Baukunst in Baden
  Wolfach-Tal
 

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Von Schiltach kommend, also mit reichlich ästhetischem Genuss im Gepäck, bog ich bei Wolfach in das vom Bachlauf selbigen Namens gegründete Tal, eines der zahlreichen Seitentäler des von der Kinzig geführten Hauptstranges. Bei mildem Dezember-Sonnenschein gefiel mir das Tal, welches bis Bad Rippoldsau, meinem Endziele, gemächlich aber beständig ansteigt, ziemlich gut. Die Senke ist nicht allzu eng und lässt auch die begrenzenden Wände nicht steil emporragen. Ein sanftes, kein schroffes Schwarzwaldtal. Doch damit genug zur Natur, die wiewohl wichtiger und hier beständig schöner Hintergrund für die aufzusuchenden Bauwerke, bekanntlich aber nicht der eigentliche Gegenstand meiner Betrachtungen der alten badischen Länder.
     Das Wolfach-Tal besitzt zwar auch drei Burgruinen, welche allesamt wohl noch sichtbar, aber als vollkommen daniederliegende Ruinen nur noch von mäßigem, am ehesten noch archäologischen Reiz. Dafür aber zeigt es vier Bauwerke, gedacht nicht der Abwehr, vielmehr der Aufnahme zur Andacht, wohl auch zum Ruhme, nicht aber dem irdischen, sondern errichtet zur Ehre des dreieinigen Gottes. Vier Kirchen also, die vom Gesichtspunkt der Baulichkeiten des Tales dasselbe fein aufzuwerten wissen, gleichsam als Schmuckstücke menschlicher Machart und also zu einem höheren Zwecke das Wolfach-Tal bereichern — erbaut in Tagen als der höhere Wert noch nicht Opfer moderner Profanität, die jenem vermeintlich Vergangenem denn auch bestenfalls einen saft- und kraftlosen Pragmatismus entgegenhält.
     Im Tal findet man noch mehr, zweierlei. Das erste, je weiter hinauf das Tal umso jünger die Kirchenbauten, die menschliche Stoßrichtung also glücklich nachzeichnend. Das andere, in gleicher Richtung, das sich stetig steigernde Zusammenspiel mit der Schönheit der Natur, den bewaldeten Hängen der langen Senke.
     Beginnt unsere Betrachtung am Ausgange des Tales, also chronologisch. Wiewohl bereits weit außerhalb der niedergelegten Stadtmauern Wolfachs, nicht wie das Städtchen an Kinzig und Wolfach zugleich, sondern nur noch an letzterem, gehört die LAURENTIUSKIRCHE noch ganz offiziell zu Wolfach selbst. Die erste der vier Kirchen, die älteste, eine landgotische Schönheit, was vor allem für den schlanken Kirchturm gilt, zählt bereits über 500 Jahre.

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Der Turm steht an der Vorderseite und verdeckt als Blickfang die weniger anziehenden An- und Umbauten aus jüngerer Zeit (nur  der Chor noch stammt wie der Turm aus spätgotischen Tagen). Wie die zahlreichen Schießscharten zeigen, lies man ihm auch wehrhafte Zwecke angedeihen.
     Ansonsten zeigt er im Aufbau, namentlich in seiner Spitze den südbadischen Grundtypus von Kirchen aus gotischer (auch romanischer) Epoche: zwei gegenüberliegende Turmseiten verjüngen sich in dreieckige Giebel, den anderen beiden also Anlass zur Ausführung eines einfachen Satteldaches gebend. Die schlichte Konsequenz dieser südbadischen Vorgehensweise: das Turmdach bleibt niedrig, der eigentliche Turmkorpus dominiert die Erscheinung (in Mittel- und Nordbaden findet man aus diesen Stilepochen dagegen hoch aufragende Zeltdächer, die optisch eine deutlich gewichtigere Rolle spielen).
     Das nächste GOTTESHAUS im Wolfacher Vorort mit dem in unserem Sinne überaus passenden Namen "Bei der Kirche" nahm sich die Laurentiuskirche zum Teil zumindest zum Vorbild. Sie wurde 1762 vom talentierten fürstenbergischen Hofarchitekten Salzmann wohl stiltypisch mit barockem Gewande überkleidet, einer ländlichen Gemeinde angemessen zurückhaltend zwar, und dennoch mit einiger Lust. Das auffälligste aber zeigt in Gestalt der Turmspitze Verwandtschaft mit der Laurentiuskirche. Hier wie dort wurden nämlich zwei Turmseiten mit Giebeln versehen, leicht geschwungen wohl, und gleichfalls mit Satteldach. Was nun für die gotische Turmspitze lokaler Standart muss im Falle der barocken Kirche als echte Eigenart verzeichnet werden. Darüber hinaus ordnen beide Kirchen als Ein-Turm-Anlagen ihren Glockenturm auf die Vorderseite.
     Einiges tiefer im Tal, im Bad Rippoldsau-Schapbacher Ortsteil Schapbach, reizvoll die östliche Talwand erklimmend, respektive ihren unteren Abschnitt und damit zu Häupten des Dorfes, ein Kirchenbau, der sich eine andere Grundform nimmt, seinerseits nun aber Kontinuität in Stilfragen sucht. Eine DOPPELTURM-ANLAGE barocker Sprache mit typischen Zwiebeldächern für die Türme, ansonsten aber als weißer Putzbau für den spielerischen Barock sehr zurückhaltend (möglicherweise aber ging auch manches durch die Restaurierung 1805-13 ab). Dennoch findet das Gebäude ohne weiteres Lob. Die Öffnungsformate nämlich wurden lebendig gesetzt und mehr noch gefallen sich die "harten" reinen Körper von Kirchenschiff und Türmen im Kontrast zur geschwungenen, weichen Natur der Talwände.

