Baukunst in Baden
  Ettenheimmünster (Abtei)
 

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Den straßburgischen Klöstern spielte der ohne Schwertstreich erobernde badische Staat besonders übel mit. Beide nämlich, die Abtei Allerheiligen wie jene zu Ettenheimmünster waren kaum zwei Jahrzehnte nach ihrer Aufhebung, dem ach so tapferen, dem ach so aufgeklärt-toleranten Verscheuchen der Mönche regelrechte Wüsteneien geworden! Unter der Hand des Straßburger Fürstbischofs gediehen beide bis zuletzt, bis 1803 eben, als Baden durch Napoleons Gnaden über die alten markgräflichen Grenzen schwappte und die beiden Abteien förmlich ersäufte.
     Ettenheimmünster, wie der Name schon vermuten lässt, nahe der Stadt Ettenheim, war zu diesem Zeitpunkt eine typische Abtei der Benediktiner. Alle künstlerischen und damit auch die finanziellen Mittel galten der prachtvollen Klosterkirche, alle anderen Bauten dagegen nahmen sich wohl auch barock aus, jedoch unter nüchternem und sparsamen Taktstock. Ansehnlich aber fand man die um zwei abgeschiedene Innenhöfe gruppierte Anlage, im wesentlichen ein großer Konventbau, allemal; zum einen weil die Pracht der Kirche ausstrahlte, will heißen die Schlichtheit der ergänzenden Partien, welche ja keineswegs hässlich, deutlich aufwertete; und zweitens ob der reizenden landschaftlichen Einbettung in einem von noch nicht allzu hohen Schwarzwaldwänden gesäumten Tal. Wenn man sich vor seinem geistigen Auge ausmalt, wie einst die große Anlage, im Tale erhaben und in sich ruhend den effektvollsten Kontrapunkt zur weichen, grünen Bergwelt ausbildete, so möchte es mir zumindest auch aus den leiblichen Augen tränen.
     Die Markgrafschaft, auf dem Wege zum Kurfürstentum (dann zum Großherzogtum), angestachelt von napoleonischen Vorstellungen, trat diesem Bilde energisch entgegen. Wie so gerne ausgerufen: man kam, sah und siegte — auf ganzer Linie, als ginge es gegen den schlimmsten Feind. Die Abtei jedenfalls, deren Wurzeln vermutlich bis ins achte Jahrhundert zurückreichen, als von Baden noch auf viele Jahrhunderte keine Sicht, verschwand binnen zweier Jahrzehnte beinahe ins Nichts. Die profanen Klosterbauten verfielen in atemberaubender Geschwindigkeit, beinahe als hätten alleine die frommen Gebete Dachstuhl  und  Mörtelfuge  zusammengehalten.

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Die Mönche waren vertrieben, das Inventar verschachert, die Bibliothek frech geraubt. Dergleichen Peinlichkeiten hatte man sich von der Französischen Revolution abgeguckt — wohl galten dort Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, aber denn doch nur für Gleichgesinnte (obwohl man auch vor denen bald keinen Halt mehr machte); und wehe den anderen — blanker Terror —  wie leicht ward doch für jene die Guillotine aufgestellt, frecher Raub und gefeierte Zerstörungen (z.B. die Abtei Cluny) noch das mindeste; und Napoleon brachte solche "Befreiung" dann über ganz Europa — man fand aus dem Zählen der Toten, der von den unaufhörlichen Kriegen gezeugten bitteren Armut kaum noch heraus.
     Sodann schien das Gemäuer keine Lust mehr zu haben. Am Ende (1828) wurden die Reste wie üblich auf Abriss versteigert. 20 Jahre später hatten die Profanbauten ihre Existenz beinahe rückstandslos ausgehaucht. Nicht weniger schlimm, dass auch die Klosterkirche ihr prachtvollstes Bauteil verlor, den überaus ansehnlichen Turm, welcher entfernt zumindest an jenen der nur wenige Kilometer entfernten Abtei Schuttern erinnerte. Dieses im übrigen kein Zufall, denn für beide zeichnete sich der überaus talentvolle Peter Thumb verantwortlich, ein Vertreter der in Süddeutschland fruchtbar wirkenden Vorarlberger Schule. Thumb im übrigen, Lieblingsbaumeister der von Baden aufgelösten Benediktiner-Abteien schuf in Ettenheimmünster auch den großen Konventbau und weitere Nebengebäude.
     Die arme Kirche immerhin, hilflos zwischen allem Ungemach hervorlugend, hatte einen Rettungsanker, ihre Funktion nämlich als Ort der Wallfahrt. Das aber galt auch nur für das Langhaus mit kaum wahrnehmbarer Vierung, der Turm dagegen, wie dargelegt, ging auch ab — er fand wohl 1855/56 noch Ersatz, jedoch in deutlich abgespeckter Version. Das einzige also, was vom alten Klosterkomplex noch zu bewundern, bringt das Schiff der Wallfahrtskirche Sankt Landelin (zwei denn doch erhaltene Nebengebäude sind im Grunde keiner Erwähnung wert — das erste beherbergt heute ein kleines Pfarrhaus, das andere wurde zur Unkenntlichkeit umgebaut). Die Wallfahrt übrigens kann gleichfalls auf viele Jahrhunderte Tradition zurückblicken, mindestens bis zum Jahre 1183. Sie gilt neben der Verehrung des Heiligen, der dort bis zum heutigen Tag entspringenden Quelle, welche genau dort ihren Ausgang genommen haben soll, wo Landelin im Jahr 640 durch heidnische Hand den Märtyrertod fand.

