Baukunst in Baden
  Kürnbach
 

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Nichts ist zu klein um nicht doch geteilt werden zu können. Von den Atomen wissen's wir mittlerweile, aber, Hand auf's Herz, hätten Sie's auch von einem Dorfe gedacht? Die kleine Ortschaft Kürnbach im Kraichgau, ohne weiteres ein Dorf, hart an der ehemaligen Grenze zu Württemberg, auf halber Strecke zwischen Bretten und Eppingen, besitzt eine der ungewöhnlichsten Historien im Badischen.
     Kürnbach ward schon früh besiedelt, umso erstaunlicher, dass die erste offizielle, will heißen urkundliche Erwähnung erst im Jahre 1278 erfolgte. In strategisch günstiger Lage folgten Markt- und Apothekenrecht, sowie eine Ummauerung; einzig die umfassenden Stadtprivilegien blieben aus. Damals befanden sich Dorf und die hiesige Burg noch ganz in Händen des Sternenfelser Rittergeschlechtes.
     Dann jedoch folgten die Ritter Konrad und Werner von Sternenfels dem glücklosen Zug des letzten Hohenstaufers Konradin nach Italien. Die Konsequenz war eine Verarmung, die schließlich zur Veräußerung von zwei Dritteln des Dorfes führte. Das reiche kraichgauer Adelsgeschlecht der Katzenellenbogen griff gerne zu — später fiel ihr Anteil im Erbgang an Hessen-Darmstadt. Doch die Sternenfelser kamen finanziell nicht dauerhaft auf die Füße. Im 14. Jahrhundert verkauften sie also auch das letzte Drittel des Dorfes, diesmal an den württembergischen Herzog.
     Wir springen sodann ins 19. Jahrhundert und damit zu Napoleon, der dieser Geschichte einigen Witz abgerungen haben muss, denn wo er sonst die Trümmer des Deutschen Reiches großräumig arrondierte, behielt er das Kürnbacher Kondominat seltsamerweise bei. Eine Reminiszenz an die für seine Pläne unpraktische deutsche Kleinstaaterei? Jedenfalls setze er gar noch ein  i-Tüpfelchen: die kleine württembergische Partie musste trotz ihrer unmittelbaren Nähe zu Württemberg auf Baden übergehen, während die zwei Stücke des weit entfernten Hessen im alten Besitzstand verblieben.
     Kondominate waren im Mittelalter keine Seltenheit, worunter zumeist kleinere Gebiete, mitunter auch Städte. Bescheidene dörfliche Verhältnisse teilte man dagegen selten. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet das Kürnbacher Kondominat die napoleonische Neuordnung als einziges überstand!

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Wie aber machte sich das Kondominat im Dorfe bemerkbar? Eine sauber separierende Grenze fand man freilich nicht, dafür begegneten sich auf den wenigen Dorfgassen zwei Bürgermeister und zwei Förster und gleich drei Gemeinderechner. Beim Zeus —wieso drei Gemeinderechner? Neben dem hessischen und badischen bedurfte man halt eines Gesamt-Gemeinderechners. Des weiteren fanden sich auch alle Einrichtungen zweimal, also je zwei Standesämter, zwei Keltern, etc.
     Je länger, desto merkwürdiger und umständlicher empfanden alle Beteiligten das Kuriosum. Jedoch zierte sich der dezidierte Herausgabe-Kandidat Hessen einige Zeit, immerhin ging es um die Veräußerung von Staatsgebiet (wenn auch sehr kleinem). Zum 01.01.1905 aber ging ganz Kürnbach samt seiner Gemarkung ob der unmittelbaren Verbindung des Territoriums folgerichtig an Baden über.
     Man möchte meinen auch das Schicksal besäße ein besonderes Interesse die ungewöhnliche Historie sichtbar zu machen: Kürnbach nämlich gehört zu den wenigen Dörfern in Baden, die heute noch von Schönheit. Mit solchem hatte ich aufgrund reichlich schlechter Erfahrungen nicht gerechnet, ohnehin war ich vornehmlich wegen der mit dem Dorfe verbundenen Burg eingetroffen. Umso größer also meine Freude über das intakte Dorf-Idyll im Zentrum des Ortes — welcher ansonsten wie so viele andere Dörfer im 20. Jahrhundert natürlich auch stark ausgeufert.
     Das reizvolle Bild des Alt-Dorfes erzählt nichts von den Drangsalen des 17./18. Jahrhunderts und, beinahe noch überraschender, nur wenig vom allgegenwärtigen modernistischen Einfall. Pittoresk reiht sich hier noch Fachwerkhaus an Fachwerkhaus, beinahe jedes gemäß dörflicher Lockerheit freistehend. Und dazu eine nicht geringe Anzahl Scheunen verschiedenster Größe, welche mit nur wenigen Öffnungen versehen gleichfalls in Fachwerk ausgeführt sind und die Ansichten entsprechend bereichern. Die annehmenden Gebäude, die teilweise wie in den Dorfkörper eingestreut wirken, schaffen eine Anzahl entzückender Winkel. Ein wohltuender unregelmäßiger Eindruck überwiegt. Das Fachwerk im fränkischen Stil wurde ob bescheidener Verhältnisse zumeist zurückhaltend ausgeführt, hier und da aber auch gemäßigt schmuckvoll.
     Ein weiterer entscheidender Clou gelang: wo andernorts Bundes- und Landstraßen durchschmettern, den Anwohnern ihre Häuslichkeit verleiden und auch jede Besichtigung zu einer (zumindest) akustischen Farce degradieren, herrscht in Kürnbach friedvolle Stille. Der freilich auch hier große Verkehr wurde klug um den alten Kern geführt. Zum Teil hat man die nur den Anwohnern geöffneten Straßen gar vom Asphalt befreit und mit Pflastersteinen belegt. Außerdem ließ man die unhistorische Trennung Straße — Gehweg als Höhenversatz entfallen; und über diese kleine Maßnahme wirkt alles erstaunlich großzügiger. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt für die Schönheit des Bildes.

