Schloss Neuweier, am Ortseingang des Weindorfes gleichen Namens, befindet sich zu Füssen der Yburg (freilich noch zahlreiche Höhenmeter entfernt) inmitten der Landschaft des sogenannten Reblandes. Über den also dem Weinanbau gewidmeten Hügeln hebt sich der Mittelschwarzwald bereits in Höhen von über 1000 Meter — heute allerdings ist davon nichts zu sehen. Die Witterung hatte das Schloss mit Puderzucker gedeckt und die umgebenden Berge in dichten Nebel geführt. So lag das Gebäu reizvoll gleich einem verwunschenen Märchenschloss. Die lieben Unbilden des Wetters vollendeten nur was an märchenhaftem bereits vorhanden: eine lustige Vermischung der Baustile.
Das Schloss, begonnen als kleine Wasserburg, litt zahlreiche Zerstörungen, fand jedoch in seinen Besitzern einen schier unbezwingbaren Willen zum Wiederaufbau. Jeder Neustart nun, er wurde im jeweiligen Stil der Zeit vollbracht. Und so finden sich Gotik, Renaissance und Barock; dem nicht genug ein Anbau in der Art der Neo-Renaissance und — glücklich versteckt — ein modernistischer Eingriff.
Das lebendige Miteinander ist gar fein anzusehen, umso mehr als der monumentalen Eingangsseite auch der wehrhafte Charakter noch verblieb. Rechts und links zwei runde Ecktürme, mittig das gedrängte Arrangement des Eingangs. Von einem barocken Dreiecksgiebel markiert, wird das Tor durch einen gotischen Spitzbogen geführt, darüber zu weiterer Zierde ein Renaissance-Erker. Eklektizismus auf engstem Raume — historisch gewachsen, also "echt" und damit umso wertvoller. Wie in alten Zeiten kann das Tor nur über eine Brücke betreten werden. Letztere entstammt unseren Tagen und darf neben blanker Funktionalität immerhin als Interpretation des historischen Themas gelten. Schön anzusehen von hier aus der ehemalige Burggraben. Man hat ihm zwar die Tiefe genommen, dafür aber landschaftlich arrangiert — ein Burggraben, der noch gut nachzuvollziehen, auch das von nicht geringem Wert.
Neben der wehrhaften Eingangsseite, als der schönsten Partie des Schlosses, heimst auch die der Ortsstraße zugewandte Fassade leicht das Lob ein. Links wiederum ein runder Eckturm und rechts, deutlich breiter, der Anbau in Machart deutscher Neo-Renaissance. Letzterer ein Erker aus rotem Sandstein, der gut zur weißen Fassade kontrastiert; und der Rundturm (man muss schon genauer hinschauen) lustig mit einer letzten Schießscharte. Dazwischen aber der ruhige fünfachsige Hauptbau.
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Ein Traufgesimse zieht sich zusammenfassend über die beschriebenen Schlosspartien, das lebendige Spiel der Dächer harmonisierend. Neben der gleichfalls einbindenden Putzfassade bringt das Dach die verschiedenen Stile "unter einen Hut". Aber da ist noch mehr: die verschiedenen Stile, allesamt entstanden im Geiste der Baukunst, treten friedfertig, sich gegenseitig ergänzend zueinander — alles wirkt letztlich wie aus einem Guss. Jeder Stil setzte wohl neue Akzente, ging jedoch dank der Vermittlung des Geistes der Baukunst (dem Anspruch nach einem gefälligen, eben kunstvollen Ausdruck) ganz von alleine im Einklang mit den stilistischen Bemühungen der Vorgänger.
Jede Zeit suchte nach ihrem speziellen Ausdruck, jede aber, mit Ausnahme des rohesten Mittelalters, wurde von einem kontinuierlichen Willen durchzogen, dem Wunsch nach künstlerischer Durchformung. Das nun ist ganz generell der höhere Wert des Bauens, sozusagen seine transzendente Seite, die weit über blanke Funktionalität hinausweist. Das kleine Schloss Neuweier ein treffliches Beispiel. Aber der Mensch des 20./21. Jahrhunderts, hat er nicht seinen höheren Wert, seine transzendente Seite (den Bezug auf die wert- und sinnstiftende Gottheit) verloren? Das Bauen bildet immer und überall den gesellschaftlichen Hintergrund ab: so ist dem modernen Menschen ohne höheren Wert das Bauen ohne höheren Wert adäquat. Und freilich ein Narr, wer das eine wie das andere als Schaden erachtet! Oder nicht?
Quellen 1) das Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Schloss und Landschaft
2) Website www.bad-bad.de
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