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Das Schloss zu Bruchsal, eine Sensation in Badens Ländern; das Schloss zu Bruchsal ist - verzeihe man den Ausdruck - die badische Rokoko-Rakete! Leuchtend, ihre Funken versprühend, das Auge des Betrachters verzaubernd, ja in ferne Welten entführend. Ein unglaublich` Gebilde, monumental und verspielt zugleich, das lustvollste Ding das man sich vorstellen kann. Wer es nicht selbst gesehen, will es wohl nicht glauben, aber in seinem Stil-Genre, dem dahinfließenden und fortschmelzenden Rokoko braucht sich das Bruchsaler Schloss vor nichts und niemandem zu verstecken - so also hat man auszurufen: das Schloss zu Bruchsal, wahrhaft eine deutsche, eine europäische Rokoko-Rakete!
Die Stadt Bruchsal, vorher schon mit Schloss, einer mittelalterlichen Wasserburg beachtlicher Dimension, im pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 unbarmherzig wie gründlich niedergehauen, im 18. Jahrhundert also neu erstehend war vor allem das Werk der Speyerer Fürstbischöfe. Bruchsal nämlich wurde ab 1719 zur neuen Residenz des Bistums Speyer, dem nach der Mainzer Besitzung größten geistlichen Territorium innerhalb der späteren badischen Landesgrenzen und, dank der Verlegung der Residenz von Speyer nach Bruchsal, hier nunmehr das wichtigste geistliche Fürstentum. Die Verlegung des Hauptsitzes nach Bruchsal fand denn auch dahingehend Anerkennung, als es sich um die größte der speyerischen Bistumsstädte handelte und im rechtsrheinischen Anteil des Bistums lag, welcher von deutlich mehr Ausdehnung als der linksrheinische.
Auch die rühmliche Stadt Speyer, nicht ferne von Bruchsal, wurde auf Anordnung des Sonnenkönigs in sprichwörtliche Asche gelegt, samt des Bischofs prächtigen Palast. Merkwürdigerweise aber gehörte die Stadt selbst, welche ja dem ganzen Bistum erst den Namen verlieh, nicht zum Territorium des Fürstbischofs, vielmehr durfte sie sich des Ranges einer freier Reichsstadt erfreuen, was zu Beginn des Wiederaufbaus von folgenschwerer Konsequenz. Als nämlich der Bischof ganz im Stile der neuen, der barocken Zeit einen raumgreifenden Palast ausführen wollte, verweigerte sich die Stadt mit dem Hinweis auf das Fehlen der hierzu notwendigen Fläche.
Der Fürstbischof, ohnehin arg beschwert von der völligen Zerstörung seines Bistums (sämtliche Städte und beinahe jeder Flecken lagen niedergebrannt) und immer den Tränen nahe beim Anblick des gleichfalls niedergemeuchelten Speyrer Kaiserdomes - einst einer der gewaltigsten Dome, nunmehr die gewaltigste Ruine Deutschlands (und erst im 19. Jahrhundert glücklich restauriert) - entschloss sich nur beklommenen Herzens die Stadt zu verlassen. Und beklommen war es wohl, lies doch die notwendige Entscheidung nicht weniger als 20 Jahre auf sich warten. Dann aber fiel er der Startschuss für das Bruchsaler Schloss.
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Der so gerne belächelte Fleckenteppich Deutschlands, der auch in Baden die lustigsten Blüten trieb, vor baukünstlerischem Gesichtspunkt jedenfalls wurde er zum größten Glück für diese Region. Auf kleinstem Raume nämlich sprossen jetzt gleich vier Residenzen in die Höhe - neben den beiden markgräflich-badischen zu Rastatt und Karlsruhe und dem kurpfälzischen Mannheim nun also auch das speyerische Bruchsal. Da es sich außerdem keiner nehmen lies weitere Dependenzen zu unterhalten, die Markgrafschaft Baden-Baden mit der alten Residenz in Baden-Baden und natürlich dem Favorite bei Rastatt, die Markgrafschaft Baden-Durlach mit der alten Durlacher Karlsburg, die Kurpfalz vor allem mit Schwetzingen und Speyer mit den Schlössern Kislau und Waghäusel - um nur die wichtigsten zu nennen - wurden das kleine Gebiet zwischen Mannheim und Baden-Baden zu einer veritablen Schlösser-Landschaft, die ihresgleichen auch bei mühsamster Suche kaum entdeckt. Verdenke man es also dem Autoren nicht, dass er aus ganz anderem Grunde immer mit einem Lächeln für den bunten Fleckenteppich.
