Kurz vor Freiburg durchs lustige Glottertal, endlich im Hochschwarzwald beträchtliche Höhe gewinnend, kommt das alte Benediktiner-Kloster Sankt Peter im nach der Abtei benannten Ort in Sicht. Stelle man sich das einstmals bedeutende Kloster aber keinesfalls von hohen Bergen umringt vor, obgleich tief im Schwarzwald nämlich steht es in ruhiger, grüner Hügellandschaft, auf einem Hochplateau also. Dem Reiz der Umgebung leistet das freilich keinen Eintrag, mächtiges Gebirg' war ja auf dem Wege genug zu bestaunen, weshalb auch das innere Maß genau zu verstehen gibt, dass man nicht in beliebiger Hügellandschaft, sondern auf einem Plateau im Hochschwarzwald.
Die Abtei musste in über 700 Jahren ihres Bestehens viel dulden, was leider für Klöster nicht ungewöhnlich. Dennoch stieg sie auf zu einer der bedeutendsten Abteien im Territorium des späteren Baden. Das Großherzogtum, durch die Verbandelung mit Napoleon in arge Finanznot geraten, freilich war den vielen in seinen Machtbereich geratenen Klöstern nicht freundlich gesinnt. Allesamt nämlich wurden aufgehoben, die Besitzungen einkassiert, auch um die prekäre finanzielle Situation aufzubessern.
Alleine Sankt Peter, genau wie die noch einflussreichere Abtei Sankt Blasien, durften kurze Zeit noch hoffen als einzige Abteien der Säkularisation zu entfliehen. Der Großherzog, die beiden Äbte in Karlsruhe ehrenvoll empfangend, unterbreitete persönlich das entsprechende Angebot, welches allerdings für Sankt Peter mit schwerem Kreuz verbunden: Sankt Blasien als Hauptstätte, Sankt Peter nur noch eine Art Dependenz! Für den Abt eine Brüskierung, ob zurecht oder zu unrecht sei dahingestellt — die bald darauf nämlich durchgesetzte Alternative war nirgendwo schmeichelhafter. Man warf den Abteien fehlende Kompromissbereitschaft vor und löste kurzerhand beide auf! Sankt Peter und Sankt Blasien, unter den großen und einflussreichen die letzten zu Grabe getragenen. Und es ist wohl wahr, der Willen zur Einigung fehlte, keineswegs aber nur von Seiten der Geistlichen!
Man vermeint in den ungefähr drei Jahren, die die zwei Abteien länger durchhielten als die Leidensgenossen, ein entscheidendes Faktum für den Gebäudeerhalt zu sehen. Während die anderen Klöster nämlich recht bald durch Abriss oder Verfall zu leiden hatten, blieben Sankt Peter und Sankt Blasien bis auf den heutigen Tag in bestem Zustand, wie von selbst ihre einstige Bedeutung unterstreichend.
Sankt Peter also darf noch als ein intaktes Klosterareal bewundert werden. Und an Bewunderung kommt man nicht umhin, denn nicht nur die Umgebung der sanft aufgewallten Hügel, harmonisch gedeckt von Wiesen und Wäldern, umschmeichelt das Auge, nicht weniger nämlich die Schönheit der erhaben situierten, rein barocken Anlage.
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Eine anmutige Gesamtansicht bietet die Südost-Seite. Die leicht ansteigende Topographie, wie auch die Himmelsrichtung stellen hier die Klostergebäude bestens in Szene. Erst die Klostermauer, darüber ein Längsflügel des Konventbaues, dann die Zwiebeldächer der beiden Kirchtürme. Der KONVENTBAU, wie — mit Ausnahme der prächtigen Klosterkirche — alle Klosterbauten zeigt wohl den für seinen Ornamentreichtum bekannten Barockstil, jedoch in sehr zurückhaltender Ausführung. Entsprechend gewinnt diese Ansicht durch Betonung der Mittel- und Eckpartien, welche nach vorne geschoben und mit jeweils erhöhtem Mansarddach. Der Fassadenschmuck gibt sich ausgesprochen bescheiden, bringt nur stiltypische Fensterrahmungen; Gesimsbänder und Eckbetonungen sind bereits "nur noch" aufgemalt. Sankt Peter, und das gilt generell für die Badens Benediktiner, konzentrierte allen formalen und damit finanziellen Aufwand auf das jeweilige Gotteshaus, dem natürlich wichtigsten Bestandteil der gerne weitläufigen Klosteranlagen. Alle anderen Gebäude mussten sich mehr oder weniger zurücknehmen.
