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Schwetzingens Schlosspark, in kurpfälzischen Diensten stehend, feierte sich als ein Schauspiel Badens, das weit über die Landesgrenzen hinaus sang und tanzte, zunächst in Deutschland, dann in ganz Europa! Was die Kurfürsten der Pfalz in der Nähe Heidelbergs und Mannheims schufen zählte bald zu den größten wie schönsten Parklandschaften Europas. In Mannheim, der Hauptstadt der Pfalz, respektive in Gestalt des riesigen Schlosses hatte man nur auf schiere Größe pochen können, in Schwetzingen dagegen gesellte sich zur beeindruckenden Ausdehnung nun auch ein vollendeter Genius der Ästhetik. Das angestrebte Gesamtkunstwerk des Barock, auf Schwetzingens Gemarkung wurde es zu einem Erfolg dergestaltiger Durchschlagskraft, dass der Schlosspark tatsächlich in aller Fürstenmunde Europas. Fürwahr ein beeindruckender Erfolg!
Jenes Gesamtkunstwerk des Barock nahm lustigerweise im tiefsten Mittelalter seinen Ausgang. Eine wehrhafte Wasserburg nämlich, erstmals um 1350 urkundlich nachgewiesen, legte, freilich ohne auch nur das mindeste zu ahnen, den Grundstein. Nach und nach gelangte die Veste in die Hände der Pfalzgrafen, den späteren Kurfürsten. Das arme Gebäu hatte viel zu leiden, vor allem im 17. Jahrhundert und namentlich im Pfälzischen Erbfolgekrieg, der auch hier schlimm ruinierte. Alleine die Burg stand ob der wildreichen Wälder des Hardtwaldes bei den der Jagd ergebenen Fürsten in hoher Gunst. Jene Zerstörung 1689, merkwürdig genug, sie bedeutete die schmerzhafte Geburt einer zweiten Existenz, jenes Schauspiels, das bekannt am Ende in ganz Europa.
Kurfürst Johann Wilhelm ging bald schon an die Wiedererrichtung der Burg, welche nun unter Beibehalt der überlebenden Substanz zu einem Schloss gerierte, zu einem Schloss ganz zeitgemäß in barockem Gewande. Sein Nachfolger Carl Philipp adelte weiter, erhob Schwetzingen zur Sommerresidenz. Endlich aber, und das ab 1742 vor allem unter dem nunmehrigen Thronfolger Carl Theodor ward das Schloss Ausgangspunkt der kolossalen Anlage. Für die Kurpfalz brachen die Zeiten höchster Kunst an, gewannen aus Mannheim eine der Kulturhauptstädte Europas und machten den Schwetzinger Schlosspark zur Inszenierung, zur Kulisse des sommerlichen Hoflebens, wie er seinesgleichen suchte. Alles im übrigen immer begleitet von höchster wirtschaftlicher Blüte, welche die schwarzen Schatten des Pfälzer Erbfolgekrieges, der beinahe die gesamte Kurpfalz in eine trümmerrauchende Wüstenei gejocht hatte, bald ganz zu lichten vermochte.
Der Schlosspark zu Schwetzingen war eine rein saisonale Angelegenheit. Jahr für Jahr zwar, aber immer nur für wenige Monate zog der Kurfürst ein, brachte dafür aber praktisch den gesamten Hofstaat mit.
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Fürwahr, auch ein merkwürdiges Schauspiel, schwankte doch die Anlage exakt zwischen größtem Trubel und echter Mucksmäuschenstille. Immerhin, der Hofstaat, in den Jahren ungestörten Prosperierens groß genug gewachsen, er bedurfte als angemessene Kulisse für die zeitgemäßen Feste und Vergnügungen von selbst eine Anlage von einiger Weitläufigkeit und Pracht. Und im Kurfürsten Carl Theodor fand man einen Regenten keineswegs gewillt zu halben Sachen, was für den Schlosspark nur das beste bedeuten konnte. Das Gesamtkunstwerk nahm seinen Lauf.