Begeben wir uns nun ohne weitere Umschweife nach Bruchsal, näher hin auf das Areal des gerühmten Schlosses. Als ein ausgemachtes Areal nämlich kann man die Schlossanlage leicht bezeichnen - hier also steht nicht einfach ein Schloss, vielmehr ein ausgemachter Komplex, beinahe ein eigener Stadtteil, bestehend aus rund 50 Gebäuden! Natürlich war auch hier Frankreichs Versailles das große Vorbild, dennoch aber machte der weise Bischof Damian Hugo von Schönborn in Rücksicht auf die Vergangenheit seines Bistums eine bedeutende Ausnahme.
Bekanntlich war dieses erst zwei Jahrzehnte zuvor in Flammen aufgegangen und auch die Zeiten danach, selbst nach Friedensschluss, schienen immer brüchig genug (was nur allzu wahr), so dass der Fürstbischof von einem einzigen großen Schlossgebäude (wie vor allem in Mannheim) ganz bewusst absah. In Rücksicht auf die Grenzlage und die kriegerischen Zeiten lies er das Schloss "zerfusseln", statt einem gewaltigen Schlossbau also 50 Einzelteile, welche bei Niederbrennung sich zumindest teilweise hätten erhalten können. Darum also ein Komplex, darum aber auch, neben den bunten, verspielten Fassaden, ein ergreifendes Gesamtkunstwerk. Wahrlich ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, unzähligen Skulpturen und geometrischer barocker Gartenbaukunst - und, was eine weitere gewichtige Besonderheit, die das Bruchsaler vor anderen Schlössern auszeichnet, der Malerei. Die hervorgehobenen Schlossgebäude nämlich sind über und über mit illusionistischer Malerei ausstaffiert. Es sind jene Eigenschaften als Komplex und als ein vollendetes Gesamtkunstwerk (die Einbeziehung aller Kunstmöglichkeiten), die das Bruchsaler Schloss emporheben, ja vor keinerlei Rokoko-Konkurrenz bangen lassen.
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Was ab dem Zeitpunkt der Bebauung, welche sich von 1720 noch bis 1760 hinzog und zwischenzeitlich einen der talentiertesten deutschen Barock-Architekten an sich band, vielleicht einziger Wermutstropfen, wurde zwei Jahrhunderte später durchaus zu einem Vorteil. Die nach der totalen Zerstörung ja gleichfalls neu zu erbauende Stadt (einiges war zu diesem Zeitpunkt auch schon wieder aufgerichtet) wählte den alten, den mittelalterlichen Stadtgrundriss. Die drangsalierten Bürger nämlich konnten sich keineswegs leisten, die erhaltenen Grundmauern, zum Teil auch Erdgeschoss-Wände (die steinernen Partien, die im Gegensatz zum Fachwerk die Niederbrennung überstanden) einfach aufzugeben. Der mittelalterliche Stadtgrundriss aber konnte in seiner Eigenart nicht auf das Schloss bezogen werden. Was also in Mannheim, Karlsruhe und Rastatt von großem Reiz - der gegenseitige Bezug von Stadt und Schloss - musste in Bruchsal eine Absage erleiden. Gleich der württembergischen Residenz zu Ludwigsburg kam das Bruchsaler Schloss nur relativ beziehungslos neben dem Stadtkörper zum Stehen.
Als das arme Bruchsal nur zwei Monate (es schnürt einem die Kehle zu!!!) vor der deutschen Kapitulation Ende des zweiten Weltkrieges durch alliierte Bomber fast zur Gänze hinter Explosionen und Flammen verschwand, welche denn auch das Schloss nicht verschonten, da musste also zum zweiten Mal nach 1689 ein neues Bruchsal geboren werden. Diesmal ganz unbezweifelbar zu seinem Glücke ertstand es wiederum auf seinem alten Grundriss - diesmal aber von modernistischen Gebäuden aufgefüllt, welche wohl funktional und zeitgemäß, aber nirgendwo von der Ausstrahlung des barocken Bruchsal.