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Die letzte Kirche, am endlichen Ziele der Reise im Rippoldsau-Schapbacher Ortsteil mit dem, wie wir noch sehen werden, passenden Namen Klösterle, zeigt uns nach Gotik und Barock einen dritten, den jüngsten Stil,  Klassizismus. Distanziert sich diese WALLFAHRTS-KIRCHE auch von vorgenannter benachbarter Kirche in punkto Stil, so doch nicht in ihrer grundsätzlichen Anlage, welche ihrerseits als Doppel-Turm-Anlage wiederum das Moment der Kontinuität einbringt. Die Kirche wurde im Jahre 1829 von Weinbrenner-Schüler Christoph Arnold erbaut und zeigt — auch das ungewöhnlich genug — ein Exemplar der insgesamt nur drei Doppel-Turm-Anlagen des weinbrennerschen Klassizismus.
     Diese Originalität und auch der anderweitige gekonnte Umgang, der mit Pilastern nicht geizt und mit dem großen Rundbogen der Vorderseite eine treffliche Eingangssituation kreiert, kürt die Wallfahrtskirche zu einer der schönsten Variationen dieses Stiles. In ihrem gelben Verputz leuchtet sie warm in der sanften Wintersonne; hinter ihr ragt der Schwarzwald in die Höhe, eine Höhe, die der Vegetation nur noch Nadelbäume lässt, deren oberer Abschnitt auch noch puderzuckerartig mit Schnee bedeckt — das malerischste Bild!
     Und der Name Klösterle? Einst befand sich hier tatsächlich ein Kloster, namentlich ein Priorat, der Abtei St. Georgen gehörig. Von den Schweden im 30jährigen Krieg frech niedergebrannt, errichtete man es 1769/70 auf's Neue. Wie alle anderen Klöster Badens zu Beginn des 19. Jahrhunderts säkularisiert, was wiederum kaum Ruhmestat, überlebte das Gebäu, später durch die Doppelturm-Kirche in direktem baulichen Anschluss bereichert, bis auf den heutigen Tag. Eines der bescheidensten seiner Art, dreistöckig und fast ohne jedweden Fassadenschmuck.
     Doch kommen wir zurück zu den Kirchen selbst. Das erstaunlichste überhaupt dieser vier Kirchen des Wolfach-Tales wurde wohl bemerkt: eine blitzsaubere Kontinuität. Die erste, die Laurentiuskirche bringt den gotischen Grundtyp ins Tal, die zweite, barock, willfahrt der Stellung des Kirchturmes und ungewöhnlicher noch dem Aussehen der Turmspitze. Die dritte verlässt den Grundtyp, bleibt aber dem barocken Stil treu, und die vierte wiederum sagt dem Stil ab, nicht aber der Anlage als Doppelturm-Kirche. Hat man dergleichen schon einmal gesehen?

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Kirchen und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) örtliche Informationstafel (Wallfahrtskirche Rippoldsau)


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