Baukunst in Baden
  Emmendingen
 

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Das Städtchen Emmendingen, unweit Freiburg, war in seiner Historie immer eng verbunden mit der Markgrafen Festung Hachberg, welche kaum fünf Kilometer entfernt. Nicht zuletzt ob jenes Bollwerkes stieg Emmendingen auf zum wichtigsten Ort im hachbergischen Anteil der badischen Markgrafschaft.
     Das Herrschaftsgebiet samt Veste gelangte 1415 an Badens Heiligen den Markgrafen Bernhard I., der Emmendingen, dessen Ursprünge mindestens bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen, prompt das begehrte Marktrecht gewann. Gewisse freiheitsliebende Tendenzen scheinen jedoch bewahrt worden zu sein — eine passende Gelegenheit dieselben auszuleben ergab sich mit der Zweiteilung Badens in die Markgrafschaften Baden-Durlach und Baden-Baden. 1584 sagte sich Jakob III., Markgraf zu Baden-Hachberg kurzerhand los und bildete sein eigenes fürstliches Territorium aus — was um so leichter fiel, als der eigentliche Besitzer, die baden-durlachische Linie räumlich in einiger Distanz, getrennt auch noch durch die dazwischenliegende baden-badische Markgrafschaft.
     Man fand Markgraf Jakob III. von Baden-Hachberg als illustre Persönlichkeit. So überraschte er mit dem Staatsstreich im Alter von gerade einmal 22 Jahren. Dann erreichte er für seine Hauptstadt, wo er sich sogleich einen alten Hof des Klosters Tennenbach zum Palast umbaute, auch die begehrten Stadtrechte. Schließlich lud er katholische und evangelische Geistliche zum später so genannten "Emmendinger Religionsgespräch" ein. Erstere scheinen um die ihm besseren Argumente gewusst zu haben, nur wenige Wochen später nämlich konvertierte er zum Katholizismus.
     Am Ende also war er so manchem auf die Zehen getreten — am Ende, weil ihn schon 1590, gerade erst 28 Jahre alt, der Tod ereilte. Wie man ob des zarten Alters sofort spekulierte, kaum unter natürlichen Umständen: der arme Markgraf möglicherweise Opfer einer Arsen-Vergiftung? Natürlich schossen die Spekulationen ins Kraut, alleine Beweiskraft erlangte keine auch nur annähernd, letztlich nämlich konnte der Umstand der Vergiftung keineswegs bewiesen werden. Hachberg, seines geschickten Oberhauptes beraubt, kam wieder an Baden-Durlach, diesmal dauerhaft.
     Emmendingen, mehr noch die Festung Hachberg funkelten bald als ein Juwel in der markgräflichen Krone, was freilich nur so lange von Nutzen bis der 30jährige Krieg seinen Anfang nahm. Die gewaltige Veste wurde vor ihrem Fall zwei lange Jahre vergebens belagert - als Vergeltung, wie man zu vermuten geneigt, das arme Emmendingen niedergehauen: 80 Prozent der Bewohnerschaft kam um, zwei Drittel der Gebäude gingen ab! Ein Schicksal übrigens, welches sehr an das nahe gelegenen Kenzingen erinnert. Zwar hatte Baden im 17. Jahrhundert vor allem zwischen Mannheim und Freiburg eine Vielzahl Städte sprichwörtlich in Schutt und Asche gehen sehen, Kenzingen und Emmendingen aber gehören zu den wenigen, die schon im 30jährigen Krieg und nicht erst im Holländischen Krieg (ab 1672) oder Pfälzischen Erbfolgekrieg (ab 1688) untergingen. Letzterer machte dennoch auch vor Emmendingen nicht halt, alleine außer der vorsorglichen Schleifung der ohnehin nur mittelalterlichen Stadtbefestigung gab es traurig-schlicht kaum etwas zu zerstören.