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Dem Kirchenbau galt meine ganze Dankbarkeit, entrückte er mich am Ende doch der unseligen Geschichte der Abtei, seiner Schönheit wegen. Ein gediegene Schönheit, zumeist zurückhaltend, dann wieder prachtvoll. Das Langhaus nämlich zeigt einerseits schmucklose, hohe Rundbogen-öffnungen, gleich einem ruhigen Hintergrund, auf welchen andererseits prachtvolle Partien abgebildet werden. Hierzu zählt die Querseite mit Haupteingang und die beiden gleich ausgebildeten Giebelfassaden der angedeuteten Vierung. Die drei Partien zeigen geschweifte Giebel und Pilaster-Verkleidung; auch fehlt es den verputzten Fassaden nicht an Schmuck, worunter überaus prächtig die Eingänge, ausgeziert im Stil des Rokoko.
     Den Turm dagegen möchte man in diesem Zusammenhang kaum loben; schwächlich barockisiert, kann er mit seinem Vorgänger keinesfalls mithalten — schlicht und diszipliniert zeigt er im Fassadenaufbau wenigstens eine Kontinuität zum zurückhaltenden "Hintergrund" des Langhauses. Von Nachteil für die Gesamtschau vor allem seine zu schlanke Proportion.
     Im Besonderen erwähnenswert auch die kleine Quellen-Überdeckung, welche direkt an die Querseite des Haupteinganges geschoben. Wie eine kleine Vorhalle wirkend, darf sie als wichtige Belebung gelten — als Belebung der ohne sie zu glatten, zu wenig plastischen Hauptseite.
     Eine Kirche ganz anderen Typs, findet man auf dem Wege zu Sankt Landelin, welchen man im Regelfall von Ettenheim aus nimmt. Im Dorf Münchweier nämlich strebt weiß bleckend eine klassizistische Kirche zwischen Fachwerkhäusern in die Höhe. Die Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz, erbaut 1828-29, zeigt den typischen, kraftvollen Weinbrennerstil. Beinahe ganz auf Fassadenschmuck verzichtend, beruft sie sich auf die Wirkung, die Monumentalität unverstellter Baukörper. Ausgesprochen reizvoll entspinnen ihre leeren Flächen Kontrast zur Feingliedrigkeit der umgebenden barocken Fachwerkhäuser.
     Nur wenige Kilometer voneinander entfernt lassen sich also zwei Vorzeigeexemplare der Stilepochen Barock und Klassizismus trefflich vergleichen. Was dem einen der Gebäudeschmuck ist dem anderen die bildhafte Anordnung der Öffnungen. Monumental und ausdrucksstark aber sind beide. Sie entstammen Tagen als Bauen noch der Baukunst verpflichtet war (und nicht nur der Funktionalität).

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Kloster und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website  www.la-bw.de/kloester-bw
4) örtliche Informationstafel

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