Einmal entschlossen fand sich zum gewillten Bauherren auch der passende Baumeister: Nicolas de Pigage. Nicolas de Pigage, Franzose mit Ausbildung an der Academie Royale d`Architecture in Paris, zudem weitgereist, wurde 1749 mit gerade einmal 26 Jahren zum kurpfälzischen Hofarchitekten berufen. Kurfürst Carl Theodor bewies auch hier sein überaus glückliches Gespür. Pigage nämlich sollte großes Talent offenbaren. Zusammen mit Michel D`Ixnard verhalf er auf bahnbrechende Weise dem Frühklassizismus zum Einzug in den Südwesten Deutschlands. Das großartigste Werk jener Stilepoche des Frühklassizismus, welcher hier gleichsam vermittelte zwischen dem nunmehr absterbenden Barock und dem ab 1800 um sich wuchtenden Klassizismus à la Weinbrenner, schufen beide sogar zusammen: die Klosterkirche, nicht zu unrecht Dom genannt, der einflussreichen Benediktiner-Abtei St. Blasien im Schwarzwald. Das allerdings keineswegs Schulter an Schulter, sondern Pigage D`Ixnard ablösend in nur wenig verblümter Konkurrenz.
Neben dem Schloss in Benrath gilt der Schlosspark Schwetzingens als Meisterwerk de Pigages. Das Gesamtkunstwerk erstand ganz auf Höhe der Zeit durch die Verbindung von Natur, Skulptur und Architektur. Wo man nun für letztere zwei des Menschen Hand ganz selbstverständlich voraussetzt, hat man dieselbe auch beim Naturwerk zu bedenken. Sie also, wachsend und gedeihend natürlich nach den ihr gegebenen Möglichkeiten, wurde durch des Künstlers Willen in ein enges, die Formen klar bestimmendes Korsett gesteckt. Blume, Strauch und Baum durften wohl wachsen, in Anordnung jedoch nur nach strengen Vorgaben.
Wo Pigage in Fragen der Architektur auf modernstem Stande, den Barockstil zugunsten des Klassizismus überwindend, da gelangte die Parkanlage über die allenthalben gekannte, barocke Grundstruktur noch nicht hinaus. Während also die Bauwerke von neuem Formenehrgeiz, so verblieb das natürliche Arrangement der bewährten, wiewohl strengen Geometrie verpflichtet. Sehe man in dieser Konstellation am besten den Reiz des Umbruches, denn den ausgezeichneten, fortschrittlichen Bauwerken Pigages nimmt die unerbittliche Formenwelt des Parkes nicht das mindeste.
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Jene Idee barocken Gartenbaus, sie verglühte wohl. Alleine, sie war viel zu lang in Entwicklung und Ausbreitung um falsch zu sein. Ohnehin kann man ihr Schlüssigkeit nicht absprechen. Auftretend nämlich vor allem und wie ja auch in Schwetzingen in Verbindung mit Schlossbauten bildete jene stringente Raumlehre immer die Vermittlung zwischen freier, ungekünstelter Landschaft der Wälder oder Feldwirtschaft und den ganz selbstverständlich geometrischen Grundsätzen folgenden Bauwerken der Schlösser. Jene arrangierte Natur, sie war beides. Einerseits zwangsläufig den natürlichen Regeln unterworfen und andererseits dem mathematischen Willen des Entwerfers — darüber nahm sie zweifelsohne die bestmögliche Vermittlerrolle ein. In anderer Lesart kann man den zumeist ausgreifenden Schlossbauten große Wirkkraft bescheinigen, indem sie die ihnen zu Grunde liegenden Regeln der Geometrie auch der sie umgebenden Natur aufprägen konnten. Letzteres aber nicht ohne ihr ebenso ausgleichenden Charakter zu gewinnen.
Alleine die Originalität jener Idee musste bei zigfacher Wiederholung früher oder später Eintrag erleiden. Und in der Tat, mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert kam das Ende. Wie man sich nun am Formenreichtum, an der Üppigkeit barocker Baukunst satt gesehen hatte, so auch an der strengen Disziplin der Landschaftsformung. Beide mussten abtreten. Der schwungvolle und schmuckreiche Barockbau zugunsten des nüchternen Klassizismus, der strenge französische Gartenstil zugunsten des freien, unberührter Natur nacheifernden englischen Stils.