Umrundet man das Kloster im Uhrzeigersinn, so lässt der begonnene Reiz kaum nach. Man trifft auf einen schönen Platz, der das Äußere des KLOSTERHOFES und wiederum die nun näheren Turmspitzen in den Blick nimmt. Ein TORGEBÄUDE, das schönste in der langen Reihe ehemaliger Wirtschaftsgebäude (welche im 19./20. Jahrhundert stark verändert wurden), lädt billig zum Durchgang ein. Hat man dasselbe passiert, so kommt man um's Staunen kaum umhin. Hier nämlich — und das mit einem Male — zeigt sich Sankt Peter von seiner trefflichsten Seite; ein Bild, welches zweifellos unter den schönsten in ganz Baden! Man trifft auf die Vorderseite des eigentlichen Klosters, entsprechenden Aufwand betrieben die Erbauer. Rechts wiederum ein Flügel des Konventgebäudes, zurückhaltend wie jener schon gesichtete, aber doch mit prächtigem Eingang. Zwei korinthische Säulen, zurückgestaffelt in Pilaster, einen schmalen Balken tragend zeichnen ihn aus. Dennoch verweilt der Blick auch hier nicht lange, alles nämlich wird von der dynamisch emporstrebenden Kirche gefangen genommen: eine DOPPEL-TURM-ANLAGE aus rotem Sandstein (erbaut 1727). Auch sie lässt in puncto Fassadenschmuck Maß walten, was aber diesem barocken Prunkstück keinerlei Schaden — so darf sie zu den gelungensten barocken Kirchen Badens gezählt werden.
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Ihr größter Trumpf gewiss die Monumentalität der Ausstrahlung. Die beiden Türme nämlich stehen leicht nach vorne gerückt auf der Eingangsseite, nehmen die eigentliche Eingangsfassade zwischen sich und machen sie entsprechend schmal. Nun also findet man auf der ohnehin kurzen Querseite gleich drei hohe vertikale Partien, dazu noch die Dominanz der senkrechten Fassadenglieder (auch ihre Dynamik in die Höhe), und vollendet ist der monumentale Gedanke. Dann aber ward ausreichend Fassadenschmuck arrangiert, die Härte der Geste wieder abzumildern, weshalb der Entwurf der Monumentalität ein glanzvoller und nirgendwo ein niederdrückender.
Der Baumeister war ein Könner, das steht bereits nach kurzem Blick außer Frage, und so nimmt es nicht Wunder einen berühmten Namen zu hören: Peter Thumb, ein wichtiger Vertreter der Vorarlberger Schule. Jener berühmten Schule nun gelang nicht nur die formale Befreiung vom lange Zeit übermächtigen italienischen Vorbild, sondern ab 1700 auch die Verbreitung in ganz Süddeutschland und der Schweiz. Beliebte Auftraggeber neben den Prämonstratensern, die Benediktiner wie unsere zu Sankt Peter. Weitere Spuren hinterließen die Vorarlberger in den Abteien Gengenbach, Schuttern, Ettenheimmünster, Schwarzach, Sankt Trudpert und im uns frappantesten Fall bei den Benediktinerinnen in Frauenalb (nahe Ettlingen). Auch hier nämlich ward wiederum Peter Thumb involviert, gleichfalls für die Klosterkirche. Man möchte es wohl kaum glauben, aber hier wie dort schuf er beinahe identische Eingangsfassaden, unterschieden lediglich durch höheren Verputz-Einsatz in Frauenalb — ein einmaliger Vorgang im Kirchenbau. Will man solche Vorgehensweise zunächst auch ablehnen, so bedenke man die große Schönheit jenes monumentalen Schemas und die große Entfernung der beiden Klöster, die eine Gesamtschau selbst im Geiste schwer macht. Zuletzt außerdem besitzt dieses Vorgehen, im Kirchenbau zumindest, größten Seltenheitswert, auf seine freilich merkwürdige Weise wiederum Originalität.