Denke nun niemand, das barocke Bruchsal sei von überbordender Pracht gewesen. Die Stadt lag, auch wenn man`s nicht glauben mag, nach 1689 tatsächlich noch schlimmer danieder als nach 1945 und litt unter entsetzlicher Not, weil sich die kriegerischen Zeiten einfach nicht beruhigen wollten. Der erste Wiederaufbau geschah de facto also unter noch widrigeren Bedingungen. Von einem wesentlichen Gesichtspunkte aber wollte man aller Not zum Trotz nicht lassen, was auch nicht anging, war es doch wie das Bauen selbst blanke Selbstverständlichkeit - von einem Aufbau nämlich, welcher durch Kunstgriffe (wenige genug, wie Bilder vor 1945 zeigen) das notwendige, mitunter einengende Miteinander von Gebäuden und Bürgern dank eines höheren Wertes, eben der Baukunst, veredelte. Selbst der Barockstil, welchem man nach landläufiger Meinung ja nur das Prunkvolle zutraut (oder ihn deswegen ablehnt, was dem Kenner zumindest fragwürdig) vermochte diesen ärmsten aller Zeiten das notwenige Maß an kunstreicher Durchwirkung der Fassaden einzuhauchen.
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Als dagegen ab den 1950ern der polternde Modernismus Ruine für Ruine durch Neubauten ersetzte, konnte davon längst keine Rede mehr sein. Baukunst nämlich - die Vermittlung zwischen gebotener, aber an und für sich abstoßender Gebäudemasse und den sie notwendig betrachtenden Menschen - galt in jenen Tagen als ein echtes Schimpfwort, ja als kitschige Randerscheinung des Bauens, ausgetrieben endlich durch die glückliche neue Zeit. Und genau so sieht`s denn auch aus, das Bruchsal des 20./21. Jahrhunderts. Und das dieses Bruchsal ohne besonderen Bezug auf das Schloss, kann man kaum wie einst als Nachteil nehmen.
Damian Hugo von Schönborns Rechnung ging 1945 zwar auf, denn die meisten Gebäude seines Schlosskomplexes überlebten Bombardement und anschließenden Brand. Das Hauptgebäude aber, der eigentliche Schlossbau, erlitt mehrere direkte Treffer und sank dahin. Im Gegensatz zur Stadt jedoch entschloss man sich zu einem Wiederaufbau. Hierfür nun kann die Stadt/das Land gar nicht genug gelobt werden, der originalgetreue Wiederaufbau nämlich war eingedenk des riesigen Schmuckreichtums der Fassaden und nicht minder der Innenräume von ungeheuerlichstem Aufwand. Entsprechend zog sich alles hin. Was mit sofortigen Sicherungsmaßnahmen begann, endete mit der Öffnung für die Öffentlichkeit erst im Jahre 1975. Das Juwel, sorgfältigst restauriert und in frischen Farben, leuchtete damals so schön wie wahrscheinlich nicht einmal nach der sich noch länger hinziehenden ersten Erbauung. Wahrlich, der Staat als Geldgeber und die zahlreichen Künstlern, die erfolgreich den altvorderen Stil wiederbelebten, nötigen größten Respekt ab.
Nehmen wir damit die Gebäude des Schlosses in den Blick, wobei natürlich nur die wichtigsten berührt werden können. Beginnen wir beim Hauptbau und nehmen anschließend die um denselben gruppierten Nebenauten, welche gleichfalls von besonderer Bedeutung.