Jeder Wandel, man darf ihn auch in Schwetzingen nachvollziehen. Von Norden und Westen legt sich nämlich der Park in freie englische Züge, geplant von keinem geringerem als Ludwig von Sckell, welcher auch für einen der berühmtsten dieser Machart überhaupt die Verantwortung zeichnet, den Englischen Garten Münchens.
Sie prallen also unvermittelt aufeinander. Hier noch die strengen Geometrien, die "natürliche Mathematik" — einen Moment später die Landschaft, die aussieht wie freie Natur, wie von selbst, ohne dingenden Menschen gewachsen. Auch das ein Wunderbares des Schwetzinger Schlossparkes, die Möglichkeit jene zwei so konträren Konzeptionen gegeneinander abzuwägen. Am Ende kommt man vielleicht zu dem Entschlusse, dass nicht nur jeder Anteil für sich ganz ausgezeichnet, mehr noch nämlich die Verbindung, das gegenseitige Befruchten großes Lob verdient.
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Die Zusammenführung gelingt, obgleich die zwei Stilrichtungen mit gegensätzlichen Mitteln arbeiten, weil beide das gleiche im Sinne haben, beide durchdrungen sind vom gleichen Willen. Hier geschieht, was beim Gegenüber echter Stile immer ergreift. Freilich gewahrt man die großen Unterschiede, jedoch nicht ohne eine innere Harmonie, ein Zusammengehen zu begreifen. Mögen die Stile auch konträre Akzente setzen, so sind sie doch immer und überall vom Willen getragen, dieselben durch die Griffe der Kunst zu ermöglichen, immer und überall steht das leuchtende Ziel vor Augen, Gefallen im Auge des Betrachters zu gewinnen.
Ein inneres Band verknüpft sie alle, Künste und Stilepochen, der Wille zur ästhetischen Gestalt nämlich, der Wille zur Kunst, als eine essentielle Aufgabe des Schaffens. Der wirkliche Kontrast ist ein Schauspiel des 20. Jahrhunderts, welcher erstmalig in der Menschheitsgeschichte eine Stilrichtung implementierte, der den künstlerischen Ausdruck zugunsten alleiniger Betonung der Funktionalität konsequent wie offen verwarf. Der Modernismus ist der Kontrast, der Unbehagen zeugt, ja der, hat man sich jenen höheren, veredelnden Wert unserer Altvorderen erst einmal vergegenwärtigt, irre machen will. Was nämlich irre macht ist das Einsehen, dass unsere Entwerfer tatsächlich recht haben, wenn sie auf das Zeitgemäße ihrer Werke pochen. Aber das nur am Rande.
In Schwetzingen also treffen beim versöhnlichen Wettstreit französischer und englischer Stil aufeinander: auf der einen Seite strenge Wegeführung, gerastet, kreisförmig und vor allem symmetrisch die Rasenflächen und Blumenbeete, auch die Wasserbereiche in klaren geometrischen Umrissen — und auf der anderen Seite locker sich schlängelnde Wege und Pfade (alles, nur nicht symmetrisch), ungezwungene Wiesen, amorphe Teiche und Wasserläufe, kurzum die Illusion einer natürlich entstandenen Landschaft.
Erstere Partie gewinnt vor allem deshalb den Eindruck des Überwiegens, weil sie als die ursprüngliche das Zentrum ausmacht, während der englische Garten mit den Randzonen vorlieb nehmen musste; unter dem Strich aber besitzen beide ungefähr die gleiche Größe.
Ihr Zusammenspiel ist einzig. Hat man nämlich jenen zentralen Anteil und das beinahe zwangsläufig lange genug besehen, die Geometrien, die Künstlichkeit des Barock verinnerlicht, so sieht man sich dem freien Umgange, der natürlichen Landschaft des englischen Stils zu umso größerem Dank verpflichtet. Das ganze aber ein Organismus. Wie Herz und Lunge unmittelbar beieinander und dennoch ganz verschieden.