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Jenes furchtbare 17. Jahrhundert, man will es dem Stadtbild Emmendingens noch heute ansehen. Bekümmert, ein wenig zumindest, steht es vor Augen. Wiederum nicht unähnlich Kenzingen kam Emmendingen im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert nur schwer wieder auf die Beine. Man findet noch zahlreiche Bauten aus jener Zeit, das meiste aber ärmlich, kaum mehr als funktionales Gebaue. Der lust- und prachtvolle Stil des Barock jedenfalls, der so mancher zerstörten Stadt zu neuer, zu wiederum gefälliger Identität verhalf, er durfte in Emmendingen nur wenig Frucht bringen. Hier und da immerhin grüßt die Lebendigkeit weniger Fachwerkhäuser.
     Weil die einzelnen Stadtpartien aber gerne im Zusammenhang mit manch' sehr schönem Gebäude zu sehen, vermag man ihnen dennoch einigen Reiz abgewinnen. Im Gegensatz im übrigen zu den modernistischen Ansätzen, welche leider auch in der Altstadt beinahe überall nach Geltung suchen, nur um wie allerorten das Flair, das Wohlgefühl im städtischen Raum zu vertreiben. Was immerhin leicht genug, denn wo keine Freude versprüht wird, will Freude auch nicht aufkommen — und jenes Behagen, das Empfinden für Schönheit im Auge des Betrachters war nie Ziel des Modernismus; allenfalls ein bisweilen merkwürdiger intellektueller Anspruch, für den sich der Laie zumeist wie zurecht wenig interessiert. Dass man geschickter rhetorischer Winkelzüge bedarf, um einem Gebäude Gefallen einzugeben, ist durchaus Armutszeugnis genug — auch wenn der Modernismus freilich anderer Meinung. Oder mit den Worten des Modernismus-Kritikers Brent Brolin: "Die Verfechter der modernen internationalen Architektur sagen, dass ihre universale Formensprache das logische Resultat des rationalen Entwurfs für das Bauen mit neuen Materialien und in neuen Techniken sei. Dem verwirrten Betrachter wird erklärt, dass diese Formen, traditionslos, ohne Beziehungen zu Vergangenem oder noch Bestehendem, 'funktionsgerecht' oder 'wirtschaftlich' seien, oder 'bedingt durch neue Materialien und Techniken', doch dies sind schlechterdings nur Erklärungsversuche für bevorzugte Stileigenheiten. Niemand kann behaupten, dass die modernen Formen praktisch unausweichlich wären."[1].
       So kommt es also im Bereich des historischen Emmendingen ganz darauf an wo man sich gerade befindet.
     Ausnehmende Gebäude wurden angedeutet. Man findet ihrer fünf: die evangelische Stadtkirche, das Markgrafenschloss, das Lenzhäuschen, das Stadttor und das alte Rathaus. Man bringt sie ganz zwanglos auf kürzestem Wege zusammen. Beschreiten wir denselben also.

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Am besten betritt man die Stadt von der Westseite. Hier nämlich wird man sogleich barock-freudig begrüßt von einem gar vortrefflichen STADTTOR, dem einzigen Überlebenden von ehemals dreien. Die mittlere Partie des dreiteiligen Gebäudes nahm das ursprüngliche Tor auf, wurde zu diesem Zwecke durch die Erhöhung um ein weiteres Stockwerk betont. Die Durchfahrt daneben entstammt erst dem Jahre 1929. Formal gut gelöst trug sie dem zunehmenden Verkehr Rechnung. In nächster Nähe des Tores finden sich auch ansehnliche Reste der Stadtmauer, begleitet vom noch um weite Teile der Altstadt fließenden Bachlauf, einst den Verteidigungsgraben wässernd. Auch das im übrigen ein schöner Zug Emmendingens. 
     Hat man das Tor durchschritten findet man sich zwischen zumeist anständiger historischer Bebauung, vor allem aber grüßt schon der hohe Turm der Stadtkirche. Kurz vorher noch ein zurückhaltendes klassizistisches Gebäu, das ehemalige EVANGELISCHE PFARRHAUS errichtet 1828 im Stile Weinbrenners, ansehnlich. 
    Dann aber schraubt sich der Kirchturm in die Höhe. Die EVANGELISCHE STADTKIRCHE ist das lustigste und dennoch ein homogenes Stilgemisch. Trotz ihrer Anziehungskraft kann sie freilich nicht verhindern, dass der Blick alsbald weitergezogen wird zum schönsten Gebäude der Stadt, dem alten Markgrafenschloss, welches direkt neben der Kirche.
     Bleiben wir aber zunächst beim großen, würdevollen Gotteshaus. Ein lustiges Gemisch und dennoch einheitlich — wie kommt's zu solchem Widerspruche? Einfach genug: die Kirche ward im Stile der Gotik begonnen und mehrfach erweitert oder wiederrichtet, jedes Mal aber in neugotischer, dem glänzenden mittelalterlichen Stil also nacheifernder Variation.
     Die älteste Partie, die alleine originale Gotik stammt von 1490. Es ist der Chor, ausgeführt vom Freiburger Münsterbaumeister Hans Niesenberger. Dem illustren Namen fügt sich gleich der nächste hinten an, denn das Langhaus wurde 1813-15 vom badischen Oberbaudirektor Friedrich Weinbrenner umgebaut, romantisch-neugotisch. Zwei große polygonale Anbauten des Langhauses, die bereits vierte Erweiterung, aus den Jahren 1903-05 nahmen bezug auf diesen Formenumgang, wenngleich sie Weinbrenners Eingriff weitgehend auslöschten. Dazwischen noch die dritte, auffälligste Erweiterung: der schlanke Campanile aus rotem Sandstein entstand Mitte des 19. Jahrhunderts, ausgeführt im damals zeitgemäßen Romantischen Stil, hier basierend wiederum auf gotischer Grundlage.
Daneben also, mit der Kirche ein selten schönes Ensemble ausbildend, das MARKGRAFENSCHLOSS (die Erwerbung unseres Jakob III.): ein großer steinerner Giebelbau, schwankend zwischen Spätgotik und Renaissance. Die dreigeschossigen Fassaden sind lebendig und damit stiltypisch von fein gearbeiteten Öffnungen verschiedenster Formate gelöchert. 

