Der Merian-Kupferstich der Heidelsheimer Stadtansicht (1645) zeigt ein beeindruckendes Stadtbild (siehe Seite 4). Zwar nur von mittelalterlicher Befestigung (einfache umlaufende Stadtmauer mit Wehrgang), welche aber für eine Stadt mittlerer Größenordnung üblich, und dennoch versehen mit einer nicht geringen Anzahl von Türmen und Toren und letztlich dank einer Stadterweiterung des 14. Jahrhunderts durchaus von einiger Größe. Kurzum, die Bedeutung Heidelsheims als neben Bretten wichtigster südlicher Stadt der Kurpfalz wird sichtbar.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Ort schon sehr zu leiden gehabt. 1622, vier Jahre nach Ausbruch des 30jährigen Krieges, wurde die Stadt von der katholischen Liga unter General Tilly den Quellen zufolge eingeäschert. So lässt sich durchaus vermuten, dass Matthäus Merian für besagten Stich eine alte Vorlage zu Rate zog — im Falle der während des großen Krieges zerstörten Städte ein übliches Verfahren Merians. Merian nämlich bestrebte sich, die Schönheit der Städte vor dem großen Gemetzel in Ansicht und Verbreitung zu bringen. Er hielt den Verwüstungen des 30jährigen Krieges ganz bewusst die (spät-)mittelalterliche Schönheit der deutschen Städte entgegen. Wie selbstverständlich gedachte er dabei auch der Schönheit im Kriege schwer beschädigter Städte. Jedenfalls mag man sich kaum vorstellen, dass Heidelsheim, zumal in den anhaltenden Drangsalen, bereits zwei Jahrzehnte später wieder neu errichtet ward. Der tatsächliche, vermutlich eher kümmerliche Wiederaufbau wurde dann 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg erneut in Schutt und Asche gelegt.
Diese zwei totalen Zerstörungen raubten der Stadt, wie man sich leicht denken mag, alle Kraft. Als man denn doch zum nächsten Wiederaufbau schritt, mutlos genug, waren weder Reichtum noch eine größere Anzahl überlebender Bürger zu finden. Das neue Heidelsheim entstand hinter den zumeist erhaltenen Stadtmauern in eher dörflicher Lockerheit, die typische städtische Dichte blieb also Vergangenheit. Der Aufbau vollzog sich im 18., dem barocken, kunstreichen Jahrhundert, aber davon im ausgezehrten Heidelsheim keine Spur. Die große Not des 17. Jahrhunderts lässt sich bei einer Begehung noch heute einfach nachvollziehen.
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Aber das arme Heidelsheim musste gar noch weitere Schläge hinnehmen. Spätestens ab 1830 nämlich wurden die meisten Stadttore und Türme samt Stadtmauer niedergelegt — die geschichtstilgende, nichtsdestotrotz große Mode jener Tage! Man reagierte freilich auf die aufgehobene Schutzfunktion der Befestigungsanlagen, und dennoch, heutigentags lässt sich diese Zerstörungswut kaum mehr nachvollziehen. Die Türme und vor allem die beeindruckenden Tore (z.T. Doppeltore) waren aber fast das Letzte was an bedeutender Baukunst noch vorhanden, die nächste Reduktion also.
Schließlich fraß sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch hier der Modernismus durch die Stadt — er begegnet einem auf Schritt und Tritt — Gebäude vor Augen stellend für die es sich nicht verlohnt auch nur ein einziges Mal den Blick zu heben, geschweige denn einen dieser anonymen Allerweltsstraßenzüge zu durchlaufen. Die Hässlichkeit jener Stadtpartien schlägt allem ästhetischen Feingefühl ins Gesicht. Wohl ahmt man hier und da durch Lochfassade und geneigte Dachformen der Historie nach, alleine dabei bleibt's denn und ist noch abgeschmackt durch die in solchen Fällen üblicherweise verfehlte Detaillierung der Dachränder. Karikaturen, historischer Baukunst! Wegmarken der Dekadenz! Jenseits des sich einfügenden Gebäudemaßstabes (das immerhin eines Lobes wert) sogar noch schlimmer als die modernistische Reinkultur. Weder heiß noch kalt! Und so wird's einem endlich lau, ja unendlich fade bei diesen Anblicken, bis man die vollendete Banalität endlich von sich wirft.