Nun aber kann man sich trefflich in einen Streit finden, beim Zusammenspiel nämlich zwischen Park und seinen architektonischen Einschüben. Ist der Garten der Rahmen für die zahlreichen, an Qualität der Parkanlage gleichkommenden Bauwerke? Oder verstehen sich dieselben nur als gelegentliche Aufwertungen, stehen also unter der Dominanz der Parkanlage?
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Fragen, zu beantworten vermutlich nur durch subjektive Präferenzen. Und wo der Streit unter objektivem Gesichtspunkte wohl kaum zu schlichten, hat man sich über die vorzügliche gegenseitige Befruchtung, das wunderbare Zusammenspiel gewiss die Hand zu reichen.
Durchschreiten wir jenes Zusammenspiel, jene erquickliche Harmonie nunmehr. Der Haupteingang wird von zwei kleinen TORHÄUSCHEN markiert, wo man den zur Besichtigung vollauf gerechtfertigten Obolus zu leisten hat. Sogleich findet man sich vor dem eigentlichen Hauptbau, dem SCHLOSS. Es ist die alte, untergegangene, dann unter barocken Ansprüchen wiedererrichtete Wasserburg. U-förmig schiebt sie zwei kurze Flügel entgegen, mehr hoch als lang, auffällig vor allem durch zwei schlanke Quadrattürme, denselben vorgelagert. Letztere besorgen der Ansicht einen originellen, markanten Ausdruck. An der groben mittelalterlichen Mauerung, welche im Kontrast zum glatten Verputz des Barock, kann man die ursprüngliche Substanz noch recht gut ausmachen. Die Grundform, welche von mittelalterlicher Bulligkeit, hält die Erinnerung an die alte Wasserburg noch recht gut in Erinnerung. Ansonsten aber dominiert eindeutig das barocke Formenvokabular, sich entbietend durch die Öffnungsrahmungen, natürlich das Portal (welches durch das Schloss hindurch in den Park führt), zumeist aber über die Dächer in stiltypischer Mansard-Ausführung und mit Laterne für die schlanken Türme. Diesem vierstöckigen Kernbau wurden nun zwei Flügel in Winkelform angefügt, welche mit ersterem zusammen einen größeren Ehrenhof ausbilden. Jene Flügel, ganz dem Barock verpflichtet, sind zweigeschossig, damit niedriger als der Kern, was dem Gesamtaufbau zweifelsohne hilfreich. Im ganzen ein sehr schöner Anblick.
Hat man das Portal, den kurzen Längsflügel des Schlossbaus durchquert, so nimmt zunächst die PARKANLAGE mit ihrer sogleich erfassbaren Weitläufigkeit gefangen. Man blickt hier auf den älteren Anteil, also auf den strenger Geometrie und Symmetrie verpflichteten Aufbau.
Eingedenk der Gartenlandschaft wird man sie hier kaum gewahren, der Ordnung halber aber soll das Schloss zu Ende gedacht werden und damit seine Rückseite. Sie nimmt sich einiges bescheidener aus, was vor allem dem Fehlen der mittelalterlichen Wuchtigkeit zuzuschreiben. Man findet den Längsflügel nun länger, zuungunsten der Querflügel, welcher nunmehr von eher turmartigen Ausdruck. Insgesamt also kann man von dem Kernbau als einer gedrückten und ungleichmäßigen H-Form sprechen, konstatiert außerdem für Eingangs- wie Gartenseite eine gebrochene Symmetrie, also ein geringes Abweichen von ihrer Strenge als Konzession für den Erhalt des mittelalterlichen Anteiles.
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In nächster Nähe, rechts und links des Hauptgebäudes beginnen die baulichen Maßnahmen des Kurfürsten Carl Theodor. In den sogenannten ZIRKELBAUTEN, geplant und ausgeführt von Nicolas de Pigage, erblickt man die Grundlage des Schwetzinger Ruhmes. Sie nämlich, ungemein lang gestreckt, in der Form zweier Kreissegmente, spannen die zentrale Partie des Schlossgartens förmlich auf. Dabei zeigen sie im Aufbau wie im Detail allergrößtes Geschick, wurden darüber für die höfischen Festivitäten zum bestmöglichen Hintergrund. Zusammen mit dem Hauptbau geben sie dem Park in Richtung Osten nicht nur einen ausgezeichneten Prospekt, sondern auch die glücklichste räumliche Fassung, so dass alles den Anschein nimmt als würde die Gartenanlage gleichsam aus ihnen herausfließen. Eine Inspiration, eine Ansicht, wie sie in Baden unübertroffen, in Deutschland, ja auch Europa ihresgleichen nur selten findet.