Aus Richtung Stadt kommend durchschreitet man ein eigenes reizvoll gerundetes und prächtig mit Pilastern versehenes Torhaus. Sodann steht man im Ehrenhof nicht übermäßiger Größe. In Verlängerung des Torbaus, der Corps de Logis des Schlosses, die prächtigste Partie natürlich. Durch einen Dreiecksgiebel und das Dach leicht erhöht, sieht man im Erdgeschoss Doppelstützen, einen Balkon tragend, im Obergeschoss Pilaster - alles mit vergoldeten korinthischen Kapitellen. Auch der Dreiecksgiebel strotzt vor Schmuck, recht und links davon schweifen goldene Drachen durch die Lüfte. Die an den Corps de Logis anschließenden Flügel besitzen jeweils nur fünf Fensterachsen. Auch hier Pilaster, vor allem aber die schon eingeführte illusionistische Malerei, welche über die sämtlichen Ehrenhoffassaden schnörkelt. Sie zeichnet perspektivisch prunkvollste Fensterrahmungen, der Struktur der betrachteten Fassaden endgültig die Vertikale aufprägend.
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An diesen Hauptflügel nun schließen sich zwei Torbauten an, welche vor allem die Torachse prächtig betonen. Dann, rechtwinklig zu ihnen, den Ehrenhof also u-förmig begrenzend, zwei große Seitenflügel, größer gar als der Hauptflügel, zum Ehrenhof mit identischer, die Symmetrie also vollendenden Fassaden. Beiden besitzen einen leicht nach vorne tretenden Mittelrisalit, wie der Corps de Logis erhöht und von größerer Pracht als die seitlich angrenzenden Partien. Sie zeigen vor allem detailstrotzende Portale und mächtige, sich typischerweise zurückstaffelnde Eckpilaster. Die Bemalung dagegen beschränkt sich weitgehend auf Vortäuschung vergoldeter Fassaden. Der nördliche der beiden ist der sogenannte Kammerflügel, der südliche aber vollführt via Portal den Eingang in die sich hier anschließende Schlosskirche.
Betrachten wir nun die nicht weniger spannungsvolle Gartenseite; hierzu durchqueren wir einen der Torbauten. Beachte man deren Dächer : die Dachzwiebel geht in ein lustig geschwungenes Eisengeäst über, eine Krone balancierend. Die Parkseite nun, sie schiebt vor allem den Hauptbau nach vorne - dieser nämlich ist ein sich um zwei kleine Innenhöfe legendes Rechteck (die Schauseiten sind die Längsseiten), weshalb diese Seite weit vorgeschoben vor die beiden Torbauten (und die Schmalseiten-Fassaden der großen Seitenflügel). Die Gartenseite des Hauptbaus darf ohne weiteres als Kopie der Ehrenhof-Fassade verstanden werden - also auch sie von höchstem Reiz, welcher aber noch beflügelt. Zum einen von zwei Orangeriegebäuden, die als Längsbauten, wiederum bedeckt von Pilastern und illusionistischer Bemalung, parallel aber abgerückt zum Hauptbau stehen. Zusammen mit diesem und den Torbauten im Hintergrund zeichnen sie eine ungemein lange Gartenansicht, die, als nächster großer Vorzug, den formidablen Schlosspark aufspannen. Dieser hat zwar seine barocken Formen weitgehend verloren, gleicht nunmehr eher einem englischen Landschaftsgarten - die feine Wirkung der Anlage aber leidet darüber keinerlei Eintrag. Ein glücklicher Ort.
Diese Seite übrigens ist nur Annäherung bestens geeignet, wenn man, wie der Autor gerne, den mitgebrachten Besucher nicht nur durch den Schlosskomplex leiten, sondern zugleich mit der illusionistischen Malerei hinters Licht führen möchte. Vom Ausgang des Schlossparkes nämlich ist der Weg noch weit bis zu jenen Fassaden und man hat lange Zeit sich an ihnen zu ergötzen, sie zu schätzen und abzuwägen. Und wie auch ich selbst beim ersten Besuche, begreift man erst im letzten Moment, dass ein Großteil dieser Pracht "nur" aufgemalt - was denn immer große Verdutzung hervorruft.
Die Fürstbischöfe machten hier aus der Not eine Tugend. Natürlich hätten sie statt der Bemalung lieber echten Fassadenschmuck aufgebracht.
