Burg Ortenberg das erste Mal erblickend, mocht' ich den Prospekt kaum fassen. Gerade ward in das KINZIGTAL eingebogen — Ziel das formidable Gengenbach — da tauchte die überaus markante Veste auf einer Anhöhe linker Hand auf: welch malerisch' Gebilde und bereits auf den ersten flüchtigen Blick eine der reizvollsten Burganlagen Badens, vor allem aber — nach einigem Forschen — das Märchenschloss schlechthin in Baden. Bald schon musste der anmutige Wächter des Kinzigtales einer genaueren Betrachtung unterzogen werden.
Spricht man von der Ortenberg als einem Märchenschlosse, so tritt ganz unwillkürlich die berühmte Inkunabel jenes Genres vor das geistige Auge: Schloss Neuschwanstein, des Märchenkönigs Ludwig II. verträumte Residenz. Alleine, diesen Maßstab sollte man sich bei der Abwägung des badischen Märchenschlosses denn doch aus dem Kopfe schlagen; Burg Ortenberg nämlich kommt ansonsten so schnell wie ungerechtfertigt "unter die Räder". Mögen die beiden Bauwerke auch der gleichen Spielart zugschlagbar sein, so markieren sie dennoch durchaus zwei verschiedene "Pole". Neuschwanstein ward von einem Maler entworfen, entsprechend ist es vor allem Bild, ein ergreifendes, von kaum zu übertreffender, freilich auch "echt künstlicher" Romantik. Damit aber geht diesem Traumgebilde die Ernsthaftigkeit schnell ab — was nicht als Kritik zu verstehen — das Herz wird gerührt, die Sinne sind verzaubert, was Sinn und Zweck genug (es sei denn freilich, man habe auch sein Innerstes schon ausreichend "funktionalisiert", was in unseren Tagen wohl leicht genug möglich!).
Die Ortenberg dagegen, wiewohl auch von malerischem Ansinnen, besitzt durchaus jene Ernsthaftigkeit. Aus zweierlei Gründen. Zum einen wollte dessen Erbauer, der Kaufmann und Baron Gabriel Leonhard von Berckholtz, wie man leicht erkennt, ein schönes, ja ein prächtiges Schloss — alles aber denn doch in Maßen und keineswegs, wie Bayerns Märchenkönig, ein Bild getrieben zur letztmöglichen Steigerung.
In diesem Sinne entstand die Burg von 1838-43 über dem Dorfe gleichen Namens nur ungefähr drei Jahrzehnte vor dem Baubeginn Neuschwansteins. Das Schloss also zeigt ganz im Zeichen der Zeit den Romantischen Stil der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diesen jedoch nicht alleine, denn mag jener Anteil auch den bestimmenden ausmachen, so fußt er trotzdem auf einem wesentlich älteren Fundament.
Die Fortsetzung des Artikels steht nicht mehr zur Verfügung.
|