Die zwei Zirkelbauten, respektive ihre zum Garten orientierten Schaufassaden sind identisch. Und wie sie in der Zusammenschau mit dem Schloss den symmetrischen Ausdruck erringen, so auch in sich selbst.
Wohl wurden sie nur eingeschossig ausgeführt, jedoch nicht ohne besondere Raumhöhe, außerdem mit zum Teil hoch aufragenden Dächern. Ihr bestimmendes Motiv ist das des Arkadenganges, der, durch Glaselemente geschlossen, sich über die gesamte Schaufassade zieht. Der Gefahr der Monotonie trat Pigage entschlossen wie gewandt entgegen, indem er die Ansichten in jeweils neun Partien gliederte. Darunter findet man fünf Hauptabschnitte, deren Fassade jeweils nach vorne und das als Mansard ausgeführte Dach gegenüber den Satteldächern der Nebenpartien deutlich in die Höhe tritt. Wie man sich leicht ausmalen kann ergibt sich hierüber der lebendigste Ausdruck, ein ständiges vor und zurück, auf und ab. Am schönsten natürlich die Mittelpartie und auch die Endstücke, welche sich durch Verwendung von geschosshohen Dreiviertel-Säulen toskanischer Ordnung auszeichnen. Des weiteren fallen sie auf durch Anbringung von Steinvasen über dem hohen Gebälk. Die Fassade als ganzes unterliegt ganz eindeutig klassizistischem Ansinnen, welche dank klarer Strukturen und disziplinierter Anbringung des Zierrats von barocker Verspieltheit nichts mehr wissen will. Alleine das Dach, respektive die Dachabschnitte über den Hauptpartien, versehen mit dem barock-typischen Mansarddach bleiben dem Vorgängerstil noch verhaftet. Letzteres freilich nicht zum Schaden des Ausdruckes, welcher von den hohen und durch die Mansardform gut gegliederten Ansichten sehr profitiert. Pigage also suchte keineswegs mit Gewalt die Abkehr vom Alten, sondern nahm die Qualitäten, die auch dem Modernen noch Erfolg versprachen ohne weiteres mit in die neue Zeit.
Erwähnenswert gewiss noch das ROKOKO-THEATER, welches direkt verbunden mit dem nördlichen Zirkelbau. Von außen eher unscheinbar, ohnehin versteckt hinter demselben, gefällt dennoch der überaus prachtvolle Innenraum, welcher seinem Rokoko-Attribut vollauf gerecht wird, entsprechenden Schmuckreichtum und Üppigkeit der Formen bereit hält. Gewiss der größte Sieg des hier durch den Klassizismus ja weitgehend gebändigten Barockspiels.
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Hat man das nördliche Kreissegment abgelaufen, begibt sich also weiter entlang der eingeschlagenen Richtung, so trifft man alsbald auf den nächsten Langbau, länger gar als voranstehender. Es ist die ORANGERIE, ein reiner Funktionsbau mit reichlichem Glasanteil. In punkto Pracht also deutlich abfallend, jedoch ohne Vernachlässigung. Und was man hier nicht in aufwendigen Schmuck investieren wollte, das leistet eine illusionistische Bemalung.
Das schöne, ruhige Gebäu leitet weiter zum APOLLO-TEMPEL, der sich von hier aus als felsige Anhöhe, bekrönt von einem Monopteros (Rundtempel als reiner Säulenbau) entbietet. Die Säulen, ionisch und Fries mit Kuppel tragend, säumen, wie der Name schon verrät, eine Statue des Apollo. Der Monopteros, im übrigen, durfte in keiner barocken Gartenanlage fehlen.