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Alleine hierfür fehlten dem kleinen Bistum die finanziellen Mittel. Und dennoch, auf den Prunk des Rokoko wollte man keineswegs verzichten, darum die Bemalung, deren Charakter penibel perspektivischen Vorgaben zu genügen hatte. Mag sie auch der eine oder andere, gleich in welcher Zeit, mit gewisser Abschätzigkeit betrachten, eines jedenfalls leistet die Bemalung unbedingt, namentlich eine echte Tugend: sie vollendet das Gesamtkunstwerk aus Architektur, Skulptur und Gartenbau durch die Disziplin der Malerei. Wo also andere, reichere Fürsten wie selbstverständlich zum wirklichen statt zum nachgetäuschten Ornament griffen, beschnitten sie das Gesamtkunstwerk im Äußeren zumindest um eine ihrer Disziplinen. Entscheide man für sich selbst, was einem lieber oder wichtiger.
Jenseits des eigentlichen Schlossbaues, welchem wir ja auch schon den Torbau und die Orangerien hinzufügten, verdienen vor allem drei weitere Bauwerke besondere Erwähnung. Soll der leicht abseits stehende, dennoch aber über einen recht schmucklosen Flügel mit dem südlichen Ehrenhof-Flügel verbundene Kirchturm den Anfang machen. Als höchstes Gebäude des Komplexes spielt er eine gewichtige Rolle, nämlich einen glücklichen Kontrapunkt zum lagernden, alleine die horizontalen Dimensionen nutzenden Schlossbau. Dreistöckig zeigt er von Geschoss zu Geschoss an den Gebäudeecken eine beständig schlanker werdende, einfache Pilasterordnung, außerdem wieder illusionistische Malerei. Das schönste beansprucht ohne weiteres das überaus kunstvolle Zwiebeldach des Turmes. Es trägt eindeutig die Handschrift des bedeutendsten der beim Bruchsaler Schlossbau involvierten Baumeister : Balthasar Neumann, seines Zeichens unter den größten Baumeistern Deutschlands! Diese Art der Gestaltung, die das Zwiebeldach immer wie übergestülpt aussehen lässt, verdient als ein typisches Zeichen Neumanns Beachtung, mehr aber noch ob der reizvollen Idee, der Originalität dieser Geste.
Der Würzburger Neumann wurde freilich aus ganz anderem Grunde für den Schlossbau gewonnen. Denn obwohl derselbe schon seit beinahe 10 Jahren zugange, ward dem Fürstbischof von Neumanns Vorgängern noch kein schlüssiges Konzept für die zentrale Treppenanlage des Hauptbaus präsentiert (so jedenfalls sah es der Bischof). Dieser Bereich, seiner Wichtigkeit zum Trotz, lag im elendesten Provisorium.
Dann aber gelang dem über sehr gute Würzburger Beziehungen verfügenden Bischof die glückliche Rettung : Balthasar Neumann also kam nach Bruchsal. Gleichzeitig mit seiner Arbeit am weitaus berühmteren Würzburger Residenzschloss (auch ein bischöfliches), welches er zusammen mit dem Bruchsaler im Jahre 1720 begonnenen hatte, und welches bis Ende der 40er Jahre beinahe genauso viel Zeit beanspruchte, nahm er sich also der Verhältnisse auch unseres Schlosses an. Er konnte hier keineswegs so frei agieren wie in Würzburg, denn die umgebenden Wände standen ja längst. In Bruchsal glich seine Arbeit mehr einem Umbau. Und dennoch holte er ausgerechnet hier zum größten seiner Treppenhaus-Entwürfe aus. Hierfür nämlich war Neumann bekannt : prächtige, klug und großzügig angelegte Treppenanlagen - veritable Raumphantasien. Seine Schöpfungen zählen zu den besten ihrer Art, sie gehören den schon genannten Palästen Würzburgs und Brühls und tatsächlich vornan dem Bruchsaler Schloss (es sei denn man ordnet die Schmuckpracht über die Raumform - dann nämlich kann Bruchsal keineswegs mithalten).
