Baukunst in Baden
  Bauschlott
 

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Gewiss, der Name klingt nur wenig vorteilhaft — Bauschlott — doch dahinter verbirgt sich ein ohne weiteres schön zu nennender Ort. Bemerkt man nun, dass es sich bei Bauschlott um ein Dorfe handelt, so tritt zum Schönen das Ungewöhnliche, denn der ansehnlichen Dorfgebilde besitzt das Badische spätestens seit den 1980er Jahren nur noch sehr wenige.
     Dabei ist die Grundstruktur Bauschlotts denkbar einfach und kaum dazu angetan a priori Schönheit zu gerieren: ein langer und breiter, ein rechteckiger DORFANGER, der zu beiden Seiten nüchtern ein Haus ans Nächste reiht. Nun aber zücken die Bauschlotter ihre erste Trumpfkarte: einen beinahe ungetrübten Fachwerkbestand. Tatsächlich gehört das Dorf, das im übrigen bereits um 1071 das erste Mal genannt (Lorscher Codex), zu den letzten Dörfern, die einen nur wenig angetasteten Stand an Bauten der feingliedrigen Machart vorzeigen können. Nunmehr wird also die trockene geometrische Figur des Dorfangers von einer Anzahl schöner Bauten umstellt.
     Die meisten dieser FACHWERKHÄUSER sind eher funktional, d.h. ohne viel Schmuckformen ausgestattet; wie immer aber in solchen Fällen tut das den trotzdem detailreichen Ansichten keinerlei Abbruch — reiht sich ein Fachwerkhaus ans Andere erfreut uns die Ensemblewirkung auf jeden Fall. Dennoch findet man auch hier so manche besondere Kostbarkeit, wie das ALTE PFARRHAUS von 1542 und mehr noch ein gar seltenes Firstständerhaus des Jahres 1442. Insgesamt hat man das Fachwerk vor allem der fränkischen Machart zuzuordnen, wenngleich einige wenige alemannische Einflüsse noch spürbar. Die Gebäude stehen durchgehend mit ihren spitzen Giebel zum heutigentags parkartig angelegten Dorfanger.
     Man muss die Bauschlotter sehr loben, denn die ab dem 18./19. Jahrhundert gasierende Seuche des nachträglichen, vollflächigen Überputzens des Fachwerks, welches immer glatte, nichtssagende Fassaden hinterlässt, konnte, auf ein Minimum der Gebäude beschränkt, in wohl sichere Quarantäne überführt werden.

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Ist der Dorfanger alleine bereits eine ausgemachte Sehenswürdigkeit, so erhält er dennoch weitere Aufwertung, eine gar zwiefache, die den Ort vollends in ein attraktives Gefilde überführt. Voller Verwunderung sehen wir im  kleinen Bauschlott einen der wenigen Orte (unter ihnen unbezweifelbar der kleinste), in welchem die beiden talentiertesten, wohl auch bekanntesten badischen Oberbaudirektoren gemeinsam bauliche Spuren hinterließen. Der klassizistische Weinbrenner baute das Schloss und sein Nachfolger und widerwilliger Schüler Hübsch die evangelische Stadtkirche in seinem romantischen Stile.
     Der Chronologie und auch der Bedeutung Ehre erweisend beginnen wir mit Friedrich Weinbrenner. Am westlichen Eingang des Dorfes war in den Jahren 1532-40 ein veritables Wasserschloss erstanden, welches 1726 in den Besitz des baden-durlachischen Markgrafen überging. Mit der Zeit zunehmender Baufälligkeit anheim gefallen, sah sich schließlich Großherzog Carl Friedrich genötigt die Vierturm-Anlage niederzulegen und durch einen Neubau zu ersetzen. Im Jahre 1806 konnte kein anderer Architekt als Hofbaumeister Weinbrenner für Planung und Ausführung in Frage kommen.
     Dieser ging sogleich ans Werk, jedoch mit dem Auftrage wenigstens die Grundmauern der alten Burg zu nutzen, der Sparsamkeit des badischen Hofes wegen. Weinbrenners vielleicht größte Meisterschaft bestand in seiner Fähigkeit, auch bei nur beschränktem finanziellen Einsatz, echte Baukunst zu schaffen. So auch in Bauschlott. Der Nachfolgebau, der zwar den Ehrentitel SCHLOSS führen darf, ist vor allem als ein zurückhaltender Landsitz zu begreifen. Einen prunkvollen Bau wollte der Großherzog keineswegs bezahlen und so griff Weinbrenner zu ausgewogener Proportion und Originalität im Arrangement.
     Der HAUPTBAU von länglicher Form verzichtet beinahe auf jedes Würdesymbol. Er besitzt zwei lange niedrige SEITENFLÜGEL, welche, in sich gleichfalls symmetrisch, markanterweise über das klassizistische Würdezeichen schlechthin, den Dreiecksgiebel verfügen. Diesen nun hätte man vor allem am Hauptbau erwartet — den originellen Eindruck aber steigernd, ordnete sie Weinbrenner einfach den Seitenflügeln bei. Neben den ruhigen Proportionen gewinnt das Bild durch die glückliche Materialzusammenstellung aus gelbem Verputz und schwarzem, hautartigem Schiefer. 