Die FELSENHÜGEL wurde natürlich künstlich angelegt. Man kann sie durchqueren, wobei man sich reizvoll in grottenartigen Gängen bewegt. Die andere Seite ein ganz anderes Bild. Freilich bekrönt der edle Monopteros auch hier, allerdings keinen Felsen mehr sondern eine sich entlang zweier Flügel entbreitende BÜHNE, welche ihrerseits noch durch die Höhe eines Geschosses über die Umgebung erhoben. Eine Anlage unter offenem Himmel für einfache Theaterstücke vor ausgesuchtem Publikum.
In unmittelbarer Nachbarschaft (nördlich) das sogenannte BADHAUS, ein kleiner Rechteckbau, auffällig vor allem durch das hervorgehobene Zentrum. Das Badhaus, ausgestattet mit den entsprechenden Gemächern, rühmt sich der großen Beliebtheit beim Kurfürsten.
Jene drei nach dem Zirkelgebäude vorgestellten Bauwerke wurden wie die noch folgenden allesamt von Nicolas de Pigage ausgeführt. Jene drei nun, sie markieren gleichzeitig den Wechsel vom Barockgarten ins freie englische Arrangement. Weiter Richtung Norden passiert man ein kleines Tiergehege, läuft entlang eines Teiches und trifft alsbald, nachdem man zwei Wasserläufe überquert hat, auf die nächsten Bauwerke.
Zunächst und eher schlicht der TEMPEL DER BOTANIK. Ein kleiner Rundbau, überkuppelt, zurückhaltend, aber mit überaus prachtvollem Portal. Allerdings werden hier alle Blicke schon vom zweiten Gebäu angezogen, einem nämlich überaus merk-würdigen. Das sogenannte RÖMISCHE WASSERKASTELL präsentiert sich gar effektvoll als Ruine: eine künstliche Ruine, durchflossen von einem Bach und mit langgestrecktem Aquädukt, implizieren auf geschickte wie phantasievolle Weise, dass hier schon die Römer am Werke.
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Das kleine Kastell, eine angedeutete Doppelturm-Anlage, schickt das Aquädukt zu beiden Seiten in die Landschaft, dieselbe damit anmutig fassend, was hier nur umso sinnvoller, weil nämlich der Park hier seinen nördlichen Endpunkt erreicht. Das Gebäu aus Tuffstein, "angefressen" tatsächlich wie eine Ruine, sich gar wunderbar im Bachlauf spiegelnd, wurde geschickt mit dem freien Landschaftsspiel verbunden. Im Stande einer Ruine natürlich in denkbar scharfem Kontrast zu den bisher gesichteten edlen Gebäuden nimmt sich das Wasserkastell dennoch als ein vortrefflicher Bestandteil der Anlage aus.
Dabei steht sie in ihrem Genre nicht alleine, erfährt vielmehr durch den MERKUR-TEMPEL, welcher gleichfalls im Ansehen eines römischen Überrestes, ihren kongenialen Partner. Dieser allerdings um den Gedanken antiker Ruinen gleichmäßig zu nutzen wurde auf der gegenüber liegenden Seite, demnach der Südseite des Parkes in wiederum freie Landschaft gestellt. Um ihn zu gewinnen hat man die entsprechende Strecke Weges zu absolvieren. Alleine entlang der geschlängelten Wege, beständig auf Du mit Bachläufen, vor allem aber dem zurecht so genannten Großen Weiher, wird einem die Distanz nur schwerlich sauer.
Unversehens genug lächelt einem auch hier der morbide Reiz des Ruinösen zu. Alles wieder aus "abgefressenem" Tuff, in überzeugender Manier. Ein Unterbau, geschwungen und mit Dreiecksgiebel. Der Rundbau darüber, wie es den Anschein nimmt, wird nicht mehr allzu lange balancieren. Situiert auf künstlichem Hügel ein ergötzlicher Anblick.
Jener Merkur-Tempel weiß sich zu Füssen den nächsten ausgedehnten Teich. Auf dessen anderer Seite nun wartet ein überragendes Bauwerk der Anlage, den Zirkeln und dem Schlosse nur wenig nachstehend, die sogenannte MOSCHEE.