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Das schönste Bild aber entwirft der achteckige Treppenturm, der, auch das  typisch  für  jene Stilepoche, als  eigener  Baukörper abrückt. Sein Durchmesser, größer als andere Beispiele, gibt ihm gutes Gegengewicht zum großen Block des Schlosses. Ein Fachwerkaufsatz, endlich ein lustig geschwungenes Dach vollenden den Campanile. Das Schloss weiß auch um einen größeren Anbau, welcher aus Fachwerk zumeist. Eine nette Ergänzung und wie dorische Säulen und ein Dreiecksgiebel, beide aus Holz, nahe legen mit Umbau durch Friedrich Weinbrenner oder einen seiner Schüler.
     Der vom Schloss aufgespannte Schlossplatz ist als profane Freifläche wohl für Festivitäten, oder als Parkplatz nutzbar, kaum aber für ein auf ästhetischen Gewinn bedachtes Auge. Immerhin lugt von der anderen Seite herüber, getrennt durch Straße und Bachlauf, eine wiederum große Kirche, diesmal homogen (neu-)gotisch, ausgeführt gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermutlich vom Neugotik-Baumeister Badens schlechthin, Max Meckel.
     Dazwischen, genauer am Bachlauf, ein liebes spätgotisches Kleinod, das sogenannte LENZHÄUSCHEN. Ursprünglich ein Sommerhäuschen, bedeutet es nicht weniger als das traurige letzte Überbleibsel der einst zahlreichen Nebengebäulichkeiten der Schlossanlage. Ein kleiner Giebelbau mit sorgfältigen Rahmungen für Fenster und Türen, gefällig sehr durch die Lage am Bach, zu welchem aus dem Untergeschoss eine Rundbogentür führt. Durchaus einen formalen "Faustschlag" versetzt leider der im Vergleich zum Häuschen gewaltige Kaminzug.
     Vom Schlossplatz, wieder vorbei an der Stadtkirche, finden wir uns sogleich auf dem für eine Stadt dieser Größe ungewöhnlich großzügigen MARKTPLATZ, angelegt schon im 15. Jahrhundert. Hier gewahrt man noch den einen oder anderen vorzeigbaren Bürgerbau im Barockstil, auch historistische Bauten (spätes 19. Jahrhundert), welche wohl anständig entworfen, jedoch nicht ohne jene gewisse formale Ratlosigkeit, die den Bauwerken des Historismus zumeist anhängt. Im Ganzen aber kann der Platz durchaus gefallen, was neben dem auch zum Marktplatz lugenden Kirchturm, zuvörderst jedoch am lustig über des Platzes Weite "schippernden" ALTEN RATHAUS. Ein zweifellos gelungener zweistöckiger Langbau mit Mansarddach, der merkwürdig bezugslos auf dem Marktplatze. Dem Gebäude selbst, 1729 Nachfolger eines mittelalterliches Baues, dessen Grundmauern es auch noch nutzte, gilt ungeteiltes Lob. Fassaden und Dach stehen in guter Proportion, der horizontale Gedanke ward konsequent verfolgt. Der Gebäudeschmuck zurückhaltend, zuweilen auch Reichtum gewinnend wie beim Eingang, welcher gesäumt von toskanischen Säulen und Balkon mit Rokoko-Eisengeländer. Endlich setzt der hohe Dachreiter mit Zwiebel und Laterne einen wertvollen Schlussakzent.
     So kommt es also im Bereich des historischen Emmendingen ganz darauf an wo man sich gerade befindet.

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[1] Brent C. Brolin : Das Versagen der modernen Architektur, Ullstein Sachbuch 1976, S. 8ff

Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Stadt und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester  "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Website  www.emmendingen.de
4) örtliche Informationstafeln

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