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Die Seitenflügel schaffen den Anschluss an erhaltene barocke Bestandsbauten, insgesamt einen geräumigen rechteckigen Hof, durchaus eine Art EHRENHOF bereitend. An diesen anschließend und weiter Richtung Dorf, Weinbrenners MEIEREI. Eine ungewöhnliche Komposition, weil im für den Meister seltenen romantisierenden Stil. Die Meierei besteht aus zwei einfachen Giebelbauten, jedoch mit Rundbogenfries und gotischen Spitzbogen und profitieren vor allem durch den Blickfang ein aufwendigen Tores, welches über zwei kurze Mauerabschnitte die beiden Gebäude verbindet.
     Das Tor zeigt romanische und gotische Formen, die Mauer Zinnenbekrönung und Schießscharten — ein verspielte, Freude bereitende Zusammenstellung.
     Von höchstem Interesse die Proportion jener Giebelfassaden, welche nämlich exakt den Dorfhäusern entspricht. Bemerkenswert! Das Schloss, welches entgegen der mittelalterlichen Tradition des Dorfes die griechisch-römische Antike zum Vorbild nimmt, schafft via mittelalterlich-romantischen Meiereigebäuden, welche zudem die Proportion der Dorfbauten aufgreifen einen ohne weiteres harmonisch zu nennenden Übergang zum Dorfgebilde.
     Das Schloss besitzt standesgemäß einen großen PARK, in welchem eine AUSSICHTSWARTE nurmehr ein nächstes Unikum darstellt.
Doch gehen wir schnell zurück zum romantischen Stil. Denn was Weinbrenner in Gestalt der Meierei begann setzte wenige Jahrzehnte später sein wohl talentiertester Schüler und Nachfolger auf dem Stuhle des badischen Oberbaudirektors (die höchstmögliche Stellung eines Architekten im Baden des 19. Jahrhunderts) Heinrich Hübsch unweit des Schlosses fort, in Gestalt nämlich eines Kirchenbaus.
     Die 1838 errichtete EVANGELISCHE PFARRKIRCHE, leicht erhöht, gibt eine gute Figur ab. Das zuvörderst, weil sie wie die Meiereigebäude Weinbrenners die Giebelständigkeit von Bauschlotts Fachwerkbauten berücksichtigt. Der alle Gebäude überragende Kirchturm wurde also auf die Rückseite verlegt, so dass sich die Vorderseite, die Eingangsseite in Giebelgestalt, mit wenigen aber sorgsamen Details umso ruhiger in das Straßenbild einfügen konnte. Sie erhebt sich in rotem und gelbem Sandstein über einer breiten Freitreppe.
     Liegt das Schloss am Eingang des Dorfes ein wenig abseits, so steht die Kirche im Dorfkörper selbst und bereichert diesen, respektive das Prospekt der nördlichen Dorfangerbegrenzung um ein beträchtliches Maß.


Website-interner Link auf Schloss Bauschlott: http://www.badischewanderungen.de/Bauschlott-Schloss--k1-20-k2-.htm

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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Schloss, Dorf und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage  www.neulingen.de (Bauschlott ist Ortsteil von Neulingen; nota bene: der schönste Ortsteil von Neulingen)
4) Arthur Valdenaire "Friedrich Weinbrenner: Sein Leben und seine Bauten", C. F. Müller Verlag, 4. Auflage  Heidelberg 1985 (Braun Verlag, Karlsruhe 1926)


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