Die Aufwertung der betrachteten Seite gelingt vor allem durch die Eingangsfassade. Dreigeschossig zeigt sie Pilaster, welche von Stockwerk zu Stockwerk von edlerer Ordnung (dorisch-ionisch-korinthisch), am Kopfe einen geschwungenen Giebel; außerdem drei Nischen mit Statuen im obersten Geschoss. An den Türmen gefallen vor allem die klare Separierung des Glockengeschosses und die formenfreudigen Zwiebeldächer (Welsche Hauben).
Die anderen Kirchenseiten sind wiederum nüchternen Aussehens. Das Innenleben dagegen zeigt den uns bekannten Überschwang des barocken Formenreichtums — die Sinne verwirrend, dem Gewohnten entrückend, den Gewillten zugänglich machend für höheres, am Ende für höchstes.
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Jene überbordende, ornamentsstrotzende Pracht ist zunächst natürlich Glaubensausdruck des 18. Jahrhunderts, dann aber auch mit historischem Hintergrund. Die Kirche nämlich wurde Grablege des Klostergründers und Stätte seines Erbbegräbnisses. 1090 lies Herzog Bertold II. von Zähringen Sankt Peter als sein Hauskloster erbauen. Wie er hier letzte Ruhe fanden, so seine Nachfolger bis zum Aussterben der Zähringer im Jahre 1218. Auch Herzog Bertold III., der Gründer Freiburgs, ward in der Familiengruft bestattet.
Ergänze ich an dieser Stelle die Historie Sankt Peters. 1526 kam die Abtei unter österreichische Oberhoheit — zu diesem Zeitpunkt war die Abtei bereits zweimal niedergebrannt. Weitere Drangsale folgten. 1644 (30jähiger Krieg) nämlich fanden Kaiserliche und Schweden keinen geeigneteren Kampfplatz als das friedliche Sankt Peter. Das Kloster ging hierbei ab. Das Wiederaufgebaute dann 1678 im holländisch-französischen Krieg. 1690 im Pfälzischen Erbfolgekrieg dagegen "nur" eine Plünderung durch des Sonnenkönigs Truppen. 1713 die nächste Plünderung. Dann 1744 — man ahnt es schon — erneutes Plündern durch französische Truppen. Diese Leidenshistorie im übrigen ist ohne weiteres exemplarisch für die Abteien im Raume des späteren Baden, dessen Ortschaften vor allem durch die Grenznähe zu Frankreich immer wieder (und durchaus von Freund wie Feind) aufgerieben. Die Abteien, grundsätzlich unbefestigt, waren dabei ob ihrer Wehrlosigkeit besonders leichtes Opfer.
1806 dann die Säkularisation. Nachdem man die Mönche gebieterisch ihrer Lebensweise entsetzt hatte, stand nun das Schicksal des Gebäudebestandes Sankt Peters auf des Messers Schneide — würde man auch hier versuchen eine Manufaktur zu etablieren, wie in vielen anderen Klöstern zuvor (und immer erfolglos!), oder einem "einfachen" Verfall preisgeben? Erst 1842 die Rettung, als nämlich die Erzdiözese Freiburg ihr Priesterseminar in die Klostergebäude verlegte — nicht nur Rettung, auch eine glückliche Nutzung für ein Kloster.
Die Rettung hatte Bestand, bis auf den heutigen Tag. Mag dieser Umstand auch bedeuten, dass das Kloster zumeist nur von außen zu besichtigen (was nicht für die Kirche gilt, die beliebt zur Wallfahrt) — die Pforten öffnen sich nur zu bestimmten Zeiten, nicht aber am Tage meines Besuches. Jene Trauer aber wird von der Freude über den wunderbaren Erhalt der Anlage — die zu manch anderem klösterlichem Beispiel (Allerheiligen und Ettenheimmünster vor allem) in leuchtendem Kontrast steht — denn doch mehr als deutlich überboten.
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Quellen 1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Kloster und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage www.st-peter-schwarzwald.de
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