Es stellt eine jener Lustbarkeiten vor, einen Spleen, geteilt von manch fürstlichem Kollegen, ein Gebäu, fantastisch zumindest für westeuropäische Augen, im Aussehen eines islamischen Bethauses. Die schönste Ansicht gewinnt man noch am Tempel des Merkur, derweil nämlich der Hauptbau, ausgewiesen als Moschee durch nichts besser als zwei Minarette, von der breiten Wasserfläche gar ausgezeichnet widergespiegelt. Der Hauptanteil besteht aus einem rechteckigen, zweigeschossigen Unterbau, welchem zum Teich hin ein origineller Säulen-Portikus vorgelagert, bekrönt als ganzes von einem Rundbau, welcher überkuppelt, endlich aber mit einem Zwiebeldache abschließt.
Was der Moschee vollendeten Reiz verleiht, ist ein rechteckiger Hof nicht geringer Größe, der auf der anderen Seite des Hauptgebäudes unvermittelt anschließt. Er vollendet das Spiel fantastischer Formen. Was vom See aus schon beeindruckend genug wird nunmehr zur leibhaftigen Überführung nach 1001 Nacht.
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Fürwahr ein ergreifend Märchen. Man betritt den Hof durch einen TORBAU, hat die Eingangsseite der eigentlichen Moschee vor Augen, dazu den introvertierten HOF, der mit orientalisierenden Formen nur so um sich wirft. Wahrlich ein ganz eigener Raum, der in Deutschland zumindest um keine gleichwertige Parallele weiß. Der Hof besteht neben dem Torbau und der Moschee aus vier ECKPAVILLONS, zwei weiteren Pavillons, die auf den Querseiten des Rechtecks nach außen versetzt. Alles miteinander aber wurde durch Laubengänge verbunden. Und was am wichtigsten, nirgendwo eine Vernachlässigung oder ein Abfallen, überall die unschuldigste Freude an den Formen, jeder noch so kleine Anteil um Originalität bemüht. Dabei aber fiel der Baumeister nicht leichfertig in den Barock zurück. Für die Moschee, das Tor und die Pavillons nämlich wurde kein Ornamentbehang entworfen, sondern klare Baukörper, die mehr in die Möglichkeit der Form als die des Gebäudeschmuckes verliebt. So kann man sich am Ende nicht des Eindruckes erwehren, dass Pigage hier ganz in seinem Elemente. Kurfürst Carl Theodor lies offenbar eine lange Leine und Pigage die Formen nur so purzeln, wie ein Kindlein versunken in sein Lieblingsspielzeug.
Verbleibt ein letztes Bauwerk. Man begibt sich weiter Richtung Schloss, damit endgültig wieder in die Geometrien des Barockgartens und findet alsbald ein zwar nur kleines Gebäu, welches aber gleichfalls als ein Meisterwerk Pigages zu nehmen, den MINERVA-TEMPEL: ein annähernd quadratischer Bau, dem ein korinthischer Säulen-Portikus vorgelagert. Jene öffnende Geste des Einganges steht in bestem Gegensatz zur sonstigen Öffnungslosigkeit des würfelartigen Baukörpers, wie auch die Kanneluren der Säulen zu dessen glattem Verputz. Ein klassizistisches Werk in Vollendung. Und wenn man auch schon wieder im Barockgarten, so zeigt die nächste Umgebung des Minerva-Tempels doch wilden Baumbewuchs, dessen Unregelmäßigkeiten in schönstem Kontrast zur Strenge des weißen Gebäudes.
Nunmehr also ist der die Bauwerke des Schlossgartens aufsammelnde Rundgang abgeschlossen, und die Zirkelbauten nehmen einen gleich ausgebreiteten Armen wieder auf. Was hier in wenigen Worten beschrieben, darf keineswegs mit den tatsächlichen Verhältnissen verwechselt werden. Um sich alles nämlich zumindest oberflächlich zu besehen bedarf es vorneweg eines gesamten Tages, das genaue Studium entsprechend mehr.