Die Stadt mit solch ruhmreicher Vergangenheit, Stauferstadt und bis ins 14. Jahrhundert Reichsstadt, dann immerhin noch wichtiger kurpfälzischer Stützpunkt, sie wirft heute ein trauriges Bild vor Augen. Immerhin aber hat sich die heutige Bürgerschaft den bestmöglichen Erhalt nebst entsprechender Präsentation der allerletzten Reste einstiger Blüte zum Ziele gesetzt — es sei ihr gedankt. Und sie tut es neben dem verständlichen Lokalpatriotismus mit einigem Recht. Denn, das möchte man in Anbetracht der geschilderten Zerstörungen kaum glauben, es finden sich tatsächlich noch schöne Bauwerke, deren Bedeutung gar über die Region hinausstrahlt.
Als erstes gewahren wir das alte MITTELTOR, die ehemalige Verbindung zwischen ursprünglicher Stadt und der ersten Stadterweiterung, heute schlicht "Stadttor" genannt. Der ursprüngliche Bau stammt aus 1593, die heutige Ansicht dagegen von 1774. Es zeigt in Heidelsheim tatsächlich das einzige Gebäude liebreizend-schönen Barocks. Mehr noch, denn das barocke Stadttor mit Dreiecksgiebel über der rundbogigen Durchfahrt und Zwiebeldach mit Laterne zählt in Nord- und Mittelbaden zu den schönsten erhaltenen Stadttoren.
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Heidelsheim besaß gar so viele Tore und Türme, dass trotz des großen Verlustes das wenige Erhaltene nicht klein an Zahl. Neben besagtem Tor noch der Katzenturm, der Diebsturm und der untere Abschnitt des Rundturmes bei der lutherischen Kirche. Am gefälligsten der KATZENTURM, von runder Grundform gedeckt per Kegeldach mit feinem Fachwerk-Erker. Der DIEBSTURM gleichfalls rund und wie der dritte Turm im Bunde erst dieser Tage wieder mit Dach versehen (nach 300 Jahren!). Letztlich also kann Heidelsheim auf eine ungewöhnlich hohe Zahl der wehrhaften Vergangenheit gedenkender Bauwerke verweisen. Hierüber kann man in der Tat stolz sein.
Leider jedoch vermögen weder sie noch die zu ergänzenden Bauwerke dem Stadtkörper Flair einzuhauchen. Selten nämlich können die wertvollen Gebäude Einheiten bilden, alles steht nur vereinzelt. Zu nennen bleibt noch das RATHAUS, von einem dergestalt zurückhaltenden Barock, dass man in ihm billig ein zunächst errichtetes Hospital sieht; außerdem die STADTKIRCHE mit gotischem Chor und neugotischem Schiff und Turm. Kirche, Rathaus und das Stadttor liegen im Zentrum der Stadt und in nächster Nähe, sie als einzige Ausnahme bilden durchaus ein schönes Ensemble. Begibt man sich nun zum Tor, blickt von hier aus die angenehm geschwungene MERIANSTRASSE (Hauptstraße) hinunter, so ergibt sich hier dank des Rathauses und weniger FACHWERKHÄUSER ein durchaus lebendiges Bild. Das einzige Lob dieser Art, genährt von aufgezwungener Genügsamkeit — mehr kann man leider nicht austeilen. Hier und da noch einzelne Fachwerkhäuser und in manchen Erdgeschoss-Fassaden schön anzusehende Renaissance-Details (Portale und Fenster), die ob ihrer steinernen Ausführung die Zerstörungen überleben konnten. Letzteres aber erinnert wieder an die Tage des Merian-Stiches und mischt von selbst Traurigkeit bei.
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Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Stadt und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.heidelsheim.de
4) örtliche Informationstafeln
5) Kupferstich und Stadtbeschreibung Matthäus Merians aus "Palatinatus Rheni"
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