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Diesen Treppenraum muss man gesehen haben! Das formidable Oval und seine Wirkung lässt sich mit Worten jedenfalls nicht beschreiben, er gehört zu den schönsten barocken Innenräumen überhaupt. In zwei weiten Bögen nehmen die Treppen ihren Weg nach oben. Von den Seiten kommt viel Licht. Zwischen den beiden Läufen ein runder Raum, transparent, weil von Säulen und Pfeilern gebildet, die ihrerseits ein großes Rund tragen, namentlich das gewaltige Podest auf welchem die beiden Treppen, wieder zusammengeführt, ihr Ziel finden.
Einmal involviert bediente man sich beim weiteren Schlossbau nur allzu gerne der Person Neumanns und dieser lies es willig geschehen. Der Kirchturm zum Beispiel geht dem Entwurfe nach auf das Konto Neumanns. Zwar sah man Neumann nur selten auf den Bruchsaler Baustellen (Würzburg nahm ihn zumeist ganz "gefangen" ), aber die Bauleitung fand sich in fähigen, von Neumann initiierten Händen, welche sein Vorgaben geflissentlich umsetzten. Und der Fürstbischof, ohnehin von Herzen dankbar für den Austausch elendes Provisoriums - grandioser Treppenraum, nutzte die sich in Neumann bietende Chance auch abseits des Schlosses, indem er ihn eine der schönsten barocken Kirchen (nicht nur) Badens, auf einem Hügel am Rande Bruchsals entwerfen lies. Zu ihr kommen wir später.
Zunächst noch die verbleibenden zwei Schloss-Gebäude Kanzlei und Damianstor. Die Kanzlei platzierte man dem Ehrenhof genau gegenüber, von demselben getrennt durch den eingangs beschriebenen gerundeten Torbau und die überhaupt erst in das Schloss-Areal führende Straße. Die Kanzlei kommt als gewaltiger Klotz, würfelartig, belebt erst durch die formenlustigen Fensterformate und das große wie eine Welle hochschwappende Mansarddach, bekrönt endlich von Aussichtsterrasse und Türmchen. Die Kanzlei, eines der markantesten Barockwerke Badens.
Das Damianstor, ein Torturm, das Schlossareal, namentlich erwähnte Hauptstraße nach Norden abschließend. Eines der schönsten barocken Tore in Baden, übertroffen nur vom Heidelberger Karlstor und dem Breisacher Rheintor - und fürwahr deren Vorsprung bleibt zumindest überschaubar. Schön die pyramidale Verjüngung nach oben und die geschickte Verteilung einfacher Pilaster, alles symmetrisch und von echter Lebendigkeit. Die Wandflächen übrigens sind wie bei der Kanzlei und dem länglichen Ehrenhoftor mit einer roten Ziegelstruktur bemalt, was nicht nur von angenehmer Wirkung, auch nämlich mit berühmter Parallele : das Neue Palais Friedrichs des Großen in Preußens Sanssouci zeigt genau die gleiche Wandbehandlung. Letzteres übrigens erblickte später das Licht. Bruchsal ein Vorbild? Gewagt, aber nicht ausgeschlossen, dessen Erbauer immerhin waren echte Kenner.
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Verlassen wir jetzt den Schloss-Komplex indem wir hinter der Kanzlei hügelaufwärts den nächsten Sehenswürdigkeiten entgegenstreben, wobei wir der Stilart des Barock treu bleiben. Nach wenigen hundert Metern das sogenannte Waffenschloss, eine Art Zeughaus, schmucklos vor allem und bullig, reichlich eingegrünt. Um vieles schöner eine lustiges Gebäu namens Belvedere. Und was man eingedenk des spielerischen Momentes, des Formenreichtums der langgestreckten Zwei-Turm-Anlage kaum glauben will, es ist ein alter Schießstand! Aber im 18. Jahrhundert hatte man eben an allem seine Lust - alles wurde zur Bühne, warum also nicht auch ein ordinärer Schießstand. Errichtet im Jahre 1756 war man auch auf gute Aussicht zum Schloss und in die Rheinebene bedacht. Am schönsten die die beiden Türme deckenden chinoisen Rokoko-Baldachine.