Das Schloss, es wurde auch Ausgangspunkt des "neuen" Schwetzingen. Das alte, bereits im Jahre 766 (also außerordentlich früh) im Codex des Klosters Lorsch verzeichnet, war 1689 zusammen mit der Wasserburg untergegangen. Als nun das Schloss seinen Anfang nahm, zur Sommerresidenz aufstieg, zog es auch Schwetzingen an sich. So findet sich das barocke Karree des MARKTPLATZES, getrennt nur von einer Straße, der Außenseite des Schlosses direkt gegenüber. Entlang dieser eingeschlagenen Achse führte man eine breite Straße, welche nun die bis dato in Ober- und Unterdorf sauber getrennte Ansiedlung zusammenführte. Das Hauptgebäude an der sogenannten Barocken Achse, neben den ansehnlichen Marktplatzbauten, stellt der lange MARSTALL, ein Gebäu zurückhaltenden Barocks.
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Auch die neue KIRCHE, im übrigen gleichfalls ein Werk Pigages, das zwar viel Lob verdient, im Vergleich zu den Schlossbauten aber verstärkt mit barockem Ansinnen, wurde in nächster Nähe der Residenz errichtet.
Der Ort selbst, abgesehen von der barocken Achse, macht dennoch kaum mehr als einen anständigen Eindruck. Hier und da finden sich wohl schmucke Barockbauten — die Durchgängigkeit jenes Ausdrucks aber wurde vertan, ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert, namentlich einmal mehr durch den Modernismus. Erst recht wenn man die Stadt nach Besichtigung des Schlossparks in Augenschein nimmt, werden einem die Bauten unserer Tage überaus sauer — es sind Gebäude deren einziger Ausdruck Sterilität und Langeweile. Und man begreift recht billig Kants "Ohne die Erfahrung des Schönen bleibt die Rationalität unerfüllt."[1]. Bedenkt man des weiteren und wiederum von unserem größten Philosophen "Nur ein vernünftiges Wesen kann das Schöne erfahren"[2], so bezeugen uns die Modernisten in Schwetzingen wie überall in der Welt, dass der Mensch tatsächlich nicht mehr — wie uns die Naturwissenschaft belehrt — als ein Säugetier, zu Ende gedacht also als ein Wesen ohne wachbewusste Persönlichkeit (allenfalls mit der Illusion eines "Ich"), ohne Vernunft, ohne Möglichkeit das Schöne wahrzunehmen! Und also wird nichts mehr auf das Schöne verschwendet, verbleibt nur noch der Ausdruck der Funktionalität, gähnender Langeweile. Das Geschlecht, das den Schlosspark erbaut hat, könnte nicht weiter abstehen vom Geschlecht, das den Modernismus ermöglicht. Durch Äonen getrennt vermeint man tatsächlich auf der einen Seite den Menschen und auf der anderen das Säugetier.
Das RATHAUS, ein bulliger Bau im Klassizismus des Weinbrenner-Stiles verdient wieder Lob. Das allerdings steht wiederum in nächster Nähe des Schlossareals. Wie dargelegt, die Sommerresidenz zog alles Bedeutende an sich.
Wer einen Schlosspark dieser Qualität und Ausdehnung besitzt braucht sich freilich um anderes kaum zu sorgen. Der Glanz der alten Sommerresidenz der Kurfürsten nämlich überstrahlt schlicht und ergreifend die weniger schöne Stadt. Ihr Erhalt, für den nach der Auflösung der Kurpfalz zunächst das Großherzogtum, dann das Land Baden und schließlich Baden-Württemberg die Verantwortung zeichnen, kann gar nicht genug gelobt werden. Ein Kulturgut sondergleichen, das jedem nur wärmstens empfohlen. Ein Werk, überall annehmend, freundlich und voller Lebenslust, das wie nur wenige die positiven Möglichkeiten menschlicher Schaffenskraft so spielerisch, so leicht wiedergibt.
Überarbeiteter Artikel auf schloesser-bawue.de
[1] Scruton, Roger: Kant, Herder/Spektrum, S.114 (Kritik der Urteilskraft)
[2] Ebd., S.114
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Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale; Schloss, Ort und Landschaft
2) Dr. Emil Lacroix und Dr. Heinrich Niester "Kunstwanderungen in Baden", Chr. Belser Verlag Stuttgart, Ausgabe 1959
3) Homepage www.schwetzingen.de
4) örtliche Informationstafeln
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