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Dem nicht genug besitzt das Dorf zwei besondere Sehenswürdigkeiten. Die erste, schon erwähnt, die BURG. Leider durch einen für den unbedarften Besucher nicht begehbaren Park in einige Entfernung gerückt, macht das Gebäude dennoch einen schönen Eindruck. Die unteren Geschosse in gelbem Sandstein und darüber in Kontinuität mit dem Dorf wiederum Fachwerk. Die verschiedenen Ausbauten haben alles Wehrhafte verbannt und ein heiteres Schloss gezeugt.
     Von gleicher Attraktivität die spätgotische KIRCHE, errichtet von 1499-1501. Der Bau in typisch landgotischer Machart blieb dem Äußeren nach über die Jahrhunderte erhalten, ein reines Zeugnis der alten Baukunst also. Das lange Schiff stämmig und zurückhaltend, mit Spitzbogen und feinem Maßwerk und der Chor mit Strebepfeilern. Der Turm steht seitlich, wirkt dadurch reizvoll als eigener Baukörper, beinahe wie eine riesige Schachfigur. Sein Unterbau kommt glatt und beinahe öffnungslos. Nach einem Gesims folgt Eckquaderwerk und der für den Kraichgau typische Übergang vom Viereck zum Oktogon des Glockengeschosses, dann das gleichfalls achtseitige hohe Zeltdach. Schiff und Turm sind gebrochen weiß, Öffnungsrahmungen, Quaderwerk, Gesimse, etc. aus gelbem Sandstein, die Dachflächen dunkel — ein ruhiges ansprechendes Bild, erst recht im Zusammenhang mit den feingliedrigen Fachwerkbauten, die in feinem Kontrast zu den unberührten großen Fassadenflächen der Kirche. Im Inneren nurmehr die nächste Kostbarkeit: ein Epitaph im Stile der Renaissance, das Grabmal der beiden letzten Ortsadeligen, Bernhard von Sternenfels mit Gemahlin Agatha von Weitershausen.
     Anfang des 20. Jahrhunderts konnte niemand ahnen, dass noch im Verlaufe des selben Jahrhunderts das dörfliche Idyll allerorten zerstört würde — die unzähligen einst malerischen Orte umgeben von widerlichen "Speckgürteln", das Innere sukzessive ausgehöhlt von gesichtslosen Neubauten, alles endlich zerschmettert vom Autoverkehr, in den abgeschmacktesten Allerweltsbrei sinken würden. Umso erfreulicher, dass sich das Großherzogtum ganz Kürnbach sichern konnte, eines der überaus seltenen Dörfer, das seine Schönheit auch dem 21. Jahrhundert bewahrte. In versteckten Winkeln mag man hier und da noch Gleichwertiges finden — zumeist wohl im Hanauer Land (Mittelbaden) — übertreffen jedoch kann in Baden kein anderes Dorf.

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale und Wirkungen
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website  www.kuernbach.de


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