Von hier aus lässt sich auch das nächste vorzustellende Gebäude gut ausmachen, obgleich es am anderen Ende der Stadt noch in einiger Entfernung. Wie das Belvedere nämlich situierte man die Peterskirche, jenen glücklichen Entwurf Balthasar Neumanns auf einem der die Stadt einfassenden Hügel. 1736 beauftragte Damian Hugo von Schönborn den Bau der Pfarrkirche (mit einer Grablege für die Bischöfe). Dieser Auftrag geriet nurmehr zum nächsten Glücksfall für Bruchsal, ja für ganz Baden. Balthasar Neumann nämlich lies sich auch im Falle der Peterskirche nicht lumpen. Obgleich auch hier der finanzielle Rahmen keineswegs von besonderer Großzügigkeit, was auch den Einbezug eines gotischen Vorgängerbaus zur Vorbedingung machte, entwarf er die neben der Mannheimer Jesuitenkirche, der Rastatter Stadtkirche, der Schutterner Klosterkirche und der Neu-Birnauer Wallfahrtskirche schönste barocke Kirche Badens (und das bei weiterer harter Konkurrenz!) und so nimmt es nicht wunder, dass sie auch im Oeuvre Neumanns zu den besten zählt, übertroffen nur von der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen und der Kirche zu Neresheim.
Die Doppel-Turm-Anlage in der Grundform eines gleicharmigen Kreuzes wurde in gelblich-grauem Sandstein ausgeführt, was ihr zusammen mit dem disziplinierten und keineswegs überreichen Fassadenschmuck nicht zu ihrem Schaden eine gewisse Härte verleiht. Auch die Zwiebeldachtürme typisch Neumann. Gelungen auch der den Eingang führende Teil des Grundkreuzes welcher sich monumental nach vorne schiebt. Die Peterskirche ist ganz ohne Zweifel einer Residenz würdig, was neben der äußeren Erscheinung auch für den Innenraum gilt. Überaus spannungsvoll nämlich schwebt hier eine Kuppel über der Vierung.
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Wie bereits erwähnt besaß die Peterskirche einen Vorgänger, ein kleines gotisches Kirchlein. Dieses nun wurde nicht einfach abgerissen, sondern bildete fortan genau einen Kreuzarm. Freilich ward es zu diesem Behufe sehr stark umgebaut, aber nicht - was denn auch für Neumann spricht - nicht zur Unkenntlichkeit verstümmelt; ein wichtiges Merkmal des Außenbaus verblieb nämlich : die typischen gotischen Strebepfeiler, welche aber keineswegs von besonderer Schönheit, sondern vor allem schlicht. Aber Neumann ging sogar noch weiter. Es blieb nicht nur beim Erhalt der reizvollen Pfeiler, auch nämlich wurden in ihrer Art für den gegenüberliegenden Kreuzarm neue geschaffen! Diese Maßnahme im übrigen aus leicht nachvollziehbaren Gründen der Symmetrie. Zwar spielt jener gotische Aspekt nur eine Nebenrolle, alleine hat man diese erst einmal gewahrt, so denn doch eine billig bereichernde. Erstaunlich wie löblich Neumanns Respekt vor der Gotik.
Nachdem wir nun lange genug das Zentrum der Stadt "umschlichen" haben, begeben wir uns gegen Ende der Bruchsaler Betrachtung doch noch mitten hinein, zweier Bauwerke wegen. Obgleich hier immer das Zentrum der furchtbaren Zerstörungen überlebten diese zwei Gebäude gleich beide Schreckenszeiten. Überleben allerdings stimmt nur teilweise, vielmehr wurden sie, gleichfalls stark mitgenommen, wiederhergestellt. Das gilt zum einen dem alten Bergfried der ehemaligen Wasserburg. Ein starkes, also mittelalterlich rohes Gemäuer mit geschwungenem Barockdach, was von schönem Kontrast. Als Burgturm mitten in der Stadt kann seine bereichernde Wirkung zumal beim heutigen Zustand des Zentrums kaum überschätzt werden. Das zweite Gebäude, gleichfalls verzweifelt gegen das Ungemach der Umgebung ankämpfend, stellt die gotische Stadtkirche.
