Baukunst in Baden
  Philippsburg
 

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Selten ward eine gute Tat härter bestraft! 1615 ließ der Speyerer Fürstbischof die wenig bedeutende Stadt Udenheim zur Festung Philippsburg ausbauen, um seinen Untertanen in Kriegszeiten Schutz zu bieten. Sie wurde eine gar beeindruckende Festung und Philippsburg fortan europäisches Gesprächsthema! Vor allem durch die französische Expansion in Stossrichtung Rhein, die die Stadt schon bald in Grenznähe brachte. Philippsburg gerierte zu einem Zankapfel! Zunächst kamen die Schweden, dann ein "munterer" Wechsel zwischen Franzosen und Deutschen; selbstredend immer mit größten Drangsalen für die Bevölkerung von Stadt und Umland — kurzum, der Schuss ging böse nach hinten los! Ein gewaltiges, ja ein furchtbares Schauspiel, das who-is-who der europäischen Militärgeschichte vor den riesenhaften Schanzen der sternförmigen Anlage (typische barocke Struktur) versammelnd: Vauban, Turenne, Prinz Eugen und endlich Napoleon. Letzterer beschließt einmal mehr. 1799 feuern seine Batterien die Reichsfestung in Schutt und Asche; wenige Jahre später wird sie restlos geschleift. Der Ort entschwindet nach fast zwei Jahrhunderten dem europäischen Militäratlas, die Bevölkerung wieder in die Sicherheit der Anonymität.
     Das mit der restlosen Schleifung wollte der Autor nicht so recht wahrhaben. Am Bahnhof noch erforsche ich einen dort aufgerichteten Stadtplan. Rotes-Tor-Straße, Zeughausstraße, Schlossstraße, Pulverturmstraße und dazu ein Weg, der genau die Zacke einer Bastion nachzeichnet — das nährt freilich die Hoffnungen auf Artefakte!
     Ein bis zwei Stunden später aber waren die Erwartungen ergebnislos verpufft! Es ist tatsächlich wahr, die Festung inklusive Schloss wurde restlos geschleift. Auch sonstige Gebäude aus jenen Tagen fehlen weitgehend; die einzige leicht wahrnehmbare Ausnahme: SANKT GEORG, eine ansehnliche barocke Stadtkirche — schön vor allem die prächtige, von vier kolossalen Pilastern gegliederte, dabei aber keineswegs überladene Vorderseite. Hier wächst auch der Turm mit oktogonalem Glockengeschoss und Welscher Haube mit Laterne aus dem Dach; ebenso findet sich hier der symmetrisch eingesetzte Haupteingang, mit fein profilierter Rahmung und Wappen im Segmentbogengiebel. Einst war das Gotteshaus und vor allem dessen Turmspitze kunstvollster Teil der durch Schanzen und Tore geprägten Stadtsilhouette. 

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Wenige Schritte entfernt findet man ein weiteres interessantes Bauwerk: das ALTE GEFÄNGNIS (heute MUSEUM — welch' Umwidmung!) in einem dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zeitgemäßen romantischen Festungsstil erbaut. Erstaunlich! Das wuchtige ummauerte Gebäu entstammt zwar nicht den Festungstagen, lässt diese aber effektvoll wiederaufleben. Überdies bildet es mit Sankt Georg aus bestimmter Perspektive eine Einheit — die schönste Stadtansicht Philippsburgs. Leider auch die einzige ihrer Art! Ansonsten nämlich herrscht souverän die Anonymität: keine urbane Dichte, eher eine dörfliche Struktur, ausgefüllt von modernistischen Bauten und gesichtslosen historischen des 19. Jahrhunderts;  zwischendurch Historismus, auffallend wohl, aber wenig gefällig. Dazu uferte der Ort nach dem Zweiten Weltkrieg vollends aus, die alten Stadtgrenzen sind verwischt. Philippsburg wurde nach der schlimmen Napoleonischen Zerstörung im 19. und 20. Jahrhundert praktisch neu erbaut — alleine beide Jahrhunderte waren nicht mehr in der Lage ein markantes oder gar ein schönes Gefäß auszurichten. Rrsteres konnte nicht mehr (die klassizistischen Tage, die dieses noch am ehesten vermocht hätten, waren zugleich die von Kriegen gebeutelten, ärmlichsten), und das 20. Jahrhundert konnte und wollte nicht mehr.
     Was den Ort einstmals zu den markantesten Städten des späteren Baden erhob, existiert heute (mit Ausnahme der Kirche) nicht mehr. In nächster Nähe der Stadt erhebt sich dafür der ungeheure Meiler des nach ihr benannten Atomkraftwerkes — eine noch bedrohlichere Ansicht als die ehemalige Festung. Mag es, für wen auch immer, als Ersatz gelten. In meinem Falle aber steigerte sich die Enttäuschung zu ausgemachter Unlust.


Quellen
1) die Bauwerke selbst - Stilmerkmale
2) Homepage  www.philippsburg.de

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