Baukunst in Baden
  Burg Menzingen
 
 

Der strahlend blaue November-Himmel in allen Nuancen seiner Farbleiter, die milde herbstliche Sonne tauchte alles in goldenes Licht, das gelbe, rötliche Gesträuch und letztes Blattwerk allzumal. Ich tastete mich den Graben hinunter, schob dichtes, widerspenstiges Geäst beiseite, blickte auf und ... und trat ein in einen Rausch der Farben, ja eine Verzückung der Sinne. Die Ruinen des Wasserschlosses, namentlich die runden Ecktürmen, gemauert wie aus Gold. Überall Geäst, Schilf und kahle Bäume ihre letzten Blätter vorschützend, getaucht wie das Gemäuer in fesselndes Licht. Die Sinne wissen nicht wohin, aufgereizt und beruhigt zugleich durch das wunderbarste Blau, spielend zwischen hell und dunkel, das Blau des Himmels, hoch über mir und zugleich zu Füßen, gespiegelt im Wasser. Auch wirft das Gewässer die Farben der Türme, des Pflanzenwerks wider. Das Bild, Konturen verschmähend, alles vermischt alleine dem Farbreize ergeben, ist ein doppeltes. Das Blau und Gelb, wiewohl milde und ruhig, rufen den Farbkontrast herbei und dennoch, sich vermischend, sich versöhnend, vertreiben sie ihn sogleich; so vereint wählen sie eine Harmonie. Das Bild rührt Auge und Herz, verwirrt mit seinen Reizen, eine Faszination gedankenvertreibend, am Ende beinahe zuviel.
     Langsam nur verschafft sich die Analyse ihre Rechte, zurückgeworfen immer wieder auf`s neue vom Wirbel der gegensätzlichen Farben. Ein altes Wasserschloss, vier Ecktürme, stark ruinös und dennoch wie reizvoll — betrachte ich es selbst oder nur sein Spiegelbild im Wasser? — gotisch wohl, auch der Renaissance verpflichtet — wie verwunschen lugen die Mauern aus dem dichten Schilf, wo hört die Mauer auf, fängt der Schilf an? — am Fassadengerippe zähle ich zwei Geschosse, oder drei ... wieder fließen Menschen- und Naturwerk ineinander — drei Gebäudeflügel aber lassen sich wohl ausmachen, sie umschließen einen Hof — aber wo fängt er an, wo schließt er? Wieder sacken die Mauern in den hohen Schilf, außerdem steht mir die Sonne im Gesicht — weiter balancierend am umlaufenden Wassergraben, ist's ein Pfad oder nicht? — dann die Eingansseite, endlich Klarheit, der Hauptflügel, dreigeschossig, aufgespannt zwischen zwei Rundtürmen, Renaissance-Fenstergewände in Menge und dazu ein prachtvolles Wappen über dem rundbogigen Tor — vor allem aber welch' Gebilde, versteckt in dichtem Gewächs — getrennt oder geschützt durch breiten Wassergraben? — wie ein Traumgebilde nicht zu greifen — ja, entsprungen einem Traume, einem Kindertraume wohl, Zeugnis einer fernen Märchenwelt —  ja, der Gedanke gefällt mir.
     Das Schauspiel, wie es scheint, mit Freuden zelebriert, erzählt doch von einem traurigen Schicksale; nicht Trauer trägt es, auch tiefes Staunen, ein Verzweifeln, schließlich Ärger und Resignation. Lesen Sie selbst.
     Das Schloss, zunächst einfache Tiefburg, tritt ab 1359 aus dem Dunkel der Geschichte; ein gotisches Gebäu, rechteckig, zwei Rundtürme. Die kleine Burg kann der rebellischen Bauernrotte keineswegs widerstehen, 1525 während des Bauernkrieges sinkt sie unter Flammen in Trümmer.
     Dort wäre sie wohl verblieben, hätte sie nicht im Burgherrn Peter von Mentzingen um einen entschlossenen Fürsprecher gewusst. Zunächst aber focht er gegen die immer weiter westwärts dringenden Osmanen, für seine und des Kaisers Ehre, am Ende um den eigenen Hals zu retten. Dreifach erfolgreich schlug ihn der Kaiser zum Ritter — nicht weniger hilfreich die damit wohl verbundene Geldsumme, groß genug um an den Wiederaufbau seines Schlosses zu denken. 

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Der Bauernaufstand ward schlussendlich niedergeschlagen und, der Zufall trieb Spielchen, unter den Aufrührern fand man einen jungen, begabten Steinmetz, der prompt zu 10 Jahren Fronarbeit bestraft. Das Schloss, schöner denn je, erstand neu, stolz den Stil der Zeit zeigend, die Renaissance. Unter der Leitung des Steinmetz' erspross die heute sichtbare dreiflügelige Anlage, einen Hof u-förmig umschließend, bestückt an den vier äußeren Ecken mit Rundtürmen. Der Steinmetz verteilte munter sein Zeichen in die von ihm behauenen Steine, was damals üblich — unüblich dagegen in einer versteckten Fensternische das Revolutionssymbol nebst seinem Zeichen; im Geiste also blieb unser Steinmetz aufständisch. Zu befürchten hatte er nichts, das Bekenntnis nämlich, bestimmt vor allem für die Nachwelt, ward schnell überputzt.
     1532 sah das nunmehr prächtige Schloss seine Fertigstellung. Damit hatte es dem Schicksale seine Schuldigkeit erst einmal geleistet. Denn wo in den folgenden Jahrhunderten Burg auf Burg, Schloss auf Schloss, die mittelalterlichen allzumal, der Zerstörung vor allem des 17. Jahrhunderts (30jähriger und Pfälzischer Erbfolgekrieg) zum Opfer fielen, oder im 18. Jahrhundert zumeist wenig glücklich barockisiert wurden (Aufschüttung der Gräben, Niederlegung der Wehrmauern, etc), oder wann auch immer durch Blitzschlag, sonstiges Feuer oder schlichte Aufgabe in Verfall gerieten, stand das Menzinger Schloss brav und unerschütterlich. Wohl war es ab dem 17. Jahrhundert nicht mehr Hauptsitz der Nachkommenschaft, stand im 18. Jahrhundert auch einige Dekaden leer, litt schließlich doch gewisse Umbauten, und dennoch bis weit ins 20. Jahrhundert (!) blieb, was 1532 debütierte, ein Wasserschloss der Renaissance — eine unbezahlbare, einzige Kostbarkeit. Solcher Ruhm machte das Schloss, wiewohl samt seines kleinen Dorfes Menzingen immer noch abgelegen genug, weit über die Region bekannt.
     Wer weiß um die nun folgende Geschichte nicht: in den 1930ern greift personifiziertes Ungemach nach Deutschlands Macht (was dabei kaum jemand noch weiß: demokratisch legitim und die Weimarer Eigenheiten — System und Politiker — billig als Steigbügelhalter nutzend), bald schon die arme Nation in den Untergang treibend, das noch ärmere Europa im Würgegriff. Die alliierten Kräften schlugen entschlossen zurück, der Luftraum über Deutschland längst in ihrer Hand. In den Städte mehr und mehr Panik, immer häufiger nämlich warfen die alliierten Bomber ihre zerstörerische Fracht ab. Man reagierte, auch im von Menzingen nicht allzu fernen Heidelberg, brachte zwei wertvolle Sammlungen (Uhren und Münzen) aus dem Kurpfälzischen Museum in das Menzinger Schloss, das ob der geringen Größe des Dorfes und strategischer Bedeutungslosigkeit keinen Luftangriff fürchten musste.
     Das kluge Kalkül ging auf — lange Zeit jedenfalls. Wenige Tage nur noch bis zur längst fälligen Kapitulation, da geschah das "Unmögliche". Das Schlösschen wurde tatsächlich noch mit Bomben bedacht, aus heiterem Himmel, und überdies, das kleine Gebäude zu treffen war Kunst genug, besser Zufall genug! Die wertvollen Sammlungen, vor allem die Uhren, waren natürlich auch hinüber — bedenke man ebenso diese Tragik: Heidelberg nämlich blieb verschont.
     Das kleine, feine Schloss überstand also mehr als 500 Jahre, was von bedeutender Seltenheit, um dann zu größtmöglicher Seltenheit überhaupt aufzusteigen, nämlich als wohl einziges mittelalterliches Wasserschloss im Zweiten Weltkrieg — dazu noch völlig nutzlos — unterzugehen! Welch' Ruhm, freilich welch' trauriger Ruhm!
     Seither mühte man sich sehr um die Ruine, wobei vieles ehrenamtlich vollzogen. Begehbar ist sie leider trotzdem nicht. Aber das soll nicht weiter kümmern; das äußere Bild nämlich, das Bild eines unglücklichen, verwunschenen Schlosses hat nie besser gepasst!

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Ruine und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website  www.burgen-web.de



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