Auch sie war nach 1945 nur noch ausgebrannte Ruine und wurde in Teilen nach modernistischer Art wiedererrichtet (welche sich immerhin wenig auffällig geben, die historischen Partien also nicht über Gebühr belasten). Schön der zur breiten Hauptachse der Stadt zeigende Chor mit Strebepfeilern und feinen Maßwerkfenstern - ihm zur Seite ein barocker Annex, reizvoll aufwertend. Am anderen Ende lugt der Kirchturm vor - typisch für die gotischen Kirchtürme des Kraichgaus von einer quadratischen Grundform in das Oktogon des Glockengeschosses übergehend. Dessen Dach erneut in barocker Zwiebelform, welches dem Turme das erste Mal bei Wiederherstellung nach dem Pfälzer Erbfolgekrieg aufgesetzt wurde - so ist das barocke Dach lustigerweise ein verbindendes Element aller angeführten Türme, gleich welcher Epoche.
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Über die Innenstadt fielen ja bereits einige Bemerkungen. Hier wird nurmehr ergänzt. Außer den gerade gezeigten hat nur ein kaum nennenswerte Anzahl historischer Bauten überlebt. Der Modernismus also hatte leichtes Spiel. Immerhin aber konnte man ihm die Zügel des alten Stadtgrundrisses und in bedeutenden Partien die kleinteilige Parzellenstruktur (also geringe Gebäudebreiten) auflegen. So mag es als ein Trost gelten, dass nur wenige klassisch anti-urbane Großmaschinen (das jedenfalls der immerwährende Charme jenes Gebaues) abgestellt wurden und zumeist die historischen Raumwirkungen, gebildet freilich von nunmehr reizlosen Fassaden, erhalten blieben.
Mehr Glück hat man diesbezüglich in Richtung Peterskirche und Schloss. Hier nämlich blieben wenige barocke Straßenzüge erhalten. Sie zeigen den schon eingeführten zurückhaltenden Umgang mit dem eigentlich für Formenreichtum bekannten Stil. Gebäude, zumeist zweistöckig, zwar ohne Fassadenschmuck, dafür aber mit sorgfältig detaillierten Fenster- und Türrahmungen. Die Bauten folgen offenkundig harmonisierenden Modellvorgaben, so dass sich ein homogener, keineswegs aber ein monotoner Eindruck ergibt. Das schönste jener einfachen Bauten steht im Straßenzug zwischen Zentrum und Schloss, eine alte Kaserne bestehend aus zwei Gebäuden, welche verbunden durch ein imposantes Tor.
Von jener alten Kaserne ist es auch nicht weit zum Belvedere, dessen Hügel ich jetzt nochmals erklimme. Der Blick auf die Stadt entbreitet sich von dieser Stelle besonders gut. Noch heutigentags fließt der Stadtkörper reizvoll aus den Kraichgau-Hügeln in die Weite der Rheinebene. Eine wunderbare landschaftliche Einbettung also, welche in Gestalt der sanft geschwungenen Hügel reizvoll mit der weichen Formensprache der barocken Bauten korrespondiert. Ein Ort, wie geschaffen für diesen Baustil, der seinerseits ja mit Rundungen und Wellen das Auge des Betrachters sanft und natürlich zu gewinnen weiß. Wo die Natur spielerisch die Hügel wellte, so der Baumeister seine Gebäude, vor allem die lustigen Dächer - und wo die Natur den bewaldeten Hügeln Formenreichtum und die Kleinteiligkeit der Gewächse angedeihen lies, so der Baumeister seinen Werken in Gestalt der detailreichen Fassaden (vor allem der vorgestellten Monumentalbauten). So ins Schwärmen gekommen blicke ich wohl noch in die Stadt hinunter, vor meinem geistigen Auge freilich steht längst schon das alte, ein harmonisches Bruchsal, das seinen barocken Stil sparsam vielleicht, aber wie selbstverständlich über alle Gebäude verstreute.
Die köstlichsten Blüten immerhin, sorgsam wiederhergestellt, sie bezaubern noch heute. Mag man an ihnen ermessen, wie Bruchsal einst eine zweifellos würdevolle Residenz repräsentierte.
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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Stadt und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage www.bruchsal.de
4) örtliche Informationstafeln
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