Es scheint als würde der Ruhm längst vergangener Tage noch ins Heute leuchten! Namentlich die von gleich zwei Bergfrieden geprägte Gestalt der Burganlage verbreitet wie von selbst den Eindruck der Bedeutsamkeit. Zurecht! Denn obgleich uns auch diese Veste nur als Ruine überliefert, musste das Bollwerk nicht nur keine Zerstörung durch fremde Hand dulden, ja, sie hatte überhaupt keine wie auch immer geartete Eroberung zu leiden! Und das heißt freilich sehr viel!
Das Geschlecht der Windecker blühte vor allem im 13. wie 14. Jahrhundert, und die um das Jahr 1200 als Stammsitz erbaute Burg verkündete den Einfluss. Die Windecker gewannen an Macht und schließlich die Schirmvogtei über das nicht ferne Kloster Schwarzach (heute Ortsteil von Rheinmünster) — eine gewichtige offizielle Stellung. Darüber hinaus gerierte man zum Lehensträger verschiedenster Couleur, empfing die verwalteten Ländereien aus der Hand der Ebersteiner Grafen, des Straßburger Bischofs, der badischen Markgrafen, der Geroldsecker, der Lichtenberger, des Klosters Schwarzach und auch des Reiches selbst. Kurzum alles was in der Region Rang und Namen hatte befleißigte sich der Dienste der Windecker. In solch exponierter Position konnte natürlich auch Feindschaft gleichen Ranges (Straßburg und Württemberg) nicht ausbleiben und so musste man über die Jahrhunderte immer wieder Belagerungen über sich ergehen lassen. Alle aber überstand Altwindeck erfolgreich!
Dennoch ging es mit den Windeckern langsam aber sicher bergab, aus verschiedenen Gründen häuften sich Schulden — bis man schließlich ab 1429 nur noch Teilhaber an der eigenen Stammburg war. Die Familie begab sich daraufhin immer häufiger in ihren Schlosshof im in nächster Nähe gelegenen Flecken Bühl, wo sie auch ein Marktrecht besaß. Für die Burg selbst fühlte sich bald keiner der Teilhaber mehr verpflichtet, die bewährte Anlage verfiel zusehends — den Unbilden der Natur also gelang, was keine belagernde Mannschaft vermochte. Bereits ab 1561 liegt die Burg in Trümmern und — schlimmer noch — wurde nun als ein Steinbruch ausgebeutet, was vor allem den beiden Palasbauten und den Zwingermauern sehr geschadet. Bergfriede dagegen waren als Steinlieferant wenig geschätzt, zu aufwendig nämlich das Abtragen der Türme. Sie immerhin versicherten sich also weiterer Existenz. Im 15. Jahrhundert verstarben die letzten Alt-Windecker und im darauf folgenden auch die letzte Nebenlinie. Name und Burg rückten im Zuge der Burgenromantik erst wieder ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Blick.
Oberhalb von Bühl befindet sich Alt-Windeck ungefähr auf halber Strecke des sich hier deutlich in die Höhe begebenden Mittelschwarzwaldes. Vor den also schon dunklen, dumpf leuchtenden Hängen lässt sich die Burg aus der Ferne nur schwer gewahren — ganz im Gegensatz übrigens zur benachbarten Gipfel-bekrönenden Yburg.
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Umso majestätischer dagegen die Ruine aus der Nähe, vor allem dank besagter ZWEI BERGFRIEDE. Dicht beieinander vollenden sie eine reizvolle Höhenstaffelung der Anlage. Letztere im Werte einer eingehenden Betrachtung, denn obgleich die alte Burg viel Steinabtrag litt, kann man ihren Grundzug noch leicht entdecken: untere ZWINGERMAUER und — besser erhalten — die obere, sich deutlich über erstere erhebende zweite Befestigungsmauer: die RINGMAUER; dann, gleichsam den Übergang zu den Bergfrieden gestaltend, je ein erhaltener Giebel der ZWEI PALASBAUTEN; endlich die beiden mächtigen Türme, wobei der östliche weitere Meter über seinen westlichen Kompagnon gewinnt. Es ist jenes höhenversetzte lebendige Spiel der nackten Massen und reinen Körper, der Gegensatz zwischen den kantigen Türmen und den runden Umfassungsmauern, das den Blick des Betrachters zu gewinnen weiß. Vor dem Hintergrund schließlich eines weiten Ausblicks in die zu Füssen liegende Rheinebene eine ergreifende Komposition.
Auch die Begehung der Anlage findet reichliche Belohnung. Die leicht ablesbaren Steinquader der aus grau-gelbem Sandstein gemauerten Bergfriede und Palasgiebel fallen ins Auge. Auch erhascht man einige letzte Details in Gestalt von Öffnungsrahmungen, welche allesamt dem ruhigen romanischen Rundbogen gewidmet; erwähneswert vor allem die Dreiergruppe schlitzartiger Fenster des dem östlichen Bergfried angelehnten Palas'. Die noch zu gewahrenden Partien entstammen weitgehend den Tagen der Burggründung, also dem 13. Jahrhundert, romanischer Zeit.
Auch die räumliche Wirkung erheischt Lob, insbesondere in der Mitte zwischen den beiden Türmen, die hier lustig jeweils einen Palas-Giebel gleich einem Schild vor sich halten — rechts und links und in nächster Nähe ragen also ihre Mauern in die Höhe und vor sich, über die obere Ringmauer hinweg, der reizvollste Blick auf den der südlichen Rheinebene vermittels Hügellandschaft einströmenden Schwarzwald. Jene Aussicht durchaus eine Vorstufe der sich dann vom östlichen Bergfried vollendenden. Während der westliche, niedrigere Turm entkernt ist, was sich im übrigen, da immerhin betretbar, sehr reizvoll ausnimmt (die Enge der Mauern und die weit entfernte obere Öffnung erbringen den schauderhaften Eindruck tiefster Kerkerexistenz) kann man den östliche Bergfried nämlich ersteigen. Dessen Inneres überrascht durch eine gewisse Großzügigkeit und mehr noch durch ein weit gespanntes Tonnengewölbe im obersten Stockwerk, welches als eine echte Seltenheit den obersten Boden abträgt. Letzterer dann wie ehedem eine ausgezeichnete Plattform bestimmt dem Ausblicke.
Sie ward auch Anlass meines letzten Besuches, die Weite der Rheinebene bei Sonnenuntergang zu betrachten. Eine Szenerie, wie man sie schöner kaum denken könnte. Der Himmel in allen Rot- und Gelbtönen, zunehmend sich im blauen Dunkel der herannahenden Nacht verlierend. Gerade soviel Wolken, um den Reiz des Farbübergangs durch "gezielte" Zäsuren nur zu steigern. Während der Schwarzwald im Rücken noch einige Zeit vom Sonnenlicht profitiert und seinerseits bei dunklem Grundtone die Farbskala nuanciert, sind die Vogesen und Teile des Pfälzer Waldes nur noch schwarze Kontur und glücklichster Kontrast zum Rot des Himmels, bald verwischend mit der Rheinebene. Einige Zeit schon vor dem großen Finale hatte sich die gleichfalls im Schatten liegende "Stecknadel" des Straßburger Münsters vor dem Dunkel der Vogesen verloren.
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Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ruine und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website www.burgtour.de
4) örtliche Informationstafel
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