihre schwerste Schicksalsstunde litt die Stadt 1639 im 30jährigen Krieg, als die Stadt von protestantischen Truppen unter Bernhard von Weimar bis auf wenige Gebäude komplett zerstört wurde; auch mit der Bevölkerung verfuhr man ungeheuer grausam, so dass am Ende kaum 300 der einst 2000 Einwohner überlebten.
     Der Hauptzug des Stadtgrundrisses erinnert sehr an die badische Perle Villingen: zwei breite, gerade Straßen halbieren sich gegenseitig unter rechtem Winkel. Im entscheidenden Gegensatz aber verzichtet man auf die Ausweisung als Fußgängerzone, so dass der Stadtraum nichts anderes als profane Straßenkreuzung. Mag der Raum im Grunde der selbe sein — lässt er sich nicht zwanglos vor allem aus dem Mittelstreifen erfahren, trottet man also immer eng entlang einer Häuserreihe, sind zudem die Straßenränder überfüllt von parkenden Autos, so fällt dieser Stadtraum doch einer gewissen Wertlosigkeit anheim. Oder kurz gesagt, ohne Gelegenheit kein urbanes Flair. Mag man darüber ruhig traurig sein, denn die Gebäude, die die beiden Hauptachsen säumen, sind beinahe durchgängig historische Substanz, zumeist zwar zurückhaltend, dank der kleinteiligen Parzellierung aber im Gesamten recht schön anzusehen, hier und da auch mit echtem Blickfang. 

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Am meisten gefällt hier das alte RATHAUS, ein spätgotisches Schmuckstück des Jahres 1520, welches mit seiner Längsseite zur Hauptstraße. Im Erdgeschoss Rundbogenarkaden, darüber sieben dreiteilige Fenster, deren jeweils mittleres stiltypisch über die beiden anderen erhöht; dazu Treppengiebel an den Querseiten und ein barocker Dachreiter mit Zwiebeldach. Sehr schön auch die hervorhebende rote Farbe, welche lustig auch das nicht mehr ferne Freiburg ankündigt, wo nämlich Bauwerke dieser Zeitepoche heute gerne in jener reizvollen Farbe angestrichen.
     Schräg gegenüber, zurückhaltender, ungefähr aus 1550 ein Renaissance-Bau, der GASTHOF ZUR KRONE, dessen Eckerker mit Zeltdach Aufmerksamkeit heischt. Außerdem fallen an anderer Stelle noch zwei prachtvolle Renaissance-Portale auf, die im Gegensatz zu den durch sie erschlossenen Gebäude die Niederbrennung des 30jährigen Krieges überstanden. Rathaus wie Portale liegen an der HAUPTSTRASSE, der wichtigeren, vor allem häufiger befahrenen der beiden Achsen. An der anderen liegt das alte FRANZISKANERKLOSTER mit Kirche, welches ab 1659 errichtet; schmucklose Bauten zwar, die Kirche dank großem Volumen und hohem Dachreiter aber mit monumentalem Auftritt. 


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Bemüht man nochmals das Villinger Vorbild, so muss zu weiteren Ungunsten Kenzingens die ungenügende Fassung der Enden der beiden Achsen angemahnt werden. Einst standen hier, wie heute noch in Villingen, Stadttore, die als definierte Endpunkte reizvoll einfassten; ohne sie verlieren sich die Straßen recht öde in der Perspektive. Eines der Tore immerhin, das SCHWABENTOR, aber blieb erhalten — entsprechend dankbar das Auge wie das Raumempfinden, blickt man entlang jener Achse in Richtung des Tores. Dieses im übrigen entstand erst, als zusätzlich benötigter Durchgang, im 19. Jahrhundert, besitzt also keinerlei wehrhaften Charakter, dank des Fachwerk-Geschosses über dem großen Rundbogen dennoch ein geschmackvolles Ansehen.
     Die meisten Gebäude der Kenzingener Altstadt sind verputzte Bauten des 18. und 19. Jahrhunderts, zumeist ohne besonderen Schmuck und ohne im Einzelfall besonders zu gefallen. Barocke Prachtbauten zum Beispiel sucht man vergebens. Da die Fassaden aber zumeist schmal, in unterschiedlichsten Farben gehalten sind, bisweilen außerdem feingliedrige Fachwerkhäuser auflockernd dazwischen treten, so kann man den Straßen und Gassen Kenzingens einiges Gefallen abringen; modernistische Bauten jedenfalls, überall der Tod eines ästhetischen Stadtbildes, zeigen sich erfreulich selten. 

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Das schönste Bauwerk der Stadt, verbunden mit dem einzigen großen Platz, nennt sich SANKT LAURENTIUS; ein großer gotischer Bau, eine Doppelturm-Anlage, mit guter Fernwirkung in der Rheinebene, damit das Wahrzeichen schlechthin Kenzingens. Erstmals genannt ward das Gotteshaus im Jahre 1275, aus welcher Zeit auch die östliche Partie der Kirche, also Chor und Unterbau der Türme, als älteste Teile von Kirche und auch Stadt stammen. Die beiden detailreichen Turmspitzen dagegen sind neugotischer Historismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts; von ordentlicher Machart finden auch sie Zustimmung. Die Vorderseite von wiederum originaler Gotik spielt mit wenigen Spitzbogen-Öffnungen auf großer, ansonsten leerer Fassadenfläche, was für den Haupteingang der prächtigen Doppelturm-Anlage vielleicht ein wenig zu bescheiden.
     Von der Befestigung der Stadt wurde eingangs gesprochen — bleibt an dieser Stelle nur noch festzuhalten, dass davon leider praktisch nichts mehr vorhanden. Hohe Mauerreste, besser noch Tore und Türme sind immer bestes Gewürz für den Genuss einer Altstadt, welches man gerade Kenzingen, das noch den einen oder anderen baulichen Höhepunkt vertragen könnte, gerne gewünscht hätte.

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Wirkungen
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website 
www.kenzingen.de
4) örtliche